Eintrag Vorlesungsverzeichnis BUW Wuppertal WS 25/26
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Werken mit den Kleinen?! – Impulse aus dem Werkunterricht der Waldorfschule
Werkendes Gestalten mit Naturmaterialien und Holz hat in der Waldorfpädagogik eine lange Tradition. Das handwerklich-gestalterische Arbeiten hat heute große Bedeutung für die Entwicklung manueller, kognitiver und emotionaler Fähigkeiten von Kindern. Zudem kann es diese über das eigene Gestalten mit Natur und Umwelt verbinden. Das Seminar zeigt an praktischen Bespielen aus dem Werkunterricht der Waldorfschule, welche Gestaltungsmöglichkeiten mit Schülerinnen und Schülern der Klassen 1-6 möglich sind. Vom Flechten mit Weidenruten bis zum Holzschnitzen werden die Aufgaben selbst praktisch erprobt und hinsichtlich Ihrer Übertragbarkeit auf Grundschule und Unterstufe der Regelschule reflektiert.
Aeppli, Willi: Sinnesorganismus - Sinnesverlust - Sinnespflege. Stuttgart 1979
Birk, Heike/Verbeck, Thomas: Werken in der Unterstufe - Arbeitsheft. Remscheid 2025
Birk, Heike/Verbeck, Thomas: Werken in der Unterstufe (Werken mit den Kleinen) Online Publikation wird fortgeschrieben
Birk, Heike/Verbeck, Thomas: “Werken in der Unterstufe? Ja bitte” in: Erziehungskunst, Heft 4/2025
Facebook-Gruppe “Waldorf-Werklehrer” https://www.facebook.com/groups/360923507445284
Fries, Andreas/Krautz, Jochen/König, Lucas (Hrsg.): "Werken". IMAGO. Zeitschrift für Kunstpädagogik. H. 15/2022
Kranich, Ernst-Michael_Die_Intelligenz_der_Hände, in: Erziehungskunst H.5/2002
Krautz, Jochen/Schröder, Klaus: Werken. Unzeitgemäßes Tun?! In: Barz, Heiner (Hrsg.): Unterrichten an Waldorfschulen. Berufsbild Waldorflehrer: Neue Perspektiven in Ausbildung, Forschung und Schulentwicklung. Wiesbaden 2013, S. 145-157
Loewe, Hella: Elementares Plastisches Gestalten Willensschulung durch Formerfassen. Stuttgart 2004 (Print vergriffen)
Martin, Michael (Hrsg): Derkünstlerisch-handwerkliche Unterricht in der Waldorfschule. Stuttgart 1991 (Print vergriffen)
Waldorf-Werklehrer Wiki: https://wiki.waldorf-werklehrer.de
Unterweisung in die Werkraumarbeit
Belehrung und Dokumentation
Inhaltliche Einführung ins Thema: Werken mit den Kleinen - Digitalisierung mit den Großen
Vorstellung der Handwerkzeuge und Hilfsmittel zum sicheren Arbeiten (auch mit Kindern)
Einführung ins Handschnitzen (Drei Techniken): Ziel: Handgeschicklichkeit beim Schnitzen
Ringwurfspiel als Gemeinschaftsarbeit zur
1. Einführung der Schnitztechniken (Haselnuss).
2. Weidenring flechten
3. Ablängen in Sägelade (für Kindehände machbar)
4. Schnitzübung an 2 weiteren Stecken mit individueller Ausgestaltung
Erfahrung: In der Mitte der Stecken befindet sich die weiche, instabile Markröhre; kerbt man zu tief, bricht das Holz einfach. Deshalb empfiehlt es sich, ein Vollholz immer zu spalten und die Markröhre, das Herz des Baumes heraus zu schnitzen, wenn es um eine “tiefergehende” Gestaltung geht, etwa, wenn man einen Brieföffner schnitzen will..
1. Reflexion vom Vortag
Spielen (draußen)
2. Löffelschnitzen (gespaltene Haselnuss)
3. Flechtarbeit Meisenkugel Aufhänger (detaillierte Arbeitsanleitung)


Der Kurs hat gut zusammenhalten, hatte eine äußere Struktur, die klar vorgegeben war, in der sich die Studierenden in der in der Abschlussrunde beschriebenen Weise entfalten konnten, ein gutes Stück Entwicklung mit verschiedenen Facetten:











Einführung des Hohleisens (Stechbeitel und verschieden Handwerkzeuge))
Anregung/ Beispiel: Runde Flechtarbeit Häuschen o.ä. (als komplexere Arbeit für kleine Gruppen); eine Fortführung der Weidenzäune im Garten /Werken_Unterstufe/WerkenmitdenKleinen


Rundbauten sind immer stabil. Faszinierend ist die Tatsache, dass ein Geflecht immer von sich aus hält, anfangs lassen sie sich noch in Form ziehen, später, getrocknet werden sie fest. Zum Körbe flechten ist es dann nicht mehr so weit. Allerdings ist der pädagogische Nutzen jetzt und auch im höheren Lebensalter offensichtlich.
Die Gestaltung des Seminars als Blockveranstaltung an zwei Wochenenden mit einer vierwöchigen Pause wurde allgemein positiv bewertet. Hierdurch wurde es ermöglicht intensiver in die beiden handwerklichen Tätigkeiten des Schnitzens und Weidenflechtens einzusteigen. Auf der einen Seite wurden die methodischen Wechsel innerhalb der Arbeitsphasen befürwortet, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit individuell dem eigenen Arbeitsprozess zu folgen und ein persönlich bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Dazu gehörten auch individuelle Wiederholungen einzelner Arbeitsschritte, um hier eine relative Sicherheit in der Aufgabenbewältigung zu erlangen.
Gearbeitet wurde mit kammergetrockneter, zugesägter Linde, frischen Haselnussstecken unterschiedlicher Dicke und frischen Weiden. Ein Teilnehmer litt unter einer Haselnussallergie und musste auf die Arbeit mit diesem Material verzichten.
Alle Teilnehmer:innen haben sich sehr konzentriert und ausdauernd auf die Prozesse eingelassen, ein gutes handwerklich-künstlerisches Geschick bewiesen und konnten immer wieder die Bezüge zur pädagogischen Arbeit mit Kindern herstellen. Dabei wurde durchaus deutlich, dass sie auf der einen Seite einen gewissen Respekt davor zeigten, mit einer größeren Gruppe von Kindern zu schnitzen. Die Problematik, Messer im Unterricht zu benutzen wurde durchaus gesehen, ebenso die möglichen Hindernisse was die Akzeptanz durch Schulleitungen, Kollegien und Eltern angeht. Eine sorgfältige methodische Vorbereitung solcher Unterrichte, eine sehr ernsthafte Gefährdungsbeurteilung der Werkzeuge und der Tätigkeiten wurde als unabdingbar angesehen.
Für den konkreten Fall einer unterrichtlichen Realisierung wurde verabredet, dass ein individuelles Coaching immer möglich sei. Das Wiki etwa bietet auf dieser Seite die Möglichkeiten in der Kommentarfunktion eine Fragestellung kollegial zu diskutieren.
Abschließend wurde noch einmal der Spannungsbogen von Digitalisierung und Werken betont. Die eigenen Erlebnisse bei der handwerklichen Arbeit als Studierende in einem kunstpädagogischen Seminar haben erkennen lassen, wie sich das Tun auf die individuelle emotionale Verfasstheit auswirkt. Besonders betont wurde das zur inneren Ruhe kommen und das eigene fokussierte und konzentrierte Arbeiten. Deutlich erkennbar war aber auch die eigene Motivation, etwas lernen zu wollen, das man selbst nicht kann aus der Erkenntnis heraus, dass es einem selbst gut tut. Gleiches erhofft man sich als Wirkung bei den Kindern.
Sehr deutlich wurde erkannt, dass jede Form des Werkens mit den Kleinen überhaupt keine Spielerei ist und absolut ernstgenommen gehört. Dabei fällt durchaus auf dass die gemeinsame Betrachtung anstelle der qualitativen Leistungsbeurteilung einen großen Schub an intrinsischer Motivation bedeutet.
Im Sozialen hat sich gezeigt, dass sich schnell Kontakte entwickelt haben, dass man die Mitstudierenden um Rat oder Hilfe gefragt hat und dass sich ein Vertrauensverhältnis zum Gegenüber entwickelt hat und durchaus eine gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck kam. Vor allem war es aber auch die Wertschätzung und ein Gefühl von Stolz der selbst erbrachten Leistung gegenüber.
Abschließend wurde deutlich formuliert, dass es für alle Studierenden, egal welchen Semesters günstig und hilfreich sei handwerkliche Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln und auszubilden, um damit den Kindern in der Schule als kompetente Vorbilder begegnen zu können.
Schulkinder in der Grundschule sind es aus ihrer Zeit in der Kita gewohnt und wurden von den Erzieherinnen dazu angeleitet, mit den Händen tätig zu sein. Dabei wurden idealerweise alle ihre Sinne angesprochen und sie konnten sich im Tun “hautnah” erleben.
Werktätig waren sie im Großen und im Kleinen - grobmotorisch und feinmotorisch. Bei der Materialauswahl gab es nahezu keine Grenzen, alles ließ sich mit den Händen bearbeiten. Auch gab es schon erste Werkzeuge, Messer, Säge, Hammer, Schaufel, Schere, Hacke, Harke und Besen, mit denen sie gelernt hatten umzugehen. Eigentätigkeit mit den Händen zu ermöglichen und zu fördern ist eine der zentralen Bildungsaufgaben in der Kita.
Mit dem Eintritt in die Schule werden die Schwerpunkte anders gesetzt. “Lernen” bekommt einen anderen Duktus, die Arbeitshaltung ist vorwiegend sitzend, die Tätigkeiten ranken sich um Lesen, Schreiben und Rechnen, das zunächst mühsam erlernt und dann fortwährend geübt werden muss. Das regelmäßige Überprüfen des Lernfortschritts und das erfolgreiche Erfüllen der festgelegten Leistungsziele im Wettbewerb national und international (PISA) nimmt einen bedeutenden Raum ein. Um festzustellen, in welchen Bereichen die zu erbringenden Leistungen nicht genügen, wird seitens des Schulministeriums NRW aktuell eine Erhöhung der Testfrequenz angeordnet.
Im Zuge des digitalen Wandels werden auch auch schon im Grundschulbereich elektronische Medien und Arbeitsmittel bei der Eigentätigkeit der SuS eingesetzt.
Als “neues” Fach wird “Bildung für eine nachhaltige Entwicklung” eingeführt und soll individuell inhaltlich gefüllt werden.
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Handtätigkeit und Fingerfertigkeit bilden das kindliche Gehirn. Über diese Zusammenhänge spricht Rudolf Steiner in seinen Vorträgen über die Menschenkunde. Diese gründen allerdings auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Zeit vor über 100 Jahren. E.M. Kranich hat an dieser Stelle basierend auf neuere Erkenntnissen weitergeforscht und Wert des Handarbeitsunterrichts betont. Er macht deutlich, dass die Hand- und Fingerbetätigung als Tasteindrücke in Bezug auf die ertastete Oberfläche von Bedeutung sind, dass sich allerdings auch die "sinnvollen" Bewegungen unmittelbar auf die physische Ausbildung des Gehirns auswirken.
Relevanz für unser Thema hat also sowohl die Vielfalt des Materials als auch die geschickte und strukturgebende Tätigkeit. Im Einzelnen lässt sich die heute alles neurologisch durch bildgebende Verfahren nachweisen, was durchaus von Bedeutung ist, um eine wissenschaftliche Anerkennung zu erfahren.
Aus der Sicht von Handwerkern, so der berechtigte Eindruck, scheint diese Bedeutung nur eine geringe Relevanz zu haben, anders lässt sich die offensichtliche Geringschätzung oder Verniedlichung des kindlichen handwerklichen Tuns nicht wirklich erklären.
Maßgeblich für Curricula und Lerninhalte in den vom Staat verwalteten Schulen war und ist die Kultusgesetzgebung der Länder. Das war auch 1919 schon so. So gab es etwa in Württemberg andere pädagogische Richtlinien als beispielsweise in Berlin. Dort war eine grundsätzliche handwerkliche Kompetenz verpflichtender Bestandteil der Ausbildung aller pädagogisch Tätigen und zwar von der Erzieherin im Kindergarten bis zum Professor an der Universität. Grund war der verlorene erste Weltkrieg und der Mangel an allem: Schulmobiliar, Haushaltsgerätschaften, Kinderspielzeug. Alle Kinder sollten hier etwas lernen und tun können, die Größeren für die Kleineren und die Lehrkräfte sollten sie dazu anleiten.
In Württemberg galten andere Gesetze. So wurde in Stuttgart das Werken erst ab der 6. Klasse unterrichtet, nur für Jungen. Mädchen erhielten Handarbeitsunterricht ab der 1. Klasse. In der Waldorfschule war erstmalig als pädagogisches Konzept die Koedukation eingeführt worden: alle Kinder lernten alles.
Nach der achten Klasse ging man in die Lehre, die Jungen vermehrt ins Handwerk. Sie bekamen in der Schule quasi eine handwerkliche Grundausbildung als Vorbereitung für die Arbeit im Betrieb. Diese Regelung galt auch für die neu gegründete Waldorfschule.
Heute umfasst die Schulpflichtzeit in der Regel zehn Jahre. Berufsorientierung geschieht in der Regel durch Praktika. In der Waldorfschule gibt es für alle in Klasse 9-11 ein Landwirtschafts-, ein Betriebs- und ein Sozialpraktikum. Nicht selten kommen Schülerin und Schüler mit einem Ausbildungsangebot zurück in die Schule.
Unterrichtsinhalte sind angelehnt an die staatlichen Lehrpläne, allerdings verfolgen sie das Ziel, den Kindern und Jugendlichen durch die Beschäftigung mit bestimmten Themen Entwicklungsanregungen im jeweiligen Lebensalter zu geben.
Zentrale Zwischen- und Abschlussprüfungen gelten auch für Waldorfschulen, was die pädagogischen Spielräume besonders im Vorfeld der Prüfungen einengt.
Die Nutzung digitaler Medien im Unterricht ist in der Unterstufe noch nicht vorgesehen, allerdings ist jede Waldorfschule da eigenständig. In der Grundschule ist das anders, Tablet, Handy und Whiteboard gehören zunehmend zum Ausstattungsstandard in den Klassen.
Kleine Kinder werden heute in eine Welt hineingeboren, in der das “Digitale” allgegenwärtiger Bestandteil des täglichen Lebens ist. Ab wann heute ein Handy in die Kinderhand gelangt, ist gar nicht mehr die Frage. Szenen, dass ein Kleinkind zum Schlafen ein Handy mit beruhigender Musik ins Bettchen bekommt um einzuschlafen sind genauso real, wie das Handy, das das kleine Schulkind als “Aufpasser” im Tornister begleitet, damit die Eltern immer wissen, wo es ist. Kaum kommt Langeweile beim kleinen Kind auf, bricht der Widerstandsdamm der Eltern, die es ihm eigentlich nicht geben wollen, es aber dennoch tun. Beispiele gibt es unzählige.
Das Handy übt schon sehr früh eine verlockende Faszination auf Kinder aus und es ist sehr schwer, sich dem zu entziehen. Tatsächlich ist es aber die engere Umgebung, die die Kinder mit diesem Medium in Kontakt bringen, die Eltern die ihnen fortwährend vormachen, dass man irgendwas mit diesem Teil tun kann. Das machen sie dann einfach nach, versuchen es jedenfalls und aus der Suche entsteht schnell die Sucht. Überspitzt lässt sich formulieren: kleine Kinder werden von ihren Eltern regelrecht “angefixt”.
Sie wollen, das ist ihr natürliches Bedürfnis, mitmachen, was die Großen tun, sie wollen lernen. Dummerweise führt dieser Weg des Smartphones aber in eine völlig falsche Richtung. Die Kinder werden gezielt abgelenkt und in die Irre geführt in eine Szenerie, in der nichts echt ist, zudem häufig noch nicht einmal wahr. Künstliche Intelligenz verstärkt das Ganze zudem.
Digitalisierung und Werken sind zunächst einmal völlig unvereinbar scheinende Komponenten im Fächerkanon. Hier stehen sich “Künstlichkeit” und “Echtheit” polar gegenüber. Über allem schwebt ein Lernanspruch “Medienkompetenz”, die Kinder fit machen für die Welt von morgen.
Tatsächlich wollen Kinder lernen, spielend lernen und da haben sie ihre eigenen Methoden, die es lohnt aufmerksam zu beobachten. Eine ist die unermüdliche Wiederholung immer desselben Schrittes, solange, bis es geht und das Kind seinen “Lernerfolg” selbst erlebt. Dann kommt der nächste Schritt. So verbindet es sich mit seiner Umgebung und der Welt, den Menschen und mit sich selbst. Es entwickelt Interesse.
Handy oder Tablet als digitale Medien sind und bleiben Spielzeuge, wenn sie frühzeitig in Kinderhände gelangen, genauso wie Spiel(Werk)zeuge immer Spielzeuge bleiben und sich niemals in "echte" Werkzeuge verwandeln können. Ein Beispiel sind echt aussehende Kettensägen, die täuschend echte Geräusche machen, sonst nichts.
Das digitale Medium stört den fantasiebasierten Entwicklungsprozess so gründlich und nachhaltig, dass das Kind im Grunde keine Chance hat wirklich etwas Weiterführendes zu lernen und auf der ganzen Linie scheitern muss.
Schule muss aktiv werden und radikal gegensteuern.
Erziehungswissenschaft muss hierfür den diskursfähigen Boden schaffen.
Das Motto “Werken mit den Kleinen?!” ist gleichzeitig offene Frage und dringender Auftrag.
Die Zeit drängt.
Allerdings: Die Studierenden sind die Zukunft.
Unsere Devise ist selbsterklärend: Werken mit den Kleinen - Digitalisieren mit den Großen