
Die Schule und ihre Vorstufe, der Kindergarten, sind verpflichtet, den Kindern Gelegenheit zur Handbetätigung zu geben. Tun sie es nicht, dann schädigen sie sich selbst wie das Kind, weil sie unterlassen, den instinktiven Drang des Kindes, sich mit der Hand zu betätigen, für Bildungs- und Erziehungszwecke auszunutzen, und zwar sowohl für allgemeine, wie für wissenschaftliche, künstlerische und technische Zwecke.
Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht,
Ludwig Pallat (1926)[1]
Werken hat an der Waldorfschule von Anfang an eine große Bedeutung gehabt. Es haben sich daraus gewisse Traditionen gebildet, die sich unter anderem in dem Buch „Der künstlerisch-handwerkliche Unterricht an Waldorfschulen“ von M. Martin oder in Büchern von Anke-Usche Clausen wiederspiegeln. Diese Bücher werden zum einen heute nicht mehr gedruckt und es braucht zum anderen entsprechend dem rasanten Wandel der heutigen Lebensbedingungen eine Anpassung an diese Gegebenheiten.
Sie wird sich in einem allgemeinen Teil mit der Bedeutung praktischer Bildung in heutiger Zeit beschäftigen und in einem zweiten methodischen-didaktischen Teil auf die ganz konkrete Anwendung und deren Hintergründe im Unterricht eingehen.
Ziel ist eine zeitgemäße Methodik-Didaktik des Faches Werken an Waldorfschulen zu verfassen.
Päd. Forschungsstelle beim Bund
der Waldorfschulen (2022)[2]
Bereits kurz nach Gründung der ersten Waldorfschule gibt es erste Anfänge eines Werkunterrichts, wie Erich Gabert berichtet:
Handwerk und Gartenbau wurden im methodisch-didaktischen Kurs und im Seminar nur ganz allgemein erwähnt, nicht als besondere Unterrichtsgegenstände. Während nun Rudolf Steiner von Ende September bis Mitte Dezember 1919 von Stuttgart abwesend war, wurde in der Waldorfschule eine Werkstatt mit Hobelbänken und einigem Schlosserwerkzeug eingerichtet, und es wurde ein junger Schlosser angestellt, zunächst um Apparate für den Physikunterricht herzustellen. Damit im Zusammenhang wurde Ende November, wie es scheint ohne Besprechung mit Rudolf Steiner, auch mit einem anfänglichen Handwerksunterricht durch den Schlosser begonnen, in zwei einzelnen Stunden jede Woche für die 6. bis 8. Klasse…. Vom Beginn des zweiten Schuljahres ab ging dieser Unterricht über an Max Wolffhügel, der Kunstmaler war und auch die Schreinerei erlernt hatte.[3]
Später gibt es dann erste Anregungen Rudolf Steiners. Die Angaben zum Werkunterricht enthalten Richtlinien für eine allgemeine Zielsetzung, aber fast gar keine speziellen Klassenziele[4]. Einige Empfehlungen wurden wohl direkt durch Rudolf Steiner an Max Wolffhügel[5], den ersten Werklehrer gegeben. In öffentlichen pädagogischen Vorträgen wird 1922-24 vereinzelt auch perspektivisch über die Entwicklung der Waldorfschule und auch den Handfertigkeitsunterricht berichtet.
Es wurde gemahnt, der unterrichtend tätige Lehrende solle sich ins Lehrerkollegium einfügen, eine enge Verbindung zu den Schülern halten und zugleich lebendig interessiert Forschender auf seinen Unterrichtsgebieten sein. Er solle sich mit der Frage befassen, so würden wir es wohl heute formulieren, wie ein Werkunterricht basierend auf der anthroposophisch orientierten Menschenkunde sich in den Kanon der Unterrichtsfächer an der Waldorfschule einfügen und die Entwicklung des jungen Menschen förderlich unterstützen kann.
Die Hinweise Rudolf Steiners dieses oder jenes zu tun, weil es sich günstig und förderlich auf die Entwicklung des jungen Menschen auswirke, sind Anregungen, die durchaus als Anweisungen verstanden umgesetzt werden sollten. Er rief allerdings dazu auf und forderte von den Lehrern mit der Zeit ein grundlegendes Verständnis des Menschenwesens zu erlangen, die Kinder zu kennen und wahr zu nehmen, Prozesse zu durchschauen und Entwicklungen in ihrem methodischen Aufbau zu verstehen. Dazu sei es unabdingbar die inneren Strukturen des Menschen und das funktionale Zusammenspiel seiner Wesensglieder zu erforschen.
Für weitere und konkretere Angaben blieb Rudolf Steiner keine Zeit mehr. Er verstarb am 30. März 1925 in Dornach.
Wir nachfolgenden Generationen sind aufgerufen weiter forschend zu arbeiten und mit der Zeit ein Curriculum zu entwickeln, was in welchem Lebensalter, in welcher Klasse thematisch „an der Reihe“ ist. Dabei ist es immer die enge Gratwanderung zwischen inhaltlicher Einengung und sinnvoller Orientierung auch an den Gegebenheiten und Bedingungen der jeweiligen Zeit. Sklerotischer Dogmatismus und grenzenlose Beliebigkeit sind keine sinnvollen Handlungsrichtlinien.
Diese Arbeit verfolgt das Ziel, menschenkundliche Aspekte aus dem Vortragswerk Rudolf Steiners die Entwicklung des Kindes und jugendlichen Heranwachsenden betreffend in einen direkten Bezug zu den Möglichkeiten des Werkunterrichts zu setzen. Diese hat Karl Stockmeyer[6], einer der ersten Lehrer in seiner umfangreichen Veröffentlichung zusammengetragen und systematisch geordnet. Heute soll es das Ziel sein, junge angehende Werklehrer:innen mit diesem Schatz bekannt zu machen, ihn zu erschließen und wieder zugänglich werden zu lassen.
Ausdrücklich deutet Stockmeyer auf eine Bemerkung Rudolf Steiners im Oxford-Kurs 1922 hin, die im Kontext leicht überlesen werden könnte. „Das machen also die Kinder zwischen 11 und 15 Jahre [es geht um bewegliches Spielzeug] jetzt noch die älteren, aber wir werden es dann allmählich zurückzuführen haben in noch frühere Klassen, wo die Formen dann einfacher werden.“[7]
Solche Hinweise im Vortragswerk Rudolf Steiners immer wieder wahrzunehmen und zu bedenken, bedeutet ja nichts anderes, als dass die Entwicklung des Lehrplans für einen Werkunterricht an Waldorfschulen immer ein lebendiges Geschehen bleiben muss, ein permanenter Austausch, ein regelmäßiges Werkstattgespräch, denkbar vielleicht auch als eine interaktive Plattform, ein „Waldorf-Werk-Wiki“. Hierzu wollen wir einen Anstoß geben.
Erich Gabert schildert sehr ausführlich in der Einleitung zu den Konferenzen[8] wie das erste Schuljahr, ein Jahr nach dem Ende des ersten Weltkriegs in der neugegründeten Waldorfschule ablief. Zudem geht er auf die Entwicklung in den ersten Jahren ein, in denen Rudolf Steiner persönlich die Schule leitete. Interessanterweise wird dieser Tatsache selten wirklich Beachtung geschenkt. Der Blick des an der Gründung beteiligten Lehrers ist rückblickend ganz auf die Gegenwart und die nahende Zukunft gerichtet.
Heute gibt es etliche junge Lehrerinnen und Lehrer, die selbst, wie wir auch, Mitwirkende an der Gründung einer Freien Waldorf- oder Rudolf-Steiner-Schule sind oder waren. Die Aufgaben und Anforderungen, die ihnen persönlich und einer Schulgemeinschaft gestellt werden, sind so gewaltig, dass sie manchmal unlösbar erscheinen und doch gelingt es sie irgendwie zu bewältigen, auch, weil sich jeder in einem Kollegium dessen bewusst ist, dass man eben doch nicht „alleine“ dasteht.
Dieses „Gründungsimpulses“ wird zu Beginn eines jeden neuen Schuljahres in jeder Waldorfschule auf besondere Weise gedacht. Im Zentrum der Betrachtungen stehen dann die Worte Rudolf Steiners zum Beginn des ersten Vortrags der Allgemeinen Menschenkunde. Diese nicht mit stenografierten Zeilen wurden von Herbert Hahn 1967 aus seiner persönlichen Erinnerung aufgeschrieben und in dem Band „Zur Vertiefung der Waldorfpädagogik“[9] abgedruckt. Sie werden alljährlich in der Schuljahreseröffnungskonferenz einer jeden Waldorfschule mündlich vorgetragen.
Das „irdische“ Geschäft einer Schulgründung indes weist aber auch allgemeingültige Züge auf, die vor 100 Jahren wohl nicht anders gewesen sein mögen als sie es heute sind. Deshalb sollen Erich Gaberts Ausführungen hier im Wortlaut wiedergegeben werden. Für die komplette Darstellung mit allen Details empfehlen wir die Lektüre der Einleitung zu den Konferenzen.
Am 7. September 1919 fand die Eröffnungsfeier für die Freie Waldorfschule statt, in der Rudolf Steiner seine grundlegende Ansprache hielt. Aber der Unterricht konnte noch nicht beginnen, weil die Räume des ehemaligen Kaffeerestaurants Uhlandshöhe, Kanonenweg 44, erst zum Teil fertig waren. In der „entscheidenden Konferenz im engsten Kreise" vom 8. September, die Rudolf Steiner im Seminarkurs zuletzt für ,,morgen oder übermorgen" schon angekündigt hatte, wurde zwar ein provisorischer Plan ausgearbeitet, wie man unter Zuhilfenahme von „Schichtunterricht" auch mit den noch zu wenigen Räumen zurechtkommen könnte, aber der Unterrichtsbeginn verschob sich dann doch auf Dienstag den 16. September. Rudolf Steiner war nicht dabei anwesend.
Das Äußere war denkbar primitiv. Schulbänke wurden erst nach und nach geliefert. Die Kinder mussten in den ersten Wochen auf den vom Restaurant her vorhandenen Stühlen sitzen und auf den Knien schreiben. Die Waldorfschule begann als „Volksschule", das heißt mit nur acht Klassen. Sie hatte beim Beginn 256 Schüler; die einzelnen Klassen waren recht unterschiedlich besetzt, im Durchschnitt mit 32 Schülern, darunter meist ein wenig mehr Mädchen als Jungen. 191 Kinder waren ,,Waldorfkinder", das heißt, sie hatten Eltern oder Verwandte in der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Die übrigen Schüler waren fast ausschließlich Kinder von Anthroposophen. …
An die Stelle der üblichen „regierungsmäßigen", rektoralen Schulführung stellte Rudolf Steiner die Verantwortung jedes einzelnen Lehrers, die sich in den Konferenzen auswirkt. „Recht republikanisch!". „Konferenzen sind freie republikanische Unterredungen. Jeder ist darin ein Souverän". Nach über drei Jahren schlug er für die Schulverwaltung einen drei- bis vierköpfigen Verwaltungsrat vor, „damit nicht die republikanische Verfassung durchbrochen wird".
Obwohl der Aufbau, die Gliederung und der Lehrplan des Unterrichtes in den pädagogischen Kursen von August und September von Rudolf Steiner schon gegeben waren, war doch noch manches einzufügen, zu ändern oder genauer auszugestalten. Nicht alles, was im ersten Schuljahr versucht wurde, ließ sich auch schon für die Dauer ausführen. …
Über die Eingliederung der „weiblichen Handarbeiten" hatte Rudolf Steiner im Seminarkurs noch nichts gesagt, „weil einfach die Besetzung nicht da war". Deshalb wurde erst Ende Oktober mit diesem Unterricht begonnen, selbstverständlich für Jungen und Mädchen zusammen. …Bis in den Sommer 1922 wurde das Turnen …schlecht und recht mitversehen. Die wenigen in dieser Zeit gemachten Angaben Rudolf Steiners zu diesem Unterricht heben stark den von ihm gewünschten engen Zusammenhang mit dem Eurythmie Unterricht hervor. Durch die Arbeit Graf Bothmers ergab sich später für Rudolf Steiner die Möglichkeit, so konkret Grundlegendes über das Turnen zu sagen, wie es in der Konferenz vom 1. März 1923 geschah.
Handwerk und Gartenbau wurden im methodisch-didaktischen Kurs und im Seminar nur ganz allgemein erwähnt, nicht als besondere Unterrichtsgegenstände.
Während nun Rudolf Steiner von Ende September bis Mitte Dezember 1919 von Stuttgart abwesend war, wurde in der Waldorfschule eine Werkstatt mit Hobelbänken und einigem Schlosserwerkzeug eingerichtet, und es wurde ein junger Schlosser angestellt, zunächst um Apparate für den Physikunterricht herzustellen. Damit im Zusammenhang wurde Ende November, wie es scheint ohne Besprechung mit Rudolf Steiner, auch mit einem anfänglichen Handwerksunterricht durch den Schlosser begonnen, in zwei einzelnen Stunden jede Woche für die 6. bis 8. Klasse. Nach den Osterferien kam unter derselben Leitung Gartenarbeit hinzu, schon von der 5. Klasse ab, aber zunächst nur für Freiwillige, worauf Rudolf Steiner anordnete, dieser Unterricht solle für alle Kinder als obligatorisch gelten.
Vom Beginn des zweiten Schuljahres ab ging dieser Unterricht über an Max Wolffhügel, der Kunstmaler war und auch die Schreinerei erlernt hatte. Den Gartenbauunterricht konnte er im Herbst 1921 abgeben...
Um der in der ersten Zeit der Schule reichlich vorhandenen Ungezügeltheit ein Gegengewicht zu geben, führte Rudolf Steiner einen ,,Unterricht für Takt und Moral" ein; er wurde meist als „Anstandsunterricht" betitelt. … Im Laufe des zweiten Schuljahres ist dieser Unterricht dann eingeschlafen.
Verständlicherweise hatten die Eltern aus der Waldorf Astoria-Zigarettenfabrik besonders bereitwillig diejenigen Kinder für die neue Schule angemeldet, bei denen es in der öffentlichen Schule nicht recht vorangehen wollte. Deshalb waren in den Klassen meist vier bis sechs „schwierige", zum Teil sogar sehr schwierige Kinder zu finden. Für die, die als wirkliche Psychopathen besondere Sorgenkinder waren, richtete Rudolf Steiner schon im April 1920 eine Hilfsklasse ein. Etwa zehn Kinder der 1.- 6. Klasse wurden während des Hauptunterrichtes, also nur von acht bis zehn Uhr, aus ihren Klassen herausgenommen und „separat" unterrichtet. … Leider konnte diese Hilfsklasse zunächst nur bis zum Juni 1920 durchgeführt werden, weil Dr. Schubert für eine erkrankte Klassenlehrerin einspringen musste, und die Hilfsklassenkinder gingen wieder ganz in ihre jeweilige Klasse zurück. Erst im September 1921 konnte Dr. Schubert seine Hilfsklasse wieder übernehmen. Sie veränderte sich im Laufe der Jahre zunehmend in der Richtung, dass immer mehr auch ganz schwere Fälle, das heißt Kinder, die überhaupt an keinem Klassenunterricht teilzunehmen in der Lage waren, in die Hilfsklasse aufgenommen wurden. Dr. Schubert leitete dann die Hilfsklasse zum größten Segen für „seine", aber auch für alle Kinder der Waldorfschule ununterbrochen, bis die Schule Ostern 1938 verboten wurde; ja es gelang ihm sogar, sie, im Verborgenen geduldet, auch dann noch bis 1945 weiterzuführen.
Ebenfalls im Frühjahr 1920 wurde ein Kindergarten (Vorschule, Vorklasse) eröffnet. Rudolf Steiner gab Ratschläge dafür. Leider musste der Kindergarten wegen Geld- und Platzmangels schon nach wenigen Monaten wieder aufgegeben werden. Ebenso wenig konnte der Versuch durchgeführt werden, für Kinder, die nachmittags unbeaufsichtigt waren und verwilderten, einen Hort einzurichten. Auch hier reichten die Räume und Geldmittel nicht aus. Außerdem war das Interesse gerade der Eltern dieser Kinder doch nicht stark und zuverlässig genug.
Auch die Versuche, für schulentlassene Kinder eine Fortbildungsschule zu schaffen, mussten, allerdings aus anderen Gründen, immer wieder aufgegeben werden. Rudolf Steiner hatte ursprünglich gedacht an eine mit der Waldorfschule nur locker zu verbindende Schule für junge Leute von vierzehn bis fünfzehn Jahren ab, als Vorbereitung für den Eintritt in die spezielle Berufsausbildung im Handwerk oder in der Fabrik. …Aber dieser erste Plan erwies sich als undurchführbar, weil die Bestimmungen über die staatlichen Fortbildungsschulen jede private Initiative auf diesem Felde ausschlössen.
Im März 1920 trat der zweite Plan auf: für Schüler, die nach absolvierter Schulpflicht aus der 8. Klasse der Waldorfschule ausgetreten waren und nun schon in einer Berufsausbildung standen, eine solche Schule einzurichten. Sie sollte wirkliche „Lebenskunde" geben, und Rudolf Steiner wollte sie „Lebensschule für die Ältesten" nennen. Er gab sogar schon einen skizzenhaften Lehrplan dafür. Aber auch dies scheiterte. Das Interesse der jungen Menschen selber war nicht nachhaltig genug, und die behördlichen Bestimmungen ließen keinerlei Spielraum.
In gewisser, freilich recht anderer Weise ist später der innerhalb des Waldorflehrplanes Unterricht in Technologie (von der 10. Klasse ab) an diese Stelle getreten.
Ganz aus der damals Deutschland ergreifenden Erregung über soziale Fragen und gleichzeitig aus der Begeisterung für die Dreigliederungsbewegung herausgeboren, waren die von Dr. Herbert Hahn für die 6. bis 8. Klasse unternommenen Unterweisungen in „sozialer Erkenntnis". Es war das, wie Rudolf Steiner es nannte, ein „Unterricht abseits vom übrigen", der mit dem Wiedereintreten „ruhiger" Verhältnisse sein natürliches Ende fand.
Vier Dinge, die zu den besonders charakteristischen Lebensformen der Waldorfschule gehören, nahmen schon im ersten Schuljahr ihre bleibende Gestalt an.
1. Dem in Württemberg damals üblichen schulfreien ersten Montag im Monat gab Rudolf Steiner einen sinnvollen Inhalt. Er machte aus dem bloßen freien Tag, den er auf den Donnerstag als den geeigneten Wochentag verlegte, ein Schulfest, die „Monatsfeier", indem er einerseits den Inhalt des Festes ganz aus dem pädagogischen Leben der Schule herauswachsen ließ — die Kinder sollten einander zeigen, was sie gearbeitet hatten — und andererseits darauf hinwies, dass dieser Tag etwas sein sollte wie „ein Gedankensammeln über den Monatsinhalt".
2. Auch bei den Feiern zum Anfang und Abschluss des Schuljahres erfüllte Rudolf Steiner den bisher üblichen leeren Formalismus mit pädagogischem Inhalt. Freilich war die Gestalt dieser Feiern, wie sie heute noch in den Waldorfschulen lebendig ist, bei Rudolf Steiner auch nicht mit einem Male vorhanden, sondern sie entwickelte sich schrittweise.[10] …
3. Ein ähnlicher Prozess des langsamen Wachsens einer Form zu innerer Realität hin ist bei der Frage der Zeugnisgebung und der Versetzung zu beobachten. Im Seminarkurs am 6. September 1919 ist noch von mehreren Zeugnissen die Rede, die im Laufe des Jahres zu geben seien, ,,als von der Außenwelt Gefordertes"; ähnlich auch noch in der Konferenz am 23. Dezember 1919. Aber am 14. Juni 1920 wird wie selbstverständlich von nur einem Jahreszeugnis gesprochen.
4. Der Übergang in die nächsthöhere Klasse wird von der üblichen Versetzung oder Nichtversetzung hinübergeführt zu dem Mitheraufnehmen möglichst sämtlicher Schüler mit dem Jahrgang, der ihrem Alter entspricht. In den beiden ersten Schuljahren wird noch bei allen besonders schwierigen Kindern einzeln besprochen, ob man sie „versetzen", das heißt, weiter mitgehen lassen kann. Im dritten Schuljahr ist eine solche Besprechung schon unnötig geworden.[11]
Künstlerischer Werkunterricht –
Handfertigkeit
Vom 6. bis zum 8. Schuljahr je 2 Stunden wöchentlich; vom 9. bis zum 12. Schuljahr, während sechs Wochen des Jahres je 6 Stunden nachmittags.
Die erste Äußerung Rudolf Steiners im Zusammenhang der Waldorfschule über den sogenannten Handfertigkeitsunterricht findet sich im Methodisch-Didaktischen Kurs von 1919:
Versäumen Sie es schon am Anfang nicht, indem Sie dem Kinde den Zusammenhang zwischen dem Ackerbau und dem menschlichen Leben beibringen, dem Kinde eine deutliche Vorstellung von dem Pflug, von der Egge und so weiter im Zusammenhang mit den geographischen Vorstellungen zu geben. Und einiges davon versuchen Sie namentlich von dem Kinde nachahmen zu lassen, wenn auch als kleines Spiel- oder Kunstwerk. Dadurch wird das Kind geschickt, und dadurch wird das Kind geeignet gemacht, sich später in richtiger Weise ins Leben hineinzustellen.
Und wenn man gar könnte kleine Pflüge machen und die Kinder im Schulgarten ackern lassen, wenn man sie konnte mit kleinen Sicheln mähen lassen oder mit kleinen Sensen schneiden lassen, so würde man eine gute Verbindung zum Leben herstellen.
Denn wichtiger als die Geschicklichkeit, ist die seelische Verbindung zwischen dem Leben des Kindes und dem Leben in der Welt. Denn es ist tatsächlich so: ein Kind, das mit der Sichel Gras abgeschnitten, mit der Sense Gras abgemäht hat, das mit einem kleinen Pflug Furchen gezogen hat, wird ein anderer Mensch als ein Kind, welches das nicht getan hat. Das Seelische wird dadurch einfach etwas anderes. Der abstrakte Handfertigkeitsunterricht kann das eigentlich nicht ersetzen.[13]
Damit ist dem Handfertigkeitsunterricht ein erstes Ziel gesetzt, nicht sein einziges. Verwirklicht ist gerade dieses Ziel wohl bis heute[14] nirgends.
Bei Gelegenheit eines Überblicks über das erste Arbeitsjahr der Waldorfschule sagte Rudolf Steiner:
Man muss sich bemühen, möglichst ohne dass man theoretisch Anthroposophie lehrt, sie so hineinzubringen, dass sie eben darinnensteckt. Ja, ich denke mir, viel Anthroposophie ist darinnen, wenn Sie versuchen - das ist ein Ideal - dasjenige, was man Rhythmus nennt, in die Arbeit hineinzubringen; wenn Sie versuchen, den musikalisch-gesanglich-eurythmischen Unterricht mit dem Handfertigkeitsunterricht in Zusammenhang zu bringen. Es wirkt auf die Kinder außerordentlich gut. Ich empfehle Ihnen dazu „Arbeit und Rhythmus" von Karl Bücher. Dies Buch sollte da sein. Alles Arbeiten ging aus vom musikalischen Arbeiten, nicht wahr, beim Dreschen, Schmieden, Pflastern. Heute hören Sie es fast nicht mehr. Gingen Sie aber früher auf das Land hinaus und hörten dreschen, der Dreschflegel wurde im Rhythmus geführt. Ich meine, das können wir wiederum hineinkriegen. Ich meine das, wenn ich sage, dass wiederum Geist in die Sache hineinkomme. Das Prinzip finden Sie, wenn auch recht gelehrt und pedantisch, in „Arbeit und Rhythmus".[15]
Im Herbst 1920, bei Beginn des zweiten Arbeitsjahres der Waldorfschule, als der Lehrplan für die erstmalige 9. Klasse besprochen wurde, wurden zum Handfertigkeitsunterricht die folgenden Angaben gemacht:
Im Handfertigkeitsunterricht hätte ich gemeint, dass man ganz so unter der Hand, im Nebenbei, überall Künstlerisches, Kunstempfinden und so etwas kultivieren sollte. Bei ihm kommt es darauf hinaus, dass man die Kinder abwechselnd das und jenes machen lässt, immer Dinge, die bis zum Fertigwerden kommen. Ich würde nicht bloß nützliche Gegenstände machen lassen, sondern auch Spielsachen, vernünftige Spielsachen. Ganz nett würde ich finden, wenn man im Handfertigkeitsunterricht die Kinder solche Schmiede, die sich gegeneinander bewegen, machen ließe. Die Kinder werden geschickt. Man kann auch die Kinder Geschenke machen lassen. Ich würde auf das auch hinarbeiten.
Und wenn man es dahin bringt — das ist etwas, was Feierliches ins Leben des Kindes bringt —, wenn man es dahin bringt, dass man Moos sammeln lässt und sie zu Weihnachten sich Krippchen machen lässt, so dass sie sie selbst formen, dass sie die Schäfchen und so weiter bemalen, da kommt sehr viel dabei heraus. Nützlichkeitsgegenstände natürlich nicht versäumen. Besonders Freude haben sie, wenn so etwas gemacht wird wie Ratschen, die sind auch so wie ein Schabernack: Wir ratschen, wir ratschen die zwölfe z'samm, Die Glocken kommen von Rom.[16]
Diese Angaben, dem damals gerade eintretenden neuen Handfertigkeitslehrer Max Wolffhügel gemacht, sind erste allgemeine Orientierungen ohne Bezugnahme auf bestimmte Klassen. Die speziellen Aufgabenstellungen gingen dann aus Gesprächen zwischen Rudolf Steiner und Max Wolffhügel hervor.
Am 16. Januar 1921 bei der Durchsprache der Arbeit sagte Rudolf Steiner zum Lehrer des Handfertigkeitsunterrichts:
Es ist durchaus nichts einzuwenden, dass die Kinder Kochlöffel machen. Ganz Fernliegendes brauchen sie nicht zu machen. Möglichst keinen Luxus.[17]
Bei Beginn des dritten Arbeitsjahres wurde der Lehrplan der neu errichteten 10. Klasse festgestellt. Zum Handfertigkeitsunterricht sagte Rudolf Steiner damals:
Nun muss der Handfertigkeitsunterricht hinübergezogen werden nach dem wirklich Künstlerischen. Das haben Sie schon getan mit dem Modellieren. Das kann man abwechseln lassen mit Malen; dass Sie mit denen, die geschickt dazu sind, malen. Bei denjenigen, die jetzt in die 10. Klasse kommen, kann man Rücksicht nehmen, dass wir sie haben werden wie am Gymnasium; durch das können wir ins Künstlerische und Kunstgewerbliche hinüberkommen. Ich meine, dass wir da noch etwas wie eine Art Ästhetisches brauchen, und da könnte der Dr. Schwebsch eintreten, dass er die ästhetische Verbindung herstellt zwischen dem Plastisch-Malerischen und dem Musikalischen. Mit dem Musikalischen hat er sich viel beschäftigt.
In der Musikästhetik - was in den Elementen auftreten müsste - da müssten Sie zusammen eine Art Subkollegium bilden: Handfertigkeitsunterricht, der ins Kunstgewerbliche hinübergeht und dann ins Musikalische, dass das Ästhetische, nicht das Musiktheoretische gepflegt wird.
Ich würde doch meinen, dass man möglichst früh den Kindern den Begriff beibringt, wann ein Sessel schön ist, wann der Tisch schön ist. Dass Sie es so machen, dass der Unfug aufhört, dass ein Stuhl schön sein soll für das Auge. Der Stuhl, man will ihn fühlen, wenn man sich darauf setzt, will seine Schönheit fühlen. Geradeso wie ich es gestern im Handarbeitsunterricht gesagt habe, dass die Kinder fühlen sollen, dass, wenn etwas aufgemacht wird nach der einen Seite, dass das auch in der Stickerei empfunden wird. Ich glaube überhaupt, es werden jetzt die Dinge etwas zusammenwachsen. Sie werden etwas zusammenwachsen: Handarbeitsunterricht, Handfertigkeitsunterricht, das künstlerische Empfinden und Musik. Das muss natürlich ordentlich gemacht werden, dass man diese Dinge überwindet.
In den Gymnasien ist das in schrecklicher Weise gewesen oder ist es noch. Herman Grimm klagte immer, wenn die Leute zu ihm kamen, und er ihnen Bilder zeigte, sie konnten auf den Bildern nicht herauskriegen, ob eine Person vorne oder hinten stand, sie hatten nicht die Spur von einer Anschauung. Ob einer vorn oder hinten stand, das wussten die Gymnasiasten nicht.[18]
Am 16. November 1921 wurde auf Wunsch des Handfertigkeitslehrers darüber gesprochen, dass es erwünscht wäre, den Handfertigkeitsunterricht in den Oberklassen periodisch zu geben, „acht Tage jeden Tag mit einer Gruppe von Kindern.“
Am 22. Juni 1922 wurde noch einmal über dieselbe Frage gesprochen. Rudolf Steiner sagte damals:
Zunächst ist es schon so, periodenhaft, an das könnte man schon denken. Aber man kann es unmöglich einreihen in die Perioden, welche die morgendlichen ersten Stunden haben. Es müsste daran gedacht werden, ob es nicht möglich wäre, einmal mit dem Sprachunterricht auszusetzen, und dadurch eine Periode hineinzubringen. Das würde herbeiführen eine gewisse Entlastung der Lehrerschaft, ohne dass der Unterricht leiden würde. Der Ausfall würde nicht schaden. Man kann schon einmal pausieren mit dem Sprachunterricht. Der Sprachunterricht ist nicht so sehr angewiesen darauf, jede einzelne Stunde zu haben.
X.: Wie lange soll eine solche Periode dauern? Von welchem Schuljahr an kann man es machen?
Dr. Steiner: Man kann es schon von der 9. Klasse machen. Mit Rücksicht auf den Sprachunterricht jeweils vierzehn Tage. Man könnte es vielleicht alle sechs Wochen haben. Man kann es aufs Jahr verteilen.[19]
Im pädagogischen Oxford-Kursus vom Sommer 1922 wurde besonders die Beziehung des Handfertigkeitsunterrichts zum Künstlerischen herausgestellt:
Und darauf, dass alles, was erzogen und unterrichtet wird, an den ganzen Menschen herankommt, kann nun insbesondere Rücksicht genommen werden, wenn der Unterricht in der Art, wie ich es geschildert habe, aus dem Herzen der Lehrerkonferenzen heraus ein Ganzes ist. Das merkt man insbesondere dann, wenn man den Unterricht aus dem mehr Seelischen herüberlaufen lässt in das mehr völlig Physisch-Praktische des Lebens. Und auf dieses Hinüberlaufen in das Physisch-Praktische des Lebens, darauf ist der Waldorfschul-Unterricht in erster Linie angelegt.
Und so wird hingearbeitet, dass immer mehr und mehr die Kinder ihre Hände gebrauchen lernen, wobei herausgearbeitet werden muss aus dem, was Händegebrauch im Spiel erst war bei dem ganz kleinen Kinde durch ein gewisses artistisch, künstlerisches Element hindurch, das aber aus dem Kinde selbst hervorgeholt werden soll. Das erreichen wir dadurch, dass wir die Kinder allerlei praktische Arbeiten machen lassen. Wir sind es jetzt nur in der Lage vom 6. Schuljahr ab; manche von diesen Dingen gehören in ein früheres Alter, aber - ich habe es schon erwähnt - wir mussten eben Kompromisse schließen, das Ideal wird man erst später erreichen können, dann wird das, was jetzt ein elf- oder zwölfjähriges Kind macht, auch ein neunjähriges Kind machen können auch in Bezug auf praktische Arbeiten. Aber diese praktischen Arbeiten tragen den Charakter des freien Arbeitens und des Hineintragens ins Künstlerische. Das Kind soll aus dem Willen heraus arbeiten, nicht aus irgendetwas, was ihm vorgeschrieben ist. So führen wir in einer Art von Handfertigkeitsunterricht das Kind hinein, allerlei Gegenstände zu schnitzen, allerlei Gegenstände zu verfertigen, die es aus seiner Idee heraus verarbeitet. Man macht die Erfahrung, wie in einem auf das Lebendige gebauten Unterricht tatsächlich die Kinder die Dinge aus sich herausholen. Ich will ein Beispiel sagen.
Wir lassen die Kinder Dinge schnitzen, die halb künstlerisch, halb nützlich sind. Man kann zum Beispiel in diese Schale irgendetwas hineintun. Wir lassen die Kinder das schnitzen in den Formen, so dass die Kinder ein Form-, ein Gestaltungsgefühl aus sich heraus bekommen, so dass die Kinder etwas schaffen, was aus ihrem Willen heraus und aus ihrem Wohlgefallen heraus die Form bekommt. Aber dabei stellt sich etwas sehr Merkwürdiges heraus. Nehmen Sie einmal an, wir haben zu irgendeiner Zeit menschliche Anatomie in der Klasse getrieben so, wie es für diese Klasse in der Schule ganz besonders notwendig ist. Wir haben den Kindern erklärt die Form des Knochensystems, wir haben den Kindern erklärt auch die Form des äußeren Körpers, die Lebensweise des menschlichen Organismus. Die Kinder haben das, indem der Unterricht so artistisch gestaltet wird, wie ich es dargestellt habe in den letzten Tagen, lebendig aufgenommen. Es ist bis in ihren Willen gegangen, nicht bloß in ihre Gedanken, in ihre Köpfe. Und dann sieht man, wenn sie nun darangehen, so etwas zu machen, dass das in ihren Händen weiterlebt. Die Formen werden andere, je nachdem wir im Unterricht das eine oder das andere treiben. Es lebt sich in den Formen aus. Man sieht es dem, was die Kinder plastisch schaffen, an, was in den Stunden morgens von 8 bis 10 Uhr getrieben wird, weil das, was als Unterricht erteilt werden soll, eben in den ganzen Menschen hineingeht. Das erreicht man nur, wenn man eben Rücksicht darauf nimmt, wie in der Natur gearbeitet wird.
Gestatten Sie mir, etwas recht Ketzerisches zu sagen: man liebt es ja, den Kindern Puppen in die Hand zu geben, ganz besonders «schöne» Puppen. Man merkt nicht, dass die Kinder das eigentlich nicht wollen. Sie weisen es zurück, aber man drängt es ihnen auf. Schöne Puppen, schön angestrichene! Viel besser ist es, den Kindern ein Taschentuch zu geben, oder wenn ein Taschentuch zu schade ist, irgendetwas anderes; man macht die Sache zusammen, macht hier einen Kopf, malt eine Nase, zwei Augen und so weiter und damit spielen gesunde Kinder viel lieber als mit «schönen» Puppen, weil da für ihre Phantasie noch etwas übrig bleibt; während dem, wenn die Puppe möglichst schön gestaltet ist, mit roten Wangen sogar, für die Phantasie nichts übrig bleibt. Das Kind verödet innerlich neben der schönen Puppe. Das weist aber hin auf die Art und Weise, wie man aus dem Kinde hervorholen soll dasjenige, was es nun selber gestaltet.
Und da, sehen Sie, wenn unsere Kinder im 6. Schuljahr herankommen in der Schule, die Dinge nun selber aus ihrem Formgefühl heraus zu entwickeln, dann zeigen sie sich so, wie es in diesen kleinen Musterbeispielen der Fall ist, die wir mitgebracht haben (Holzpuppen). Die Dinge sind so, wie sie ganz aus der Individualität irgendeines Kindes herauswachsen. Es handelt sich aber insbesondere darum, dass man Kinder früh darauf aufmerksam macht, wie sie aus der inneren Beweglichkeit heraus, nicht aus innerer Starrheit heraus eigentlich sich das Leben denken wollen. Daher, wenn man die Kinder allmählich aus dem Spielwesen heraus dasjenige, was ja für sie seriös ist, seinen Ernst hat, gestalten lässt, so muss man versuchen, Beweglichkeit in die Sache hineinzubringen. Sehen Sie, solche Sachen, was, wie ich glaube, ein ganz außerordentlicher Kerl ist (geschnitzter Bär), machen die Kinder ganz von der Pike auf, und sie machen auch diese Zugdinge selber daran, ohne dass man sie dazu anleitet, so dass sich dann bei einem solchen Kerl auch die Zunge bewegt, wenn er so getrieben wird. Oder die Kinder tragen ihre Phantasie hinein in die Sache: sie machen eine Katze nicht so, dass sie artig ist, sondern machen das, was sie bemerken, ohne dass sie die tieferen Zusammenhänge kennen, den Katzenbuckel, ganz ordentlich hinein. Besonderen Wert lege ich immer darauf, dass Kinder auch bei Spielzeugen sich schon hineinfinden in das, was sich bewegt, was also nicht bloß ruht, sondern bei dem man handeln lernt. So fabrizieren dann die Kinder Dinge, die ihnen außerordentlich Freude gewähren, wenn sie sie nach und nach fertigbringen. Sie machen nicht bloß realistische Dinge, sondern ganz aus ihrer eigenen Idee heraus machen sie solche Gnomengeschichten und dergleichen. Sie finden durchaus auch die Möglichkeit, in komplizierterer Weise solche Dinge zusammenzusetzen; es wird ihnen nicht gesagt, dass man das machen kann, sondern das Kind wird nur darauf geführt, so dass es von selbst solch einen lustigen Kerl (beweglicher Rabe) machen kann, und dann wiederum sieht er griesgrämig aus, traurig. Und wenn das Kind dann so etwas fertigbringt (Eule mit beweglichen Flügeln), dann ist es ganz besonders befriedigt! Das machen also die Kinder zwischen dem 11. bis 15. Jahre, jetzt noch die älteren, aber wir werden es dann allmählich zurückzuführen haben in noch frühere Klassen, wo die Formen dann einfacher werden. Nun, außer diesem Handfertigkeitsunterricht haben wir einen eigentlichen Handarbeitsunterricht. Und da ist das zu bemerken, dass in der Waldorfschule immer für alles Knaben und Mädchen durcheinandersitzen. Wir haben durchaus bis in die höchste Klasse hinauf Knaben und Mädchen durcheinandersitzen. So dass in der Tat, mit geringen Varianten natürlich, und je weiter wir hinaufkommen werden in die höheren Klassen, so muss natürlich differenziert werden, aber es ist so, dass im ganzen tatsächlich der Knabe dieselben Arbeiten lernt, die das Mädchen lernt, und es stellt sich heraus in einer merkwürdigen Weise, wie gern die kleinen Knaben stricken oder häkeln, und wie die Mädchen auch Arbeiten machen, die man sonst nur die Knaben machen lässt. Dadurch wird auch sozial etwas erreicht: das gegenseitige Verständnis der Geschlechter, was ja in erster Linie heute angestrebt werden muss, wo wir in dieser Beziehung sozial noch gar nicht vorgeschritten sind, wo wir unter den größten Vorurteilen leben. Und es ist ja tatsächlich so, dass es eine Wohltat ist, wenn so etwas erreicht wird wie das, was ich Ihnen zum Beispiel durch das Folgende zeigen will.[20]
Bemerkenswert im oben zitierten Text ist der Hinweis,
Das machen also die Kinder zwischen dem 11. bis 15. Jahre, jetzt noch die älteren, aber wir werden es dann allmählich zurückzuführen haben in noch frühere Klassen, wo die Formen dann einfacher werden. …dass die Arbeiten, die heute erst im 6. Schuljahr und später ausgeführt werden, schon früher gemacht werden sollten: „Dann wird das, was jetzt ein 11- bis 12jähriges Kind macht, auch ein 9jähriges Kind machen können, auch in Bezug auf praktische Arbeiten.“ – Solche Sätze sollten immer wieder bedacht werden.
Am 28. Oktober 1922 wurde noch einmal über die Zusammenziehung des Handfertigkeitsunterrichts in Nachmittagsperioden gesprochen:
Der Handfertigkeitslehrer: Wir wollten den Handfertigkeitsunterricht periodenweise geben. Dann werden die Nachmittagsstunden nicht hinreichen.
Dr. Steiner: Wir müssen ausprobieren, wie es mit dem ordentlichen Lehrplan geht. Es hat sich mehr aufgedrängt. Wir müssen es zunächst durchführen. Es wird sich die Notwendigkeit ergeben, dass auch für diesen Unterricht eine zweite Lehrkraft eingestellt wird. Wir müssen es schon in den Nachmittag hineinbringen.
Der Handfertigkeitslehrer: Ich möchte nicht vom Periodenunterricht abstehen. Der hat sich gut erwiesen.
Dr. Steiner: Mit dem Periodenunterricht werden Sie es zustande kriegen. Wenn man das so macht, dass man den Hauptunterricht zuerst hat, dass man Lateinisch und Griechisch an zweiter Stelle, Eurythmie und Gesang an dritter Stelle, nachmittags die jetzt genannten Fächer hat, dann kann man einteilen. Die eine Stenographiestunde kann man hineinlegen, wo sie hineinpasst.
Dann, nicht wahr, würde ich auch meinen, dass man in Bezug auf das andere eine Art Ideal erfüllen könnte, so dass im Wesentlichen der Hauptunterricht in den ersten zwei Stunden ist. Dann würde ich daran schließen wollen die Sprachen unbedingt von zehn bis zwölf. Das füllt ja nicht alle Tage aus, so dass immer noch etwas anderes in Betracht kommen kann. Der freie Religionsunterricht macht keine Schwierigkeiten in Bezug auf den Stundenplan. Es ist doch möglich, mit Ausnahme des Religionsunterrichts, für alle unteren Klassen es so zu machen, dass man Hauptunterricht, Sprachunterricht, Gesang, Eurythmie vormittags hat. Am leichtesten lässt der Handarbeitsunterricht sich führen, wenn er in die Nachmittagsstunden verlegt wird. …
Wir kommen vom Geiste des Lehrplans ab durch den Stundenplan. …
Es wird auch in der Zukunft, um das herauszukriegen, so sein, dass wir für die ersten vier Klassen den Unterricht erteilen in zwei Stunden hintereinander in der Woche; für alle übrigen Klassen eine Stunde in der Woche. Wir müssten irgend einschränken. …
Diejenigen, die mehr Unterricht haben wollen zum Üben, müssen ihn unobligatorisch mehr haben. Wenn es die Eltern wünschen, kann man es unobligatorisch zufügen.
Was in diesen Handarbeitsstunden geschieht, ist eine Art Unterhaltung. Da brauchen Sie am wenigsten zu tun. Dass es Schulen gibt, die vier Stunden Handarbeitsunterricht erteilen, das ist für uns unmöglich. Wir haben keine Mädchenvolksschule. Wir müssen darauf bestehen, einen ordentlichen Stundenplan zu haben. Es ist viel gescheiter, wenn man solchen Dingen nicht nachgibt. …
Sie werden Zeit gewinnen für den Handarbeitsunterricht, wenn man ihn ökonomisch gestaltet, und die Kinder daran gewöhnt, dass es nicht notwendig ist, dass sie eine Stunde brauchen, um alle daranzukommen. Da könnten sie im Rechnen auch eine halbe Stunde brauchen, um daranzukommen. Ökonomie des Unterrichts muss sein. Das ist von Anfang an gesagt worden.[21]
Als ein Schüler darum gebeten hatte, wegen seines Musikunterrichtes vom Handfertigkeitsunterricht befreit zu werden, sagte Rudolf Steiner in der Konferenz:
Ja, da müssen wir, wenn diese Sache öfter vorkommt, die Kategorie der außerordentlichen Schüler einrichten, die einfach solche Umstellungen machen können, und für die die verantwortlichen Eltern erklären, dass sie darauf verzichten, dass die betreffenden Schüler zu unseren Lehrzielen gebracht werden. Man müsste jeden einzelnen Fall so behandeln. Er muss außerordentlicher Schüler werden.[22]
Im Vortrag vom 17. August 1923 im Ilkley-Kursus führte Rudolf Steiner auch einiges über den Handfertigkeitsunterricht in der Waldorfschule aus:
Im entsprechenden Lebensalter, und zwar ziemlich frühe, führen wir die Kinder dazu, sich Spielsachen[23] zu machen - wie Sie ja hier gesehen haben in der Ausstellung, die wir von den Kinderhandarbeiten machten -, sich Spielsachen selber aus Holz herauszuschneiden und dadurch das Spiel mit dem Künstlerischen zu verbinden. Es ist tatsächlich ganz demjenigen entsprechend, was aus der menschlichen Natur heraus gefordert wird, wenn man das Spiel allmählich überführt in künstlerisches Gestalten, und dann auch in jenes praktische Gestalten, von dem ich ja schon gesprochen habe. Und es ist außerordentlich interessant, wie eine gewisse Plastik, plastisch-künstlerische Schöpfertätigkeit sich bei den Kindern wie von selbst hinzufindet bei der Zubereitung von Spielsachen. Und so können wir dann auch das Künstlerische wiederum in das Kunstgewerbliche überführen, so dass die Kinder lernen einfache Werkzeuge machen, einfache Hausgeräte machen, aber auch Sägen, Messer, andere Werkzeuge in der richtigen Art zu Tischler-, zu Schreinerarbeiten zu verwenden. Und mit einer außerordentlichen Begeisterung stehen die Kinder, Knaben und Mädchen, in unserer Werkstätte, fügen mit Begeisterung dem anderen Unterricht dieses Arbeiten mit Messer und Säge und den anderen Instrumenten ein und sind froh, wenn sie dabei Dinge fertig bekommen, welche dann den Charakter des für das Leben Nützlichen und Brauchbaren haben. Auf diese Weise regt man alle Instinkte für das Leben an. Wir sehen dabei, wie auf der einen Seite der Sinn für das Praktische, auf der anderen Seite der Sinn für die Kunst tatsächlich ausgebildet wird.[24]
Es sei dem Leser empfohlen, auch diese Sätze im Zusammenhang des ganzen Vortrags zu lesen.
Hier ist ein sehr wesentlicher Leitgedanke ausgesprochen: das Spiel des Kindes allmählich überzuführen in künstlerisches Gestalten und dieses wieder in praktisches Gestalten.
Die überlieferten Angaben Rudolf Steiners zu diesem Unterricht geben wohl Richtlinien für die allgemeine Zielsetzung, aber fast keine speziellen Klassenziele. Einige Angaben dieser Art wurden dem damaligen Lehrer, Max Wolffhügel[25], persönlich gemacht. Aus ihnen ist in Zusammenarbeit mit Herrn Wolffhügel der unten angegebene Lehrplan für den Werkunterricht entstanden.
6. Schuljahr: Die Kinder werden in die handwerksmäßige Holzbearbeitung eingeführt und stellen einfache praktische Gegenstände her.
7. + 8. Schuljahr: Das Gelernte wird auf die Herstellung von beweglichem Spielzeug angewandt. Danach werden einfache kunstgewerbliche Gegenstände in regelmäßigen Formen hergestellt.
9. + 10. Schuljahr: Es werden Plastizierübungen nach freier Erfindung gemacht. Das Herstellen kunstgewerblicher Gegenstände wird zu freien Formen übergeleitet. Außerdem werden Schwarz-Weiß-Übungen gemacht.
11. Schuljahr: Das Bisherige wird fortgesetzt. Dazu kommen anfängliche Übungen in der Möbelschreinerei.
12. Schuljahr: Die Schwarz-Weiß-Übungen werden fortgesetzt und aus der Farbe heraus in Mal-Unterricht übergeführt. Die Schreinerarbeiten werden weitergeführt.
Da haben wir zunächst im Menschen den eigentlichen physischen Organismus. Den hat der Mensch gemeinschaftlich mit allen Erdenwesen, vor allen Dingen mit den mineralischen Wesen. Dann aber haben wir im Menschen von dem physischen Organismus deutlich unterschieden den ätherischen Organismus. Ihn hat der Mensch nicht mit den Mineralien gemeinschaftlich, sondern nur mit der Pflanzenwelt. Aber ein Wesen, das nur ätherischen Organismus hat, würde niemals zur Empfindung, zum inneren Bewusstsein kommen. Da hat der Mensch nun wieder - es sieht das wie eine äußerliche Gliederung aus, aber wir werden im Laufe der Vorträge sehen, wie innerlich das sein kann - seinen astralischen Organismus, den er mit der Tierwelt gemeinschaftlich hat. Außerdem hat er noch seine Ich-Organisation, die sich in der Tierwelt nicht findet, und die ihm allein innerhalb der Erdenwesen eigen ist. Was man so betrachtet, ist aber keineswegs bloß ein äußeres Schema; das hat auch, wenn man zum Beispiel vom Äther- oder Lebensleib spricht, nichts zu tun mit dem, was eine abgetane Naturwissenschaft «Lebenskraft», «Vitalkraft» und so weiter nannte, sondern es ist ein Ergebnis von Beobachtungen.
Denn wenn man das Kind bis zum Zahnwechsel betrachtet, so ist die Entwickelung des Kindes vorzugsweise von seinem physischen Organismus abhängig. Der physische Organismus muss sich zunächst der Außenwelt anpassen. Aber er kann es nicht gleich, er kann es nicht einmal im gröbsten physischen Sinne gleich. Er kann, weil er dasjenige in sich enthält, was der Mensch sich mitgebracht hat aus der geistigen Welt, in der er im vorirdischen Dasein war, nicht einmal gleich ohne weiteres die Stoffe der Außenwelt aufnehmen; er muss sie in der Muttermilch vorbereitet aufnehmen. Er muss sozusagen bei dem bleiben, was ihm zunächst gleichartig ist. Er muss erst in die Außenwelt hineinwachsen. Und der Abschluss dieses Hineinwachsens des physischen Organismus in die Außenwelt ist das Erscheinen der zweiten Zähne um das 7. Lebensjahr herum. Das ist gewissermaßen der Schlusspunkt des Hineinwachsens des physischen Organismus des Kindes in die Außenwelt.[26]
Das Neugeborene blickt in die Augen des ersten Menschen, der sich ihm zuwendet oder über es beugt. Dieser Blick drückt eine Weisheit aus, die überwältigend ist. Vielleicht will er sagen: ich durchschaue dich. So ging es mir jedenfalls als junger Vater bei der Geburt meiner jüngsten Tochter.
Alle Entwicklung geht vom Kopf aus, der ist für sich gesehen erst einmal fertig. Das Kind ist, wenn es auf die Welt kommt, völlig offen für seine Umgebung. Es nimmt über seine „Seelentore“ alles wahr, an und in sich auf. Es will alles begreifen, ganz willensmäßig, ungerichtet, auf kein Ziel fixiert. Es nimmt Laute, Töne, Bewegungen in sich auf und setzt sie direkt in Bewegung der Ärmchen und Beinchen um, zappelnd auf dem Rücken liegend, sucht so die Begegnung mit seiner Umwelt. Das sehr kleine Kind macht so erste Erfahrungen mit sich und seiner engsten Umgebung. Es ist völlig extrovertiert. Um bei sich sein zu können, muss man es einwickeln, eurythmisch „be-en“, in einer schützenden „B“-Gebärde halten. So kann es schlafen, zur Ruhe kommen und einen Besuch in der geistigen Welt machen, seinem Herkunftsort, um sich all der Dinge, Erfahrungen und Aufgaben zu versichern, die es im Gepäck hat für seine Erdenreise. Eine Zeitlang hat das Kind diese Erinnerungen noch, dann verblassen sie und verbinden sich mehr und mehr mit seinem Leib.
Wenn das Kind beginnt sich aufzurichten, hebt es seinen Kopf, blickt in seine Umgebung, sammelt optische Eindrücke. Sich bewegende Gegenstände in der näheren Umgebung reizen es, es will sie ergreifen. Rollen, Robben, Krabbeln und schließlich das sich Aufrichten, Gehen und Laufen vergrößern den Bewegungsradius immens. Im selben Maße erweitert sich das Interesse an allem Möglichen, das in seinen Wahrnehmungsbereich tritt. Der Erwachsene muss die Umgebung des Kindes absichern, ohne, dass sie uninteressant oder gar steril wird. Er muss dem Kind aber die Lern- und Erfahrungsmöglichleiten lassen, die es für seine Entwicklung braucht. Übergroße Vorsicht und Angst sind immer schlechte Ratgeber (eine bewusste Gefährdungsbeurteilung, wie es u.a. für die schulische Umgebung gilt, ist daher ein sinnvolles Instrument, auch im Elternhaus).
Es lernt, mit den Gegenständen in seiner Umgebung zu „spielen“, wobei es die Tätigkeiten in seiner Umgebung imitiert, sein Spiel ist seine Arbeit. Anfangs ist es nur das (Aus-)räumen und Betrachten, schließlich Wegwerfen. Vielleicht fängt es auch bald an zu sortieren, ineinander und aufeinander zu stapeln, aber nur solange, wie der Erwachsene in seiner Umgebung tätig ist. Das Kind macht mit, es ahmt mit, zeitgleich.
Wenn seine Phantasie erwacht, löst es sich vom Erwachsenen, geht in seine Spielecke und ahmt in seinem Spiel nach, was es vorher wahrgenommen hat: Kochen, Bügeln, Putzen, Einkaufen, Autofahren, Telefonieren, Handywischen… Es ahmt alles nach, auch Sinnloses. Erst im Spiel findet es heraus, was es für sich verwerten kann. Verbote, irgendetwas nicht zu tun oder zu lassen bewirken eigentlich nichts. Der Erwachsene muss (einfach) vorausschauend handeln. Auch unreflektiertes Handeln und Sprechen ahmt das Kind nach, mit meist einem den Erwachsenen störenden Erfolg. Verbotenes Handeln hat schon immer einen hohen Reiz gehabt.
In Zeiten dauernder Handypräsenz ist der Erwachsene ständig von außen absorbiert, der Kontakt zum Kind, besonders über den Blick ist gestört. Das Bild der jungen Mutter mit Buggy, Kleinkind in Fahrtrichtung, Handy in Aktion, brennende Zigarette und ein nerviger Hund an der zu langen Leine ist keine Seltenheit in unseren Fußgängerzonen.
Kinder mit etwa zwei Jahren verstehen sehr viel, soziale Interaktion wird bedeutsam, Unsicherheit und Uneindeutigkeit beim Erwachsenen werden vom Kind erkannt, entlarvt und aus Sicht des Erwachsenen als „Retourkutsche“ eingesetzt. Dieser fühlt sich dann leicht provoziert, eigentlich hat das Kind ihn aber nur nachgeahmt.
Mit 3-4 Jahren wird Tatsachenlogik bedeutsam. Abläufe von Prozessen müssen durchschaubar sein, so dass sie immer wieder nachgeahmt werden können. Sie müssen immer wieder in gleicher Weise passieren und so erfahren werden können. Rhythmus wird auf neue Art wichtig. Was anfangs für Still- und Mahlzeiten bedeutsam war, gilt jetzt für die Wochentage. Ein Zeitgefühl erwacht. Wiederholtes Tun bringt Erfahrung, durch übendes Wiederholen entsteht Sicherheit im Tun.
In der Kindergartenzeit präzisiert sich das Spiel immer weiter, „Spielzeug“ muss in Aussehen und Funktion immer realistischer werden, wobei es für das Kind durchschaubar bleiben muss. Gleichzeitig muss es ihm noch die Möglichkeit eröffnen, mit seiner Phantasie hineinzukommen.
„Zeug“, das etwa eindimensional an eine Kettensäge erinnert, detailgetreu nachgebildet ist und vertraute Geräusche macht, aber stumpf und damit unbrauchbar ist, hinterlässt nur das Gefühl beim Kind, dass dieses „Werkzeug“ eigentlich völlig ungefährlich ist und man damit herumspielen kann. Die Welt ist voll von solchen „so-als-obs“. Erstbegegnungen am realen Objekt finden kaum noch statt.
Realität wird oftmals als eine perfekte Täuschung präsentiert, selten wirklich begreifbar, häufig nur virtuell wahrnehmbar. „High-Fidelity“, kurz Hi-Fi genannt, eine Technik, die in 1960er Jahren aufkam, meinte eigentlich die höchste Wiedergabetreue bei Tonträgern. Streng genommen war es eine nahezu perfekte Täuschung, analog, versteht sich. Digitaltechnik ist noch eine ganz andere Dimension, allerdings heute in den meisten Kinderzimmern zuhause, immer und überall in endloser Vielfalt dank des Internets verfügbar, der Babysitter schlechthin, unglaublich perfekt. Das eigene Singen verstummt dabei zu leicht.[27]
Wenn wir beachten, wie das Kind im Wesentlichen ein nachahmendes Wesen ist, wie das Kind gewissermaßen ein seelisches Sinnesorgan ist, das an seine Umgebung in einer leiblich-religiösen Weise hingegeben ist, so wird man für diesen Lebensabschnitt, also bis zum Zahnwechsel hin, im Wesentlichen darauf zu sehen haben, dass alles in der Umgebung des Kindes wirklich so wirkt, dass das Kind es sinngemäß aufnehmen und in sich verarbeiten kann. Es wird daher vor allen Dingen auch darauf gesehen werden müssen, dass das Kind mit dem, was es sinngemäß aus seiner Umgebung sich aneignet, immer das Moralische seelisch-geistig sich mit aneignet; so dass wir bei dem Kinde, das an das Lebensalter des Zahnwechsels herantritt, eigentlich schon in Bezug auf die wichtigsten Impulse des Lebens alles wie vorbereitet haben. Wenn man also das Kind ungefähr in der Zeit des Zahnwechsels in die Schule hereinbringt, dann hat man nicht etwa ein leeres, sondern ein vielbeschriebenes Blatt vor sich. Und wir werden ja gerade bei dieser mehr pädagogisch-didaktischen Betrachtung, die wir jetzt werden anzustellen haben, darauf zu sehen haben, wie nicht etwas Ursprüngliches in das Kind hereingebracht werden kann in der Zeit zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife, sondern wie man überall die Impulse, die in den ersten sieben Lebensjahren in das Kind hereingebracht worden sind, wird erkennen müssen und wie man ihnen diejenige Richtung wird geben müssen, welche das spätere Leben dann von dem Menschen verlangt. Deshalb wird es so stark darauf ankommen, dass gerade der Lehrende und Erziehende in einer feinsinnigen Weise hinzuschauen vermag auf alle Lebensregungen der Kinder. Denn in diesen Lebensregungen steckt schon sehr viel, wenn er die Kinder in die Schule bekommt. Und er muss dann diese Lebensregungen leiten und lenken; er muss sich nicht einfach vorsetzen: das ist richtig, das ist falsch, das sollst du tun, jenes sollst du tun; sondern er ist darauf angewiesen, die Kinder zu erkennen und ihre Lebensregungen weiterzuführen. [28]
Ganz anders wird es mit dem Kinde, wenn es den Zahnwechsel überdauert. Da wird sein seelisches Leben ganz anders. Es wird so, dass das Kind nicht mehr bloß die einzelnen Gesten wahrnimmt, sondern die Art und Weise, wie die Gesten zusammenstimmen. Während es vorher zum Beispiel nur ein Gefühl hatte für eine bestimmte Linie, bekommt es jetzt ein Gefühl für ein Zusammenstimmen, für das, wo etwas symmetrisch ist. Das Gefühl für das Zusammenstimmen und Nichtzusammenstimmen tritt auf, und das Kind bekommt dann in seiner Seele die Möglichkeit, Bildhaftes wahrzunehmen. In dem Augenblick aber, wo das Bildhafte wahrgenommen wird, tritt das Interesse für die Sprache ein. In den ersten sieben Lebensjahren ist das Interesse für die Geste, für das Bewegungshafte vorhanden; in der Zeit vom 7. bis 14.Jahre das Interesse für alles, was bildhaft ist, und die Sprache ist das vorzüglichste Bildhafte. Das Interesse des Kindes geht nach dem Zahnwechsel von der Geste an die Sprache über. Und in der Zeit, in der wir das Kind in der Volksschule haben, also zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, können wir vorzugsweise durch alles wirken, was in der Sprache liegt, aber auch durch alles, was moralisch in der Sprache liegt. Denn gerade so, wie das Kind in der Geste vorher sich religiös verhalten hat zur Umwelt, verhält es sich jetzt - das Religiöse verfeinert sich allmählich in das Seelische - moralisch zu allem, was ihm in der Sprache entgegentritt.[29]
Mit dem Eintritt in die Schule, der „Geburt“ des Ätherleibs, werden die Kräfte frei, die das Kind zum „abstrakten“, leibungebundenen Lernen benötigt. Die Ebene der Ansprache ist das Gefühl, der Lehrer:in folgt das Kind nach als Autorität in allen Lebenslagen, so das Ideal.
Sie vermittelt ihm die Welt in all ihren Facetten und Bedeutungen, eröffnet die Kulturtechniken und richtet alles so ein, dass das Kind ihr folgen kann, verstehen, was sie sagt und empfinden, was seelisch mitschwingt. So kann sich in ihm eine gewisse seelische Regsamkeit entwickeln, die es ermöglicht, dass Denken und Wollen in Bewegung und über das Fühlen in einen lebendigen Austausch kommen. Das Ziel eines jeden Unterrichts ist es, den Willen ins Denken zu heben und das Denken in den Willen zu führen. Ein besonderer Wert kommt dabei allem Künstlerischen zu.
„Die Welt ist schön.“ Ausgewogenheit, Harmonie, Symmetrie sind die Aspekte. Die seelische Anbindung des Kindes an das jeweilige Fach ist der Schlüssel, der „Fach- oder Epocheninhalt“ das Vehikel zur Entwicklungsförderung. Das Angebot ist idealerweise so aufgefächert, dass sich das einzelne Kind frei bedienen kann, sich mit dem versorgen, was gerade gut für es ist. Mitunter ist nichts dabei, dann muss die Lehrer:in ihr Angebot differenzieren. Das Kind will etwas lernen, in der Regel passt es auch inhaltlich und, das darf man nicht vergessen, tut das Kind eigentlich alles seiner Lehrer:in zuliebe. Das Vertrauen ist zumindest in den ersten Schuljahren ziemlich grenzenlos. Eltern haben dann ausgedient, stehen sozusagen in der zweiten Reihe. So der Idealzustand.
Die wirkliche Beziehungsfähigkeit des Schulkindes ist aber vielfach aus den verschiedensten Gründen verunsichert und irritiert. Das Vertrauen, der Lehrer:in als der liebevollen Autorität nachzufolgen muss häufig mühevoll aufgebaut werden, das sich entwickelnde Selbstbewusstsein steht auf tönernen Füßen.
„Seelische Regsamkeit“ bedeutet für einige Kinder eigentlich nur das Empfinden eines Schmerzes. Ihn zu betäuben ist häufig das Mittel der Wahl. Versachlichen der Inhalte, Reduzierung der Beziehungsmomente, Steigerung des Lerntempos, Erhöhung der Anforderungen, Leistungskontrollen, alles sind disziplinsichernde Maßnahmen. Sie erzeugen insgesamt ein diffuses Gefühl von Angst. Das Miteinander von Lehrer:innen und Schüler:innen verkümmert zu einem Gegeneinander.
Lernen mithilfe digitaler Medien leistet hier einen „hervorragenden“ Beitrag, auf den ersten Blick und nur scheinbar. Die fragwürdige Faszination erlahmt schnell, Reize müssen intensiviert und gesteigert, Levels wettstreitmäßig errungen werden. Damit rettet man sich als Lehrer:in über die Zeit, keine Frage. Wie steht es allerdings mit der Nachhaltigkeit, wo bleibt erworbenes Wissen, wie ist es mit Themen wie Sinneserfahrung, sich einlassen können, sozialer Kompetenz, Mut? Aber auch Genauigkeit, Geschicklichkeit, Phantasie, Feinmotorik, Spielfreude? [30]
Dasjenige, was nach dem Kopfsystem beim Kinde von dem Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife ganz besonders sich entwickelt, das ist das rhythmische System, in der Hauptsache Atmungssystem, Blutzirkulationssystem mit allem, was zum regelmäßigen Rhythmus der Ernährung gehört. Und während man das Plastisch-Anschauliche seelisch beim Kinde vor sich hat, hat man das rhythmische System als Lehrender und Unterrichtender in der Schule unmittelbar noch organisch-körperlich vor sich. Das heißt, man muss in dem, was man mit dem Kinde unternimmt, was das Kind tun soll, das Bildhafte vorherrschen lassen. Und in alledem, was zwischen dem Lehrer und dem Kinde sich abspielt, muss Musikalisches herrschen, muss Rhythmus, Takt, sogar Melodik pädagogisches Prinzip werden. Das erfordert, dass der Lehrer in sich selber eine Art Musikalisches hat, in seinem ganzen Leben ein Musikalisches hat. Das rhythmische System also ist es, das im Kinde im schulpflichtigen Alter organisch vorhanden ist, organisch prädominiert, und es handelt sich darum, dass der ganze Unterricht in rhythmischer Weise orientiert wird, dass der Lehrer selber in sich ein, man möchte sagen, musikalisch angelegter Mensch ist, so dass wirklich im Schulzimmer Rhythmus, Takt herrscht. Das ist etwas, was allerdings in einer gewissen Weise instinktiv in dem Unterrichtenden, in dem Lehrenden leben muss. [31]
Die dankende Anerkennung des Bauern, wenn die Kinder einer dritten Klasse ihm bei seiner Arbeit auf dem Hof geholfen haben ist echt, nicht pädagogisch intendiert. Werkzeuge mit denen Kinder arbeiten, müssen scharf sein. Sonst sind sie gefährlich. Einfache Regeln können eingesehen und befolgt werden, eindeutige Aufgabenstellungen ebenso. Misslingt mir etwas, mache ich es noch einmal.
Im Zuge des nicht überschaubaren „Cyberbooms“ ist jede Form ausgeführter Handarbeit ein Segen für die kindliche Entwicklung. Alles was hier passiert ist echt, was ich tue bewirkt etwas, vielleicht auch manchmal „nur“ Späne.
Habe ich ein Ziel, muss ich das ins Auge fassen, meine Hände schaffen, ich koordiniere, bin mit meinem Blick, meiner Aufmerksamkeit bei der Sache und zugleich bei mir. Bin ich abgelenkt, lege ich das Werkzeug weg, schaue mich um, erlebe andere Kinder, vergleiche meine Arbeit mit einer Anderen, erlebe Befriedigung oder Ansporn. Brauche ich Hilfe, hole ich mir die und bekomme sie auch, meine Fragestellung ist konkret, ich genieße zwar die Aufmerksamkeit der Lehrer:in, brauche sie aber nicht um jeden Preis, denn ihre Zeit ist nur begrenzt verfügbar. Wenn ich sie für „Aufmerksamkeitsspielchen“ verschwende, fehlt sie mir an einer anderen Stelle. Das habe ich erfahren und mir gemerkt. Beim vergleichenden Betrachten erkenne ich, dass jedes Werkstück „richtig“ ist in seiner Art, dass es unterschiedliche Fortschritte gibt, was aber unmittelbar mit mir und meiner Arbeit zusammenhängt. Manchmal habe ich keine Lust, dann tue ich etwas anderes oder tausche die Arbeit mit meiner Mitschüler:in, darauf bedacht, dass sie nicht „verhauen“ wird, muss also genaue Anweisungen geben und erhalten. Was ich nicht so sehr bemerke ist, dass die Zeit vergeht, manchmal sehr schnell. Ich lerne einzuschätzen, wie viel ich gearbeitet habe in der Zeit, die mir zur Verfügung stand, stelle fest, dass ich vielleicht doch zu viel gequatscht habe. Das sollte ich ändern, denn ich will ja bis Weihnachten fertig werden, Mama oder Papa sollen sich darüber freuen können.
Werken als Unterricht hat so viele Facetten, dass sie sich kaum alle benennen lassen. Manchmal ist es auch sehr anstrengend, dann geraten Mädchen oder Jungen ins Schwitzen, Jacken werden ausgezogen. Manchmal gibt’s auch Blasen, wobei das nur anfangs auftritt, mit der Zeit bildet sich Hornhaut. Manchmal muss man als Lehrer:in bremsen, wenn sich Tempo und Kraft ins grenzenlose steigern wollen und die Selbstkontrolle zu kurz kommt. Lernen geschieht hier im wahrsten Sinne des Wortes ganzheitlich, alles spielt irgendwie ineinander, integriert sich und wird integriert.
Die Lemniskate, die sich zeichnerisch in die Menschengestalt legen lässt, hat ihren Kreuzungspunkt in der Region des Herzens. Sie kommt im Werkunterricht tüchtig in Bewegung: Kopfkräfte werden abwärts als Aufmerksamkeit in Hände und Füße geschickt, Willenskräfte gestalten aufwärts strömend meine Gehirnstrukturen aus. Als ganzer Mensch bin ich herzlich mit dem verbunden, was ich schaffe, indem ich das verschenke auch mit den anderen Menschen.[32]
In der Eurythmie wird in der Altersgruppe gerne eine Bewegungsform zu einem mündlich überlieferten Spruch von Rudolf Steiner einstudiert, der lautet: „Ich will! Ich kann nicht! Ich muss es tun.“
Wie wird die Übung nun gemacht? Der erste Weg führt uns nach hinten, aktiv, von hier in ein Geistiges. Der zweite Weg lässt uns herabfallen, in den vorderen, den irdischen Raum. Nachdem ich mich nun, wie Münchhausen, am eigenen Schopf, an der eigenen Gestalt hochgezogen, aufgerichtet habe, wende ich die ganze Kraft in alle Richtungen des Raumes, in dem ich einen Kreis laufe, der Bewegung entspricht seelisch: Ich will mich erheben, mich überwinden; ich kann aber weder mit der Kraft meines Körpers noch mit der Schwäche meines Inneren fertig werden; ich muss es dennoch versuchen und tun. Am Ende der Übung wird geklatscht; das ist wie eine Unterstreichung der Bewegung. [34]
Wenn das Kind geschlechtsreif geworden ist, das fünfzehnte, sechzehnte Jahr erreicht hat, dann vollzieht sich ja in seinem Inneren jener Umschwung, durch den es von der Hinneigung zum Autoritativen zu seinem Freiheitsgefühl kommt und mit dem Freiheitsgefühl zu seiner Urteilsreife, zu seiner eigenen Einsicht. Da kommt etwas, was in der allerintensivsten Weise für Erziehung und Unterricht berücksichtigt werden muss.
Wenn wir bis zur Geschlechtsreife Gefühle erweckt haben für das Gute und Böse, für das Göttliche und Nichtgöttliche, dann kommt das Kind nach der Geschlechtsreife dazu, aus seinem Inneren aufsteigend diese Gefühle zu haben. Sein Verstand, sein Intellekt, seine Einsicht, seine Urteilskraft sind nicht beeinflusst, sondern es kann jetzt frei aus sich heraus urteilen. Bringen wir dem Kinde von vornherein ein Gebot bei, sagen wir ihm: Du sollst dies tun, das andere lassen -, dann nimmt es dieses Gebot mit ins spätere Alter, und man hat es dann fortwährend zu tun mit dem Urteil: Man darf dies tun, man darf jenes nicht tun. - Es entwickelt sich alles nach dem Konventionellen. Aber der Mensch soll heute nicht mehr im Konventionellen in der Erziehung drinnen stehen, sondern auch über das Moralische, über das Religiöse sein eigenes Urteil haben. Das entwickelt sich auf naturgemäße Weise, wenn wir es nicht zu früh engagieren. Wir entlassen den Menschen mit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahre ins Leben hinaus. Wir stellen ihn dann uns gleich. Er blickt dann zurück auf unsere Autorität, behält uns lieb, wenn wir rechte Lehrer, Erzieher waren; aber er geht zu seinem eigenen Urteil über. Das haben wir nicht gefangen genommen, wenn wir bloß auf das Gefühl gewirkt haben. Und so geben wir dann das Seelisch-Geistige mit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahre frei, rechnen damit auch in den sogenannten höheren Klassen, rechnen von da ab mit den Schülern und Schülerinnen so, dass wir an ihre eigene Urteilskraft und Einsicht appellieren. Dieses Entlassen in Freiheit in das Leben, das kann man niemals erreichen, wenn man dogmatisch, gebotsmäßig Moralisches und Religiöses beibringen will, sondern wenn man im entsprechenden Alter zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife bloß auf Gefühl und Empfindung wirkt. Das ist das einzige, dass man den Menschen so in die Welt stellt, dass er dann auf seine Urteilskraft vertrauen kann. Und dann erreicht man, dass der Mensch wirklich, weil er so im ganz menschlichen Sinne erzogen worden ist, sich auch als ganzer Mensch fühlen und empfinden lernt. …
Die Kinder, die so erzogen werden, wie es geschildert worden ist, die fangen mit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahre an, sich als verstümmelt zu betrachten, wenn sie nicht durchströmt sind von moralischem Urteil und religiösem Gefühl. Sie fühlen dann, da fehlt ihnen etwas als Mensch. Und das ist dasjenige, was wir als bestes religiös-sittliches Erbgut den Menschen mitgeben können, wenn wir sie dazu erziehen, dass sie das Moralische und Religiöse so zu ihrem Menschentum gehörig betrachten, dass sie sich nicht als ganzer Mensch fühlen, wenn sie nicht moralisch durchströmt, religiös durchwärmt sind.“[35]
Wir wollen uns heute einmal die Charakteristik des vierzehn-, fünfzehnjährigen Kindes vor die Seele führen, um dann in den nächsten Tagen dasjenige aufzubauen, was mehr in pädagogisch-didaktischer Hinsicht für diese Kinder in Betracht kommt. Dabei wollen wir nicht bloß auf dasjenige Rücksicht nehmen, was die Lehre und Erziehung dieses Kindesalters betrifft, sondern auch dasjenige ins Auge fassen, was die ganze Schule betrifft.
Wir wissen aus der anthroposophischen Erkenntnis heraus, dass diese Zeit diejenige ist, in der der astralische Leib des Kindes erst so recht geboren wird, das heißt, zu seiner besonderen Geltung kommt. Geradeso wie der physische Leib vorzugsweise wirksam ist, und zwar in zunehmender Wirksamkeit, von der Geburt bis zum 7. Jahre ungefähr, so ist nach dem 7. Lebensjahre bis zum 14., 15. Jahr der Ätherleib in Wirksamkeit und dann der astralische Leib, der aber natürlich seinerseits in einer besonderen Verbindung ist mit dem Ich, das ja erst nach dem 20. Jahre zur vollständigen Wirksamkeit kommt. Es ist dieses Lebensalter von 14, 15 Jahren ein besonders wichtiges für die kindliche Entwickelung. Dass es besonders wichtig ist, können Sie ja daraus entnehmen, dass gewissermaßen eine losere Verbindung ist zwischen dem astralischen Leib und dem Ätherleib und dem physischen Leib.
Jede Nacht, wenn wir schlafen, gehen wir mit unserem astralischen Leib und Ich aus unserem Ätherleib und physischen Leib heraus, so dass gewissermaßen enger zusammengebunden sind physischer Leib und Ätherleib auf der einen Seite und astralischer Leib und Ich auf der anderen Seite, während lose verbunden sind, weil sie jeden Tag getrennt und zusammengefügt werden, astralischer Leib und Ätherleib auf der einen Seite und Ich und physischer Leib auf der anderen Seite. Damit hängt zusammen, dass der Übergang für den Menschen, wie er um das 14. und 15. Jahr liegt - bei Mädchen sogar etwas früher -, andersartiger Natur ist als der, der um das 7. Jahr liegt. Mit dem Zahnwechsel, mit dem Erlangen des volksschulmäßigen Lebensalters hat man es mit einem Verhältnis zu tun, das sich gewissermaßen ganz objektiv in dem leiblich-physisch Äußeren des Menschen abspielt, in demjenigen, was sich jeden Tag ohnedies als ein Objektives absondert, wenn der Mensch in den Schlafzustand kommt. Mit dem Übergang durch das sexuelle Reifwerden hat man es mit etwas zu tun, worin der Mensch sein ganzes Subjektives, sein Ich und seinen astralischen Leib in ein Verhältnis bringt zu einem Objektiven, zu seinem Ätherleib und zu seinem physischen Leib. Daher hat man es bei diesem Übergang in der Lebensentwickelung mit etwas zu tun, das in ganz anderer Weise auch in die seelische Entwickelung eingreift als der Übergang beim Zahnwechsel. Der Übergang beim Zahnwechsel ist so, dass eine physisch-ätherische Verbindung vor sich geht. Die wirkt dann auf das Subjektive. Bei dem Übergang durch das Geschlechtlich-reif-Werden bleibt in einer gewissen Beziehung das Physisch-Ätherische für sich, wie es ist, und auch das Astralische mit dem Ich bleibt, wie es ist, aber es entsteht in gewissem Sinn ein andersartiger Verkehr zwischen den beiden, so dass nach beiden Seiten hin gleichmäßig teilnimmt an dem Übergang sowohl das Physisch-Leibliche und das Ätherische, wie dasjenige, was Ich und astralischer Leib ist. Dieses aber ist ein Vorgang, an dem der Mensch auch mit seinen innerlich subjektiven Eigenschaften unmittelbar beteiligt ist.
Daher sehen wir, wie nach dem Geschlechtsreifwerden in der Tat starke Charakterveränderungen in der menschlichen Entwickelung vor sich gehen. Diese Charakteränderungen werden ja auch äußerlich bemerkbar. Nicht nur, dass das auch im allgemeineren auftritt, was das Reifwerden zur Liebe ist, die ja nicht gleich in ihrer vollen sexuellen Form auftritt, sondern mehr in einer allgemeinen Form, so dass sich das Kind zu einem anderen Kind in einer innigen Weise hingezogen fühlt. Wir sehen insbesondere die Knaben- und Mädchenfreundschaften in der Weise sich ausbilden, die am Anfang noch nicht viel mit dem Sexuellen zu tun haben, die aber bezeugen, dass überhaupt die Entwickelung der Liebekraft, der Kraft zur Neigung für den Nebenmenschen in einer bewussteren Weise in die menschliche Entwickelung ein und wir sehen dann, wie äußerlich bemerkbar wird, dass eigentlich sowohl bei Knaben wie bei Mädchen in diesem Lebensalter etwas auftritt, was einem aus der bisherigen individuellen Entwickelung oftmals ziemlich unerklärlich ist, was oftmals sogar sehr stark dem bisherigen individuellen Charakter widerspricht, was aber ein gewisses Gemeinsames, ein Allgemeines aufweist, und was mit dem sexuell Reifwerden beginnt. Wir sehen, wie dasjenige auftritt, was wir bei Knaben - in anderer Form ist es bei Mädchen vorhanden - die Lümmeljahre und die Flegeljahre nennen.
Diese Lümmel- und Flegeljahre haben durchaus ihren Ursprung in diesem zum besonderen inneren Erfühlen kommenden astralischen Leib, der das Ich in sich schließt, das aber noch nicht zur vollen Entfaltung gekommen ist, und in dem Ringen, um in das richtige Verhältnis zum Erleben des Systems des Physischen und dadurch zur ganzen Umgebung zu kommen. Gerade weil es ein Aufsuchen eines Verhältnisses zwischen dem Objektiven und Subjektiven ist, gerade deshalb ist ein gewisses Ringen vorhanden. Und dieses Ringen drückt sich dadurch aus, dass der Mensch in diesem Lebensalter gewissermaßen das verleugnet, was er bisher entwickelt hat.
Man erkennt manchmal die Kinder nicht wieder, wenn bei ihnen das Lümmel- oder Flegelalter eingetreten ist. Jeder kennt ja die äußeren Merkmale des Lümmel- und Flegelalters, und daher brauche ich sie nicht weiter im Detail zu schildern. Aber wir müssen sie ihrem Wesen nach doch genau betrachten, weil sie für die Erziehung und für den Unterricht eine außerordentlich große Bedeutung haben.
Was sich nun zunächst geltend macht, das ist, dass beim Mädchen der astralische Leib eine größere Bedeutung hat als beim Knaben. Der astralische Leib hat durch das ganze Leben hindurch beim weiblichen Geschlecht eine größere Bedeutung als beim männlichen Geschlecht. Die ganze weibliche Organisation ist ja durch den astralischen Leib mehr nach dem Kosmos hin organisiert. Durch die weibliche Natur enthüllt und offenbart sich vieles, was eigentlich Geheimnisse des Kosmos sind. Der astralische Leib der weiblichen Natur ist in sich differenzierter, wesentlich reicher gegliedert als der astralische Leib des Mannes, der in einer gewissen Weise ungegliederter, undifferenzierter, gröber ist. Dagegen entwickelt sich das Mädchen zwischen dem 13., 14. und 20., 21. Jahr so, dass sein Ich in einer starken Weise beeinflusst wird von dem, was sich im astralischen Leib gestaltet. Man sieht, wie beim Mädchen das Ich allmählich, man mochte sagen, aufgesogen wird von dem astralischen Leib, so dass dann, wenn das 20., 21. Jahr eintritt, beim Mädchen eigentlich ein starker Gegendruck stattfindet, eine starke Anstrengung, zum Ich zu kommen. Beim Knaben ist das wesentlich anders. Beim Knaben saugt der astralische Leib das Ich viel weniger ein. Es bleibt das Ich zwar verborgen. Es ist noch nicht recht wirksam, aber es bleibt doch, ohne dass es stark beeinflusst wird von dem astralischen Leib, zwischen dem 14., 15. und 20. und 21. Jahr bestehen, so dass der Knabe durch dieses Bestehenbleiben des Ich, Nichtaufgesogenwerden des Ich und doch wieder Nichtselbständigsein des Ich viel leichter in diesem Lebensalter ein Duckmäuser wird als das Mädchen. Das Mädchen bekommt viel leichter in diesem Lebensalter etwas Freies, etwas, was auf äußeres Auftreten hingeht, als der Knabe. Und bei eigentlich tieferen Knabennaturen bemerken wir, dass durch dieses besondere Verhältnis des Ich zum astralischen Leib in diesem Lebensalter etwas auftritt, wie oftmals eine Art Sich-Zurückziehen im Leben. Gewiss, man sucht Freunde, man sucht Anschluss; aber man hat das Bedürfnis, sich mit ganz besonderen Gedanken oder Empfindungen in sich etwas verkriechen zu können.
Das ist das Charakteristische gerade bei tieferen Knaben, dass sie sich in diesem Lebensalter gern etwas in sich verkriechen, und man wird als Erzieher, auch als Erzieherin natürlich, außerordentlich gut auf solche Knabennaturen wirken, wenn man sich darauf einlässt, auf das besondere Geheimnis, möchte ich sagen, das eigentlich jede tiefere Knabenseele hat, in einer eigentlich zarten Weise einzugehen; wenn man nicht zu stark daran tippt, aber in einer gewissen Weise sich darauf einlässt, gewissermaßen durch das ganze Benehmen zeigt, dass man so etwas voraussetzt.
Es ist schon etwas von einer gewissen Liebe zum Zurückziehen in sich selber. Und wenn diese Liebe zum Zurückziehen in sich selber bei Knaben nicht auftritt in diesem Alter, so muss man eigentlich vorsichtig sein. Bei Knaben, bei denen dieses deutliche oder leise Zurückziehen nicht vorhanden ist - für den gründlichen Erzieher ist es schon zu bemerken - muss man achtgeben. Da muss man sich sagen: da ist etwas, was man aufsuchen muss, was nicht ganz richtig ist, was im späteren Leben zu Schwierigkeiten oder Abnormitäten führen könnte. Beim Mädchen - die Dinge sind ganz fein unterschieden, aber man muss sich eine gewisse Beobachtungsgabe für diese Dinge aneignen - ist das ganz anders: beim Mädchen wird das Ich mehr oder weniger vom Astralischen aufgesogen. Dadurch lebt das Mädchen weniger nach innen hinein; es lebt mehr in den Ätherleib hinein dasjenige, was vom Ich durchdrungener astralischer Leib ist. Es lebt sich sehr stark in den Ätherleib, damit sogar in die ganze Handhabung, in die äußere Beweglichkeit hinein. Und man bemerkt gerade bei richtigen Mädchennaturen, bei einer richtigen Entwickelung, dass das Mädchen in dieser Zeit in einer gewissen Weise wacker wird, fest wird in seinem Auftreten, die Persönlichkeit betont, sich hinstellt, nicht in sich zurückzieht. Das Naturgemäße ist das franke und freie Hintreten vor die Welt, das sich sogar, wenn es sich mit etwas egoistischen Gefühlen paart, zum Sich-Zeigenwollen in der Welt wird, zum Sich-Zeigenwollen namentlich in Bezug auf den Charakter und in Bezug auf seine ganze Eigenart. Es ist durchaus charakteristisch gerade für das Mädchenwesen in dieser Zeit, dass das Mädchen ein freies Auftreten hat, dass es einen Wert darauf legt, zu zeigen, welches sein Wert ist. Im Extrem artet das dann zur Koketterie und zur Eitelkeit aus, zur Sucht, nicht nur durch sein Seelisches sich zu zeigen, sondern auch durch das, was man äußerlich sich anhängt. Es ist außerordentlich interessant zu beobachten, wie von dem 14., 15. Jahr an gerade das, was dann in trivialem Sinn zur Putzsucht wird, in feinem ästhetischem Sinn beim Mädchen in diesem Lebensalter auftreten kann.
Das alles ist durchaus eine Folge des besonderen Verhältnisses, in das der astralische Leib mit dem aufgesogenen Ich zu dem Ätherleib tritt, was dann namentlich so auftritt nach außen: der Gang wird anders, die Haltung wird anders, der Kopf wird freier gehalten, im Extrem wiederum hochnäsig und so weiter.
Diese Dinge sollte man tatsächlich mit einem gewissen künstlerischen Sinn beobachten. Wenn man auf diese Differenzierung von Knaben und Mädchen hinschaut, wird man es verstehen, dass man dann, wenn man also die Wohltat einer Erziehung hat, welche Knaben und Mädchen beieinander behandelt, gerade durch das taktvolle Nebeneinanderbehandeln außerordentlich viel erreichen kann.
Der seiner Aufgabe bewusste Lehrer oder die Lehrerin werden durchaus, auch wenn sie Knaben und Mädchen nebeneinander haben, trotzdem zwischen beiden in einer gewissen Weise differenzieren. So muss man auch differenzieren in Bezug auf dasjenige, was in diesem Lebensalter ganz besonders wichtig wird, das ich eben jetzt charakterisierte, nämlich in Bezug auf die Art und Weise, wie sich überhaupt das Subjektive im Verhältnis zur Außenwelt gestaltet hat; denn man soll ja in diesem Lebensalter das Subjektive zum eigenen Leibe, ätherischen Leib und physischen Leib in ein Verhältnis setzen. Das setzt voraus, dass man überhaupt zur Außenwelt ein entsprechendes Verhältnis gewonnen hat. Und daraufhin kann man schon die ganze Schulzeit hindurch arbeiten. Es geht also durchaus dasjenige, was für dieses Lebensalter wichtig ist, die ganze Schulzeit hindurch den Lehrer und die Lehrerin an. Wir müssen ja in der Zeit, während wir unterrichten, auch darauf sehen, dass die Kinder Empfindungen bekommen, erstens von religiösmoralischer Art - das ist ja etwas, was oftmals besprochen worden ist - und auch, dass die Kinder gewisse Empfindungen, Vorstellungen bekommen, die sich auf das Schöne, auf das Künstlerische beziehen, auf das ästhetische Auffassen der Welt. Das wird besonders wichtig im 13., 14., 15. Lebensjahre, dass wir solche Empfindungen und Vorstellungen die ganze Schulzeit hindurch in dem Kinde anregen. Denn ein Kind, in dem keine Schönheitsempfindungen angeregt sind, das nicht erzogen ist zu einer ästhetischen Auffassung der Welt, ein solches Kind wird in diesem Lebensalter sinnlich und vielleicht sogar erotisch. Es gibt kein besseres Mittel, die Erotik auf das richtige Maß zurückzuschrauben als eine gesunde Entwickelung des ästhetischen Sinnes für das Erhabene und Schöne in der Natur. Wenn Sie die Kinder dazu anleiten, die Schönheit und den Glanz von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu empfinden, die Schönheit der Blumen zu empfinden, wenn Sie sie anleiten dazu, die Erhabenheit eines Gewitters zu fühlen, kurz, wenn Sie den ästhetischen Sinn ausbilden, dann tun Sie viel mehr, als mit den manchmal fast bis zum Blödsinn getriebenen sexuellen Unterweisungen, die man heute dem Kinde nicht früh genug beibringen kann. Schönheitsempfindung, ästhetisches Gegenüberstehen gegenüber der Welt, das ist dasjenige, was die Erotik auf das gehörige Maß zurückschraubt. Der Mensch kommt immer wieder dadurch, dass er die Welt als schön empfindet, eben gerade dahin, auch seinem eigenen Leib gegenüber in einer freien Weise dazustehen, nicht von ihm drangsaliert zu werden, worin eigentlich die Erotik besteht. Dann ist es in diesem Lebensalter von ganz besonderer Wichtigkeit, dass das Kind gewisse moralische, religiöse Empfindungen entwickelt hat. Diese moralischen und religiösen Empfindungen sind ja auch immer stärkend und kräftigend für das Astralische und das Ich.
Das Astralische und das Ich werden schwach, wenn die religiösen und moralischen Empfindungen und Impulse schwach entwickelt werden. Das Kind wird schlapp, das Kind wird wie körperlich auch gelähmt, wenn das nicht gemacht wird. Und das sieht man dann insbesondere hervortreten, wenn dieses Lebensalter eintritt, von dem wir jetzt sprechen. Auch der Mangel an solchen moralischen und ethischen Impulsen äußert sich in einer Unregelmäßigkeit im sexuellen Leben. Nun muss man aber der Differenzierung zwischen Knaben und Mädchen in einer gewissen Weise Rechnung tragen schon im ganzen Hintendieren gegen das Lebensalter, von dem wir jetzt sprechen. Man muss sich bemühen, die moralischen, ethischen Empfindungen beim Mädchen so zu gestalten, dass sie in einem gewissen Sinn auf das Ästhetische hinzielen. Besonders Rücksicht muss man darauf nehmen, dass dem Mädchen das Sittliche, Gute und das Religiöse vorzüglich gefällt, dass das Mädchen einen ästhetischen Genuss hat an dem Sittlichen, Guten und an dem Religiösen, an demjenigen, was es als religiöse Vorstellung aufgenommen hat. Das Mädchen soll Gefallen haben an der übersinnlichen Durchsetztheit der Welt, und es soll besonders reichlich versehen werden in seiner Phantasie mit Bildern, welche das Durchgöttlichtsein der Welt ausdrücken, und welche das Schöne ausdrücken, was am Menschen ist, wenn er ein guter, ein sittlicher Mensch ist. Beim Knaben ist es notwendig, dass wir in ihm Vorstellungen erwecken, welche mehr nach der Kraft hintendieren, die im religiösen Leben und im Ethischen wirkt. Beim Mädchen sollen wir das Religiöse und Sittliche bis ins Auge treiben, beim Knaben vorzugsweise das Religiöse und Schöne in die Beherztheit hineintreiben, eben in das Kraftgefühl, das aus ihnen ausstrahlt. Natürlich dürfen wir die Dinge nicht ins Extrem treiben und glauben, dass wir das Mädchen bloß zu einer ästhetischen Katze erziehen sollen, die alles bloß ästhetisch ansieht, und den Knaben bloß zu einem Rüpel erziehen sollen, was ja dann entsteht, wenn wir seinen Egoismus aufstacheln durch allerlei von Kraftgefühl, das wir ja erwecken sollen, aber in Anlehnung an das Gute, das Schöne und Religiöse. Wir müssen verhindern, dass das Mädchen oberflächlich wird, ein falscher Schönheitsgeist wird in den Lümmel- und Flegeljahren. Und beim Knaben müssen wir verhindern, dass er in den Lümmel- und Flegeljahren ein Rüpel wird. Das ist dasjenige, was nach beiden Seiten hin gewissermaßen droht. Und man muss wissen, dass diese Tendenz nach der einen und anderen Seite hin durchaus vorhanden ist, so dass wir wirklich die ganze Volksschulzeit hindurch Rücksicht nehmen müssen, beim Mädchen vieles dahin zu lenken, dass ihm das Gute gefällt, dass ihm das Religiöse auch einen gewissen ästhetischen Eindruck macht, während wir beim Knaben dahin wirken sollen, dass wir ihm immer beibringen: Sieh einmal Junge, wenn du das tust, dann straffen sich deine Muskeln, dann wirst du ein tüchtiger Kerl. - Das Durchgöttlichtsein muss beim Knaben auf diese Weise sogar rege gemacht werden. Nun, die besonderen Eigenschaften, die da auftreten, sind tatsächlich sehr fein in der Menschennatur begründet. Wenn wir das Mädchen betrachten: das Ich wird aufgesogen durch den astralischen Leib. Natürlich ist das alles etwas radikal und extrem gesprochen, aber gerade so können Sie sich das gut vorstellen. Es ist etwas in diesem Vorgang im Seelisch-Geistigen, das wir mit dem Erröten vergleichen können, mit dem physischen Erröten. Eigentlich ist die ganze Entwickelung in dieser Zeit ein seelisch-geistiges Erröten. Dieses Hineindringen des Ich in den astralischen Leib ist eine Art Erröten. Beim Knaben ist es anders. Beim Knaben ist das Ich unregsamer, aber es saugt sich nicht auf, und wir haben es mit einem geistig-seelischen Blass werden zu tun. Das ist sehr deutlich zu bemerken. Es ist das immer vorhanden. Wir dürfen uns da nicht durch das Physische täuschen lassen. Wenn das Mädchen bleichsüchtig wird, so entspricht das ganz dem, dass es seelisch-geistig errötet. Wenn der Knabe ein besonderer Lümmel wird und daher oftmals angeregt wird, so widerspricht das dem nicht, dass er seelisch-geistig erblasst. Das ist im Grunde genommen ein Ausdruck der Menschennatur für dasjenige, was da in einer den ganzen Menschen in Anspruch nehmenden Weise auftritt: für das Schamgefühl. Das Schamgefühl ist dasjenige, was die ganze Menschennatur durchzieht; das Schamgefühl, das darin besteht, dass der Mensch fühlt: er muss jetzt etwas in sein individuelles Dasein hineinnehmen, was er der Welt nicht enthüllt; er muss Geheimnisse in sich tragen. Das ist ja das Wesen des Schamgefühls. Und das tritt bis in die allerunbewussteste Phase des seelisch-geistigen Lebens hinein auf. Wenn wir als Erzieher und Lehrer die Empfindung in uns tragen, so etwas überhaupt nur für uns selber, in unserem eigenen Seelenleben zu respektieren, wenn wir an Knaben und Mädchen mit jener Zartheit vorbeigehen, welche das innerlich ruhende Schamgefühl respektiert, wirkt das schon. Da bedarf es nicht der Worte, da zeigt sich die unausgesprochene Wirkung des einen Menschen auf den anderen, beim bewussten durch die Kinderschar Durchgehen mit dem Gefühl, es ist etwas in ihnen, was sie wie eine unaufgeschlossene Blume aufbewahren wollen. Das ist von ungeheurer erzieherischer Wirkung, dass man schon bloß mit dieser Empfindung lebt. Und nun ist das ja besonders merkwürdig, dass alle diese äußeren Offenbarungen des kindlichen Lebensalters dieser Zeit im Grunde genommen trotzdem nur ein fast bis ins Gegenteil hinein modifiziertes Schamgefühl sind. Das Mädchen, das im Schamgefühl seelisch-geistig errötet, das sein eigentliches Wesen verbirgt, tritt forsch auf, zeigt sich, lässt die Welt sein Gesicht anschauen und so weiter. Es ist ja gerade das das Eigentümliche der Menschennatur, dass der Mensch zu dieser Zeit im Äußeren das Gegenteil von dem vollbringt, was in seinem Inneren angelegt ist. Das forsche, das wackere Auftreten, das Sich-Zeigen, das Sich-nichts-gefallen-lassen, das Pochen: gerecht muss ich behandelt werden. Derjenige, der jemals in einem Pensionat erzogen hat, wird wissen, wie die Mädchen anfangen: Das lassen sie sich nicht gefallen, gerecht müssen sie behandelt werden. - Sie können nun frei hintreten: Sie werden es ihm schon geben. - Sie haben ihre Gedanken: Und so braucht man uns nicht -. Dieses alles, was da auftritt, ist durchaus im Grunde genommen nur, ich möchte sagen, die Rückseite von demjenigen, was tief in ihrem Seelenleben als eine Art von Schamgefühl noch ganz unbewusst ruht. Und beim Knaben: das Lümmelwesen in der ersten Zeit dieses Lebensalters und das Flegelwesen in der zweiten Zeit dieses Lebensalters, also das Lümmel- und Flegelwesen, das so stark auftritt, ist auch nichts anderes als das: man will das, was man ist, nicht in die Außenwelt tragen. Man sucht einen Anschluss an die Außenwelt. Man bewegt sich daher möglichst ungelenk, man lümmelt sich hin; man ist nicht so, wie man ist, man ist eben anders. Das sollte man durchaus berücksichtigen, dass der Knabe in diesem Lebensalter durch seine Besonderheit anders ist, als er ist. Er macht jetzt ganz äußerlich nach. Während das Kind in den ersten sieben Jahren natürlicher Nachahmer ist, macht er es nun dem nach und jenem. Es gefällt ihm ganz besonders, wenn das, was die anderen vormachen, sich besonders geltend macht. Er geht so wie ein anderer Mensch. Er formt an der Rede wie ein anderer Mensch, ist grob wie ein anderer Mensch. Er bemüht sich fein zu sein wie ein anderer Mensch. Es ist dieses ein Anschlusssuchen an die Welt, was hier besonders während der Lümmel- und Flegelzeit zum Ausdruck kommt. Und es ist im Grunde genommen das Sich-Genieren, sein eigenes Wesen ganz der Welt zu enthüllen, das Sich-Zurückziehen in sich selber, das einen anders erscheinen lässt, als man ist.
Die schlechteste Behandlung ist die, wenn der Erzieher in dieser Zeit gegenüber dem Lümmel- und Flegelwesen keinen Humor hat; denn es muss tatsächlich gerade dem Knaben gegenüber in dieser Zeit eine Art Humor vorhanden sein, die darin besteht, dass man auf der einen Seite auf die Sache eingeht, und auf der anderen Seite doch wiederum zeigt, dass man die Sache nicht ganz ernst nimmt. Man muss sich in der Gewalt haben, um diese zwei Seiten des Benehmens eben zu entwickeln. Jedenfalls, wer sich in Harnisch bringen lässt durch die Äußerungen des Lümmels oder Flegels, der hat als Erzieher verloren, wie es derjenige als Erzieher verdorben hat, der, wenn die Schüler ungehörig sich benehmen und toben, erst recht anfängt zu brüllen und dann sagt: Wenn ihr nicht gleich ruhig sein werdet, dann schmeiß ich euch allen die Tintenfässer an den Kopf! - Die Kinder haben dann keinen Respekt mehr vor ihm. Bei Mädchen, wenn sie die andere Seite zum Ausdruck bringen, ist es nötig, dass man eingeht – ich muss da schon in einer gewissen Terminologie reden — mit einer zarten Grazie selbst auf die koketteren Ungezogenheiten, aber, bildlich gesprochen, sich nachher umdrehen. Also sowohl eingehen mit einer zarten Grazie auf diese Dinge, aber ja nicht merken lassen, dass man Anteil nimmt. Man lässt das Mädchen sich austoben. Etwas schnippisch auftretende Mädchen lässt man austoben. Dann lässt man das Mädchen mit sich selbst in seinem Austoben. Beim Knaben geht man mehr ein auf das Lümmel- und Flegelhafte; aber man zeigt, dass man es doch nicht ganz ernst nimmt, dass man doch etwas lacht, aber fein lacht, dass der Knabe sich nicht besonders ärgert. Es handelt sich darum, dass man sich ein gewisses Gefühl aneignet, wie man Kinder in diesem Lebensalter zu behandeln hat, da jedes Kind anders ist. Die Erscheinungen, die da zum Vorschein kommen, sind die eines metamorphosierten Schamgefühls, das den ganzen Menschen durchdringt. Und wir bereiten, wir müssen das tun, das Kind in der richtigen Weise für den Beginn der Zwanzigerjahre vor, wenn wir berücksichtigen, dass ja jetzt das Subjektive mit dem astralischen Leib sich selbständig entwickelt. Geradeso wie der menschliche Leib sein gesundes Knochensystem braucht, wenn er nicht einherwackeln soll, so braucht der astralische Leib mit dem eingeschlossenen Ich, wenn er sich richtig entwickeln soll, in diesem Lebensalter Ideale. Das muss man ganz voll ernst nehmen.
Ideale, diejenigen Begriffe, die einen Willenscharakter haben, Ideale mit Willenscharakter, das ist dasjenige, was wir jetzt als ein festes Gerüst dem astralischen Leib einfügen müssen. Es wird leicht zu bemerken sein, dass insbesondere der Knabe in dieser Zeit ein starkes Bedürfnis in dem Sinn entwickelt - wenn wir es nur entdecken, nur von der richtigen Seite fassen: Ein jeglicher muss seinen Helden wählen, dem er die Wege zum Olymp hinauf sich nach arbeitet. - Und es ist von besonderer Wichtigkeit, dem Knaben das reale Ideal vorzustellen, irgendeine bildliche Persönlichkeit oder wohl auch eine mythische Figur oder eine Phantasiefigur, die man mit dem Knaben zusammen ausgestaltet, oder die Elemente zu einer solchen gestaltet. Macht man mit solchen Kindern einen Schulausflug, so redet man mit den einzelnen wiederum nach ihrem individuellen Gestaltetsein. Man redet mit ihnen: Wie stellst du dir vor, dass du das machen wirst, dass du jenes machen wirst? - Man weist auf die Zukunft hin, nimmt die Zweckidee, die Zielidee in das Leben auf. Wir durchsteifen in einer gewissen Weise den astralischen Leib und das ist wichtig, dass wir ihn in diesem Lebensalter in dieser Weise durchsteifen. Dasselbe muss auch beim Mädchen stattfinden. Wir werden, wenn wir solche Dinge anwenden, auch das Mädchen richtig erziehen, wenn wir auch da Rücksicht nehmen darauf, dass das Mädchen mehr nach dem Kosmischen hinneigt und der Knabe, der Jüngling mehr nach dem Irdischen. Das Mädchen neigt mehr nach dem Kosmischen hin, das heißt, wir müssen es mehr dadurch zum Ideal hinbringen, dass wir ihm die Taten von Helden erzählen, das, was die Helden tun, das, was geschieht; mehr dasjenige beibringen, was Erlebnistatsachen sind. Dem Knaben müssen wir mehr die abgerundete menschliche Gestalt, die Charakterfigur beibringen. Das ist das Wichtige. In dieser Beziehung müssen wir schon spezialisieren zwischen Knaben und Mädchen. Nun ist es aber im Grunde wichtig, dass in diesem Lebensalter übergegangen wird zu einer äußeren Erfassung des Lebens. …
Wir sollten gerade in diesem Lebensalter dasjenige in den Lehrplan aufnehmen, was den Knaben auch zum Ergreifen des Praktischen, desjenigen, was ihn in Zusammenhang mit der Außenwelt bringt, führt. Und deshalb werden wir in unserem Lehrplan für die 10. Klasse folgendes tun, wir werden uns sagen: Wir müssen schon in diesem Lebensalter, um dem Sozialen in richtiger Weise Rechnung zu tragen, Knaben und Mädchen durcheinander haben; aber wir müssen doch eine Differenzierung in der Betätigung einführen. Wir sollen aber nicht die Knaben von den Mädchen trennen. Die Knaben sollen sehen, was die Mädchen treiben, wenn sie es auch nicht mittreiben, und die Mädchen sollen sehen, was die Knaben treiben: Sozial sollen die beiden in Kommunikation stehen. Aber wir sollen auch dasjenige mit aufnehmen, was den Gedanken aus dem Kopf herausführt, was die innere Regsamkeit der Hand in Anspruch nimmt, wenn es auch bloß eingelernt ist, wenn es auch nur etwas Theoretisches ist. Es muss eben eine Theorie über die Praxis sein. Daher ist es notwendig, damit die Knaben in diesem Lebensalter gerade etwas ihnen Angemessenes empfangen, dass wir mit ihnen etwas von der Mechanik behandeln. Nicht bloß die theoretische Mechanik, wie wir sie in der Physik treiben, sondern die praktische Mechanik, die dann zum Maschinenbau führt. Die ersten Elemente der technischen Mechanik müssen in unseren Lehrplan aufgenommen werden. Beim Mädchen müssen wir so etwas aufnehmen, dass es deutliche Vorstellungen und Geschicklichkeit bekommt vom Spinnen und Weben. Das Mädchen muss spinnen und weben verstehen lernen, muss lernen, wie Gespinste und Gewebe entstehen; muss wissen, was das heißt: etwas ist ein Stoff; er ist auf mechanische Weise geworden. Das Mädchen muss in die technische Entstehungsweise eingeführt werden, es muss ein Verhältnis gewinnen dazu. Das gehört in dieses Lebensalter. Der Knabe muss auf der anderen Seite - wenn auch nur die Elemente, soweit es zum Verständnis der Sache notwendig ist -, er muss in diesem Lebensalter die Anfangsgründe des Feldmessens und des Situationszeichnens beigebracht erhalten. Der Knabe muss in der Lage sein, einfach eine Hutweide oder einen Laubwald auf den Situationsplan zeichnen zu können. Der Knabe muss in diesem Lebensalter die ersten Elemente bekommen von Feldmessen und von Situationszeichnen. Und das Mädchen muss die ersten Elemente bekommen von der Gesundheitspflege, von der Gesundheitslehre, von der Art und Weise, wie man das und jenes verbindet. Teilnehmen müssen die beiden Geschlechter an beidem. Heranbringen muss man also Spinnerei, Weberei, Gesundheitslehre an das Mädchen; für den Knaben kommt die Zeit des Ausführens dieser Dinge später. Und die Mädchen müssen wiederum sehen, wie die Knaben mit den Nivellierinstrumenten umgehen können. Das können wir in der Waldorfschule schon machen, einen Niveauunterschied ins Auge zu fassen und einen kleinen Situationsplan über ein bestimmtes Bereich hinüberzuformen. Kurz, es soll alles das erweckt werden, was den Menschen dasjenige verstehen macht, was eigentlich im Leben geschehen muss, wenn das Leben fortgehen soll. Ohne das lebt der Mensch eigentlich immer in einer ihm unbekannten Umgebung. … Noch eins muss man berücksichtigen: Wenn man auch wirklich berufsmäßig lernt, meinetwillen Feldmessen, Nivellieren - frühestens, denke ich, lernt man es mit dem 19., 20. Lebensjahr, man hat heute vorher gar keine Gelegenheit, sich irgendwie in elementarer Weise über das Nivellieren und Feldmessen, über die Handhabung einer Messstange und so weiter zu unterrichten; das kennt man gar nicht - ja, es ist ein ganz anderes für das ganze Leben, ob man mit dem 15. Jahr diese Dinge gemacht hat als Knabe, oder ob man sie erst mit 19 und 20 Jahren an den Menschen heranträgt. Mit 19, 20 Jahren prägt es sich mehr als ein Äußerliches ein, als wenn man es im Alter von 15 Jahren gemacht hat. Es wird so eins mit dem Menschengeist, dass man es wirklich ganz als persönliches Eigentum, nicht bloß als das Eigentum seines Berufes hat. Und so ist es auch mit den elementaren Dingen der Mechanik, und auch mit den Dingen, die ich für die Mädchenerziehung angab. Wir müssen fordern, dass wir dem Kinde solche Empfindungen, solche Seeleninhalte beibringen, die dann so leben, wie die Gliedmaßen leben. Die Menschen werden auch organisch nicht so, dass ihnen im dritten Jahr zwei Arme angeheftet werden, die dann so bleiben, sondern sie wachsen. So müssen wir Begriffe und Empfindungen beibringen, die dann wachsen. Heute bemüht man sich ganz besonders, dem Kinde so etwas beizubringen, was dann nicht lebt, was es noch in derselben Weise in sich hat, wenn es ein uralter Kerl geworden ist. Die Dinge müssen mit uns leben. Das tun sie nur, wenn man sie in dem richtigen Alter beibringt.[36]
Nun handelt es sich darum, dass wir uns in dieses Wesen des Nachahmungsbegriffes hineinfühlen, dass wir dann in dem Autoritätsbegriff sehen, wie sich zwischen uns als Autorität und dem Kinde der Sinn für die Schönheit entwickelt. Und haben wir das getrieben bis zu dem Moment, wo das Kind geschlechtsreif wird, dann entwickelt sich, indem das Kind in die Neigung zum Ideal hineinwächst, in der richtigen Weise der Sinn für das Gute. Das Kind müssen wir an uns halten, damit es bis zur Geschlechtsreife das Gute tut. Bis dahin müssen wir durch das gegenseitige Wechselverhältnis so wirken, dass das Kind das Gute tut. Es ist schon notwendig, wenn das elf-, zwölf-, dreizehnjährige Kind das Gute tut, dass so stark die Autorität des Erziehers hinter ihm steht, dass es in dem Moment, wo es das Gute tut, so fühlt, als ob es damit seinen Lehrer und Erzieher zufrieden macht. Und das Schlechte soll es meiden. Es soll fühlen, dass er von irgendeiner unbestimmten Seite kommt und unzufrieden ist. Irgendwo soll es den Erzieher vermuten. So soll es zusammenwachsen mit dem Lehrer und dem Erzieher. Es soll ihm erst mit der Geschlechtsreife entwachsen.
Wenn wir das Kind so erziehen und aufziehen, dass wir es schon für reif halten, wenn es in die Schule kommt, und möglichst zu eigenen Urteilen anführen in dem Moment, wo es sprechen gelernt hat, das heißt, alles auf Anschauung gründen, dann lassen wir das Kind in dem Entwickelungszustand, wo es sprechen gelernt hat, und wollen es nur nicht weiterkommen lassen. Wenn wir also dieses nicht herankommen lassen, dass das Kind wirklich einen Wandel durchmacht mit der Geschlechtsreife, dass es wirklich etwas ablegt dadurch, dass wir es erst an die Autorität gewöhnt haben, dann kann es nicht über die Autorität hinauswachsen. Es muss erst die Autorität gefühlt haben. Es muss dann mit der Geschlechtsreife über das Autoritätsgefühl hinauswachsen und das Urteil suchen.
Wir müssen dann wirklich in das Verhältnis des Kindes kommen, dass ein jeglicher sich seinen Helden wählt, dem er die Wege zum Olymp sich nacharbeitet. Natürlich ist das mit allerlei Unbehaglichkeiten verbunden. Man hat es dann nicht mehr in der Hand, das selbstverständliche Ideal für das Kind zu bleiben. Man muss sich dann selber darnach halten. Früher kann man es noch befehlen.
Mit der Geschlechtsreife tritt es dann auf, dass das Kind bemerkt und sehr sensitiv wird für die Unmöglichkeiten beim Lehrer und Erzieher. Dieser Gefahr müssen wir uns bewusst aussetzen, dass das Kind sehr sensitiv wird für dasjenige, was der Lehrer selber nicht tun soll. Namentlich werden Sie bemerken, dass das Kind in dieser Zeit sehr sensitiv wird für die Gesinnung des Lehrers.
Aber wenn wir es nicht mit uns egoistisch, sondern ehrlich mit dem Kinde meinen, dann werden wir gerade auf diese Empfindungsmöglichkeit hin erziehen und unterrichten. Dann werden wir gerade dasjenige herankommen lassen, dass wir in ein freies Verhältnis zur heranwachsenden Jugend kommen.
Und dann werden wir bewirken, dass der Mensch in der richtigen Weise hineinwächst in das Wahre, das ihm gewissermaßen aus einer geistigen Welt wie ein Erbgeschenk mitgegeben wird, dass er in der richtigen Weise zusammenwächst mit dem Schönen, und dass er in dieser Welt des sinnlichen Daseins lernt das Gute, das er hier ausprägen soll.
Geradezu eine Sünde ist es, von dem Wahren, Schönen, Guten im abstrakten Sinn zu reden, ohne im konkreten darauf aufmerksam zu machen, wie es im Verhältnis steht zu den einzelnen Lebensaltern.[37]
Ich habe gestern zu denjenigen gesagt, die die 10. Klasse haben, man solle anfangen mit einer gewissen Menschenerkenntnis. Ja, das ist dasjenige, was eine solche Menschenerkenntnis darstellen will, dass wir den Menschen wiederum hinstellen in das ganze Weltall nach Leib, Seele und Geist. Wir sollten eigentlich, wenn wir richtige Pädagogen auf diesem Gebiet der Menschenerkenntnis sind, jede Anatomie, jede Physiologie so in die Hand nehmen, dass wir uns informieren über dasjenige, was da durch eine geistlose, jahrhundertlange Arbeit zustande gekommen ist. Aber es sollen bloß Informationsbücher sein, und wir sollten niemals versäumen, dasjenige hineinzugießen in diese Informationsbücher, was wir der Anthroposophie entnehmen können. Dadurch wird erst dasjenige beleuchtet, was aus diesen Informationen, eben aus den gebräuchlichen Dingen, herauskommt.
Sie müssen sich ganz anders zur Literatur stellen, als sich die anderen dazu stellen. Gewiss werden Ihnen dann die Urteile entgegenklingen, Sie seien hochnäsig und so weiter. Aber das muss heute schon ertragen werden. Es muss ertragen werden, dass Sie in dem, was heute unsere Wissenschaft, was heute unsere Bildung bietet, nur eine Grundlage sehen zur Information, so wie der Grieche, wenn er auferstehen würde, vielleicht zur Chemie greifen würde und sagen würde: Das, was ich einerseits von der Erde weiß, dass sie trocken und kalt ist, dass sie auf Pflanzen wirkt, das spezialisierst du mir.
Es ist interessant, dass man es in Einzelheiten kennenlernt, aber du weißt nichts von der Gesamtwirkung, du weißt nur von einem Viertel. - Wir müssen wiederum zurückkommen zu einem solchen Wissen, das in Empfindung, Gefühl und Willen hineingeht, das unseren ganzen Menschen durchdringt, das auf seelischem und geistigem Gebiet etwas Ähnliches ist wie das Blut auf leiblichem Gebiet; dann werden wir dadurch, dass wir andere Menschen werden, eben richtige Lehrer werden.[38]
In der 5. Klasse wird das Holzwerken ein eigenes Fach. Eingebunden in den Unterricht ist das Korbflechten in Klasse 7 und das Kupfertreiben in der 8. Klasse. Eisen-/ Metall- (9./10. Klasse) und Steinbearbeitung (11./12. Klasse) ergänzen die Materialerfahrung in der Oberstufe. Des Weiteren gilt es, Wolle, Holz, Metall und Stein so umzuformen, dass sie in gewünschter Weise dienen, z.B. als Kleidung, als Schrank, als Werkzeug. Da müssen die Schüler:innen sich Geschicklichkeit erwerben. Missgeschicke gilt es zu überwinden: Die Maserung des Holzes wurde nicht beachtet und das Werkstück zerbrach, oder das Stück Metall wurde zu stark erwärmt und die gewünschte Form verbrannte. Dabei lernen die Schüler:innen das Material immer besser kennen und erwerben zunehmend Geschicklichkeit im Umgang mit einfachen Werkzeugen. Immer genauer muss gearbeitet werden, besonders bei den Schreiner- und Schlosserarbeiten in der 10. Klasse.[39]
In der 11. Klasse können die Schüler:innen ihre Erfahrungen dann in einen Fertigungsprozess stellen. Vom Annehmen des Auftrags über Entwurf, Materialwahl, Kostenermittlung, Materialbestellung, Fertigung bis hin zum Werkzeug sammeln sie prozessüberschauend Erfahrungen.
In der 12. Klasse gewinnt ein weiterer Aspekt eine besondere Bedeutung. Die Gegenstände, die Gestaltungen, die die Schüler:innen umgeben, sollen ja nicht nur brauchbar, sondern auch schön sein. All das, was die Schüler:innen in der Unter- und Mittelstufe beim Malen, Plastizieren, aber auch im Eurythmie- und Musikunterricht an differenzierten Empfindungen kennen gelernt haben, was sie in der 9., 10. und 11. Klasse beim Hell-Dunkelzeichnen, Malen, Plastizieren und Erüben von Formen in der Eurythmie gelernt haben, das sollen sie nun in eine freie Plastik, ein Bild, einen schönen Gebrauchsgegenstand umsetzen können.
Alle Werkstattanforderungen – Materialkenntnis, Technikerfahrung, Gestaltungsempfinden – sollen von den Schüler:innen als ganzer Persönlichkeit ergriffen werden. Nur wenn sie sich mit Wachheit, Empfindungssensibilität und Kraft auf den Arbeitsprozess einlassen, können sie durch ihre Tätigkeit etwas Befriedigendes fertig stellen und auch erfahren, was sie können und dass sie es können. So werden sie im umfassenden Sinn urteilsfähig. Sie sind dann nicht nur informiert, sondern auch befähigt, aus der Sache heraus zu urteilen. Damit haben sie einen sicheren Standpunkt gewonnen.[40]
Als Abschluss des gesamten pädagogischen Prozesses vom Kindergarten bis in die 12./13. Klasse würde es also darum gehen, wieder dorthin zurückzukommen, wo die Kindergartenkinder waren: zu einer Einheit mit allem, jetzt aber vollbewusst, aus eigenständiger Urteils- und Gedankenbildung. Die Globalisierung ist der Schauplatz, an dem sich zeigt, wie stark die Fähigkeiten ausgebildet sind, eine soziale Ganzheit empathisch zu umfassen und zu gestalten.[41]
Damit sind wir alle drei großen Systeme des menschlichen Leibes mit den zu ihnen gehörigen physiologischen, seelischen und geistigen Leistungen abgeschritten: vom Stoffwechsel-Gliedmaßen- über das Nerven-Sinnes- zum rhythmischen System, und wir haben die leiblichen Veränderungen, die im Jugendalter auftreten, zu erfassen und für die Bedeutung des seelischen Erlebensaufzuweisen gesucht. Damit sind die wesentlichen Stationen vergegenwärtigt, wodurch die Leiblichkeit des Menschen – unter Mitwirkung der Anlagen im Leiblichen wie Geistigen, der Erziehung und der Kultur sowie des inneren Wesens des Menschen – so zubereitet wurde, dass sie authentischer Ausdruck von Seele und Geist des Menschen werden kann. Stufenweise wurden im Wandlungsprozess der Leibgestaltung frei:
Die Erzählung von Parzival, von den Rittern der Tafelrunde, König Artus beschreibt den Lebensweg des Jünglings und sein allmähliches Erwachsenwerden und Reifen. In der 11. Klasse ist das ein Thema im Deutschunterricht.
Parzival wird vorerst fernab der ritterlichen Welt von seiner Mutter Herzeloyde großgezogen. Diese versucht lange, ihren Sohn vor den Gefahren der Welt zu schützen. Dieses Schutzbedürfnis ist nicht unbegründet, denn Herzeloyde verlor ihren Gatten, Parzivals Vater Gachmuret, durch feindliche Ritter. Deshalb ist Herzeloyde so besorgt um ihren Sohn. Sie verlässt das ritterliche Hofleben und zieht sich mit Parzival und einer Schar Untergebener in einen Wald zurück. Die Untergebenen haben den Auftrag, Parzival vor den Gefahren des Lebens zu schützen. Auf keinen Fall soll der junge Parzival Ritter kennenlernen oder etwas vom ritterlichen Hofleben erfahren…
Er wird schließlich Ritter und lernt von Gurnemanz kämpfen und das entsprechende ritterliche Verhalten. Von ihm bekommt er auch den verhängnisvollen Rat, dass man nicht zu viel fragen sollte.[43]
Er ermahnt Parzival auch, dass er nie von der Scham lasse, dass ihn das Heer der Bedrängten erbarme, dass er das rechte Maß zwischen Geiz und Freigiebigkeit halte, dass er das unziemliche Daherreden lasse, dass er im Kampf Tapferkeit mit Erbarmen übe.[44]
Eine Schülerin bringt es in ihrer Epochenreflektion auf den Punkt, in dem sie feststellt, dass sie sich als Elftklässer:innen in einer wichtigen Lebensphase befinden,
„wo wir Fehler machen, um uns selbst zu finden, um uns klar zu werden, wer wir sind und was der Sinn unseres Lebens ist. All dies macht Parzival auch durch, nur zu einer anderen Zeit.[45]
In diesem Alter werden Schüler:innen immer wieder daran erinnert, dass ihr baldiger Schulabschluss bevorstehe, dass es darauf ankomme, Wissen anzuhäufen, parat zu haben und zum Prüfungstermin abrufen, Fähigkeiten und Fertigkeiten demonstrieren zu können. Das Ziel: ein möglichst hochqualifizierendes Leistungsergebnis, dass die Zugangsberechtigung für Weiteres ist.
Parzival stellt sich diesem Anpassungsstrom nicht entgegen, er bleibt nur seinem eigenen Lebens- und Entwicklungsstrom treu, beachtet die Hinweise und Ermahnungen seiner Mutter und integriert sie in sein eigenes Denken, Fühlen und Wollen. Mit seiner Reifung entsteht sein Weltbild, entwickelt sich sein religiöses Streben und erwacht seine soziale Verantwortlichkeit.[46]
Gurnemanz´ Ratschlag, nicht zu viele Fragen zu stellen befolgt er glücklicherweise nicht in der gewünschten Weise. Er hat keine Angst einen Fehler zu machen, oder eine „dumme“ Frage zu stellen. Er tut es einfach. Gleichzeitig übt er sich in der Perfektion seines „Handwerks“.
In der Waldorfschule betonen wir die Wichtigkeit eines handwerklich-künstlerischen Unterrichts: handwerklich saubere Arbeit und gleichzeitig eine künstlerisch freie Ausgestaltung. Hier bieten sich Möglichkeiten etwas zu versuchen, auszuprobieren, ohne im Voraus zu wissen, ob es funktioniert. Der Ausgang eines „Experiments“ ist ungewiss, alles Scheitern birgt die Chance etwas Unbekanntes zu entdecken, ohne gleich eine herbe Konsequenz befürchten zu müssen. Es gibt nicht den Weg, es offenbaren sich mitunter viele Möglichkeiten, eine wähle ich und lasse mich darauf ein. Es besteht immer die Frage, ob ich mich traue, den Mut zu entwickeln, oder ob ich zaghaft auf der sicheren Spur bleibe.
Lebendig werdende Wissenschaft!
Lebendig werdende Kunst!
Lebendig werdende Religion![47]
Die Spezialisierung bei der handwerklichen Tätigkeit beginnt eigentlich sofort nach der Geburt, bei den Tieren ist sie quasi sofort da, bei den Menschen dauert sie vergleichsweise unendlich langsam. Der Mensch ist Generalist, nicht Spezialist. Alle Entwicklung geht vom Kopf aus.
Wollen und Denken laufen als Ströme aufeinander zu, schwingen ineinander und verbinden sich in der Gefühlsregion. Handarbeit bildet das Gehirn, all das ist laienhaft bekannt.
Handfertigkeitsentwicklung beim Kind
Von der eigentlichen Werkreife kann man erst sprechen, wenn die Handwurzelknochen so weit entwickelt sind, dass sie miteinander in Verbindung stehen und die Gelenke zwischen den einzelnen Fingergliedern so gut wie geschlossen sind. Das ist etwa um das zwölfte Lebensjahr herum der Fall. Jetzt beginnt dementsprechend auch der Werkunterricht an den meisten Waldorfschulen. Mit etwas angepassten Inhalten kann das, wie mancherorts praktiziert, schon in der 5. Klasse sinnvoll sein…[49]
Helmut Hinrichsen bezieht sich, was den Beginn des Werkunterrichts an Waldorfschulen angeht in seiner Publikation auf Herbert Seufert.[50] Grundsätzlich ist das sicherlich richtig und formal angemessen, irritieren tut es allerdings, zumal es in dem Artikel von Seufert um die Metallbearbeitung geht, die ohnehin erst auf einer höheren Klassenstufe ansteht.
Das Werk von Michael Martin (1991), dem dieser Bezug entstammt, wird „heute nicht mehr gedruckt“[51], weil es offenbar nicht mehr zeitgemäß scheint. Das kann sich wohl kaum auf die Entwicklung und Ausgestaltung des Knochenbaus beziehen.
Nicht mehr zeitgemäß ist allerdings die ebenfalls übernommene Feststellung, dass der Werkunterricht an Waldorfschulen in der Regel in der 6. Klasse beginnt. Wohlgemerkt schreiben wir das Jahr 2022. Diese zitierte aktuelle Publikation, die sich durchaus als zukünftig gültiges Standardwerk empfiehlt und entsprechend beworben wird, ignoriert die schon seit etlichen Jahren andauernde und kontinuierlich geführte Diskussion über das Thema „Werken in der ersten Klasse?“[52]
Als langjährig tätige Werklehrer und Kursanbieter bei der Werklehrertagung und im Online-coaching[53] sind wir natürlich sehr froh über eine solch fundiert ausgearbeitete Publikation. Zugleich sind wir aber auch verwundert darüber, dass eine Entwicklung über viele Jahre so konsequent unbeachtet bleibt.
Die Schule und ihre Vorstufe, der Kindergarten, sind verpflichtet, den Kindern Gelegenheit zur Handbetätigung zu geben. Tun sie es nicht, dann schädigen sie sich selbst wie das Kind, weil sie unterlassen, den instinktiven Drang des Kindes, sich mit der Hand zu betätigen, für Bildungs- und Erziehungszwecke auszunutzen, und zwar sowohl für allgemeine, wie für wissenschaftliche, künstlerische und technische Zwecke.[54]
Ludwig Pallat, deutscher Archäologe, Pädagoge und Ministerialbeamter, Zeitgenosse Rudolf Steiners, setzte den Wert eines Handfertigkeits- oder Werkunterrichts in Schulen sehr hoch an und zwar schon frühzeitig.
1926 ahnte vermutlich noch niemand, dass es irgendwann einmal voll digitalisierte Klassenzimmer geben würde, dass die Hauptbetätigung einer Hand die des Wischens über den Bildschirm eines Smartphones sein würde, dass alles, was gewusst oder nicht gewusst werden wollte in Sekundenbruchteilen online zur Verfügung stehen würde, dass uns unsere elektronischen Helfer uns stets das zum Online-Kauf anbieten, an das wir mal nur kurz gedacht und es gegoogelt hatten, etc, etc.
Tablet und PC haben selbst inzwischen die Kinderzimmer erobert. Pädagogen mahnen an, dass Kinder alles, mit dem sie in Kontakt kommen mit den Händen begreifen sollen, ehe sie sich digital damit befassen. Dass Handarbeit und Synapsenbildung im Gehirn unmittelbar zusammenhängen, weiß inzwischen jeder.
Angesichts dieser Entwicklung der Kinder in der heutigen Zeit ist die Werklehrerschaft bestrebt, auf diesem Felde Forschungsarbeit zu leisten. In vielen Waldorfschulen wird bereits auch schon praktisch unterrichtlich so gearbeitet und der Werkunterricht ab der Klasse 4 erteilt. Es ist geradezu sträflich, den Beginn eines Werkunterrichts an Waldorfschulen generell auf die 6. Klasse festzulegen. Genau darauf wird aber mit Blick auf die aktuelle Publikation vermutlich immer wieder Bezug genommen werden, wenn es um die Gewichtung von Unterrichtskontingenten in den Waldorfschulen geht. Die dann relevanten Entscheider werden sicherlich nicht die Werklehrer sein.
Dem oben bei Stockmeyer zitierten Hinweis Rudolf Steiners, dass der Werkunterricht durchaus früher einsetzen könne, wollen wir später noch einmal nachgehen.
Wer hat nicht das kleine Kind vor Augen, das sich müht, zieht und zerrt, bis es den Balken aus dem Stapel Holz herausgezogen hat, weil es gerade den braucht, jetzt in diesem Augenblick. Wenn es nicht mehr kann, macht es Pause oder holt sich Hilfe. Wehe, man sagt, es sei zu klein, oder zu schwach, oder noch nicht „reif“.
In diesen Anstrengungsmomenten ist es ganz bei sich, es will etwas erreichen, schaffen. Natürlich ist die Arbeit zu schwer. Steine schleppen für den Hausbau in der 3. Klasse geht, gut oder sogar besser zu zweit mit einem Beutel in der Mitte. Physikalische Gesetzmäßigkeiten kümmern da herzlich wenig. Außerdem gibt es viele Kinder, die gerne laufen, am liebsten häufiger als jeder andere, denn Wettkampf gehört auch dazu, Umsicht und Vorsicht auch. Dann die vier Zweitklässler, die es nicht so leicht haben im Orchesterunterricht und in der Zeit in die Schmiede kommen dürfen. Wenn das Feuer brennt, die Schürzen und Schutzbrillen sitzen, passende Handschuhe angezogen sind und der Hammer in der Hand auf seinen Einsatz wartet, dann ist aller Quatsch und Unsinn tabu. Abwechselnd mit einem Lied wird rhythmisch auf das glühende Eisen geschlagen, solange bis die Glut erloschen ist, dann wird gewechselt. Klar ist es anstrengend, natürlich ist der Hammer zu schwer, genauso klar ist aber auch, dass in der Situation für ein paar Minuten 100%ige Konzentration herrschte, Einklang mit dem Schlagpartner. Klar ist auch, dass der Lehrer das Ganze führt.
Für eine Weile ist man „echt“ Schmied, oder Maurer, der die Bruch- oder Backsteine legt, oder Zimmermann, der einen Balken festnagelt. Das echte Erlebnis zählt. Der Schlag auf den Daumen tut weh, ebenso der versehentliche Schnitt, wenn man nicht aufgepasst hat. Der eine wird gekühlt, der andere bekommt ein Pflaster, fertig.
Eines ist in jedem Fall bedeutungslos, das ist der Handwurzelknochen. Kinder haben ein gutes Gefühl dafür, wenn etwas wirklich zu schwer ist, dann hören sie auf und geben freiwillig den Hammer weiter, wenn etwa Holz gespalten werden soll.
Wenn ich mich als Lehrer traue, den Keil zu halten, während ein Schüler darauf schlägt, ist das ein unschätzbarer Moment in dem unbedingtes Vertrauen und absolute Konzentration herrschen. Niemand möchte dem anderen wehtun. Gibt es nur einen Funken Unsicherheit, lassen wir es. Vielleicht war der Verantwortungsdruck doch zu groß? Gut ist es, wenn man lernt, das zu spüren. Auch das sind Mutproben. Manchmal muss man auch so mutig sein, gerade eben nicht zu springen.
Kinder wollen ihre Grenzen austesten und müssen das auch, wie sonst sollen sie lernen können?
Eines muss, glauben wir, immer wieder betont werden: unser Werkunterricht an Waldorfschulen ist keine Vorbereitung auf irgendetwas, etwa eine Berufsvorbereitung, es ist Menschenbildung. Inhalte und Methoden orientieren sich an dem, was das Kind oder der Jugendliche als erzieherische Unterstützung für seine Entwicklung braucht. Die inhaltlich-didaktische Auswahl wird bestimmt durch die jeweiligen Lernvoraussetzungen, die sich von Lebensjahr zu Lebensjahr verändern und einem Entwicklungsstrom folgen, der zwar seelisch individuell, aber geistig universell ist. Von daher ist es nur allzu verständlich, dass die Kinder einer Klasse sich alle in einem gleichen Altersspektrum befinden und der Lehrer sich an die individuellen seelischen Tingierungen wenden kann, die sich beispielsweise in den Temperamenten ausdrücken. Hier entsteht die Beziehung, die das Kind für seine eigene Orientierung braucht, das Vertrauen, dieser Autorität nachfolgen zu können und die innere Gewissheit und Sicherheit, dass es gut ist, so wie es ist.
Befremdlich mutet es an, wenn in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, dass man sich darauf besinnen will, sich dem „rasanten Wandel der heutigen Lebensbedingungen“ und dessen Gegebenheiten anpassen zu sollen.
Diesem Ansatz wollen wir im folgenden Kapitel nachgehen.
Der Staat kann nicht etwas anderes aus der Schule machen als seinen Diener. Er kann Theologen als Staatsbeamte, Juristen und so weiter als Staatsbeamte ausbilden lassen. Wenn aber das Geistesleben auf seinem eignen Grund und Boden stehen soll, so muss jeder Lehrende und Erziehende einzig und allein verantwortlich sein der geistigen Welt, zu der er aufschauen kann aus anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft heraus. …Man muss sich klar sein: Diese freie Schule ist eine Forderung der Zukunft. [55]
Rudolf Steiner betont, dass die Waldorfschule eine soziale Forderung der Zukunft ist, dass ein Weltschulverband gegründet werden müsse, ein Weltschulverein, der den „Sinn für reales, konkretes, freies Geistesleben erweckt“. Diese Notwendigkeit und Vision einer internationalen Bewegung entwickelt er 1921 in Den Haag. Die erste Waldorfschule ist gerade mal knapp 18 Monate alt.
Vier Monate später benennt er genauso radikal, dass man absoluter Zeitgenosse sein und ein grundlegendes Verständnis seiner Umgebung, auch der modernen Technik haben muss.
Gehen Sie hinunter in die Straße, wo die Tram einbiegt, sehen Sie sich die Leute an, die dort stehen, und auf die Tram warten, und überlegen Sie sich, wieviel von diesen Leuten wissen, auf welche Weise diese Tram in Bewegung gesetzt wird, wie da die Naturkräfte wirken, damit die Tram in Bewegung gesetzt werden kann. Ja, glauben Sie, dass das eine innere Wirkung hat für die Konstitution des Menschen, des Geistigen, Seelischen und Leiblichen! Es ist ein großer Unterschied, ob man durch das Leben geht, indem man wenigstens die Grundelemente desjenigen weiß, worinnen man lebt, oder nicht weiß. [56]
Scheinbar klaffen da Welten zwischen Visionärstum und Realitätssinn. Nimmt man die beiden Extreme, wird deutlich, worauf es ankommt: einen ausgeprägten Willen, dem Ideal zuzustreben und die gleiche Beharrlichkeit, die Realität durchschauen zu wollen. Beides sind Bemühungen, beides erfordert Übung, beides verlangt nach Wachheit.
Das soziale Klima in Deutschland ist rauer geworden. In der wirtschaftlichen Not der Nachkriegsjahre breitet sich ein politischer Extremismus aus. In Deutschland bereitet sich eine nationalsozialistische Machtgreifung vor. Marodierende Stoßtrupps stören nicht nur, sie behindern und bedrohen auch offen das Leben derjenigen Menschen, die sich in gesellschaftlich fortschrittlicher Weise exponieren. Die letzte öffentliche Vortragstournee Rudolf Steiners durch deutsche Versammlungs- und Konzertsäle im ersten Halbjahr 1922, die von tausenden interessierter Zuhörer wahrgenommen wird, findet keine Fortsetzung. Vernichtende Presseberichte und offenes Bedrohen und Anpöbeln der Eurythmistinnen, die zur künstlerischen Umrahmung anwesend waren, veranlassten Rudolf Steiner das Angebot einer Fortsetzung der Vortragsreise abzulehnen. In Italien bahnte sich eine faschistische Herrschaft unter Mussolini an, allein in Holland schien das Klima noch erneuerungsfreundlicher zu sein. Hier regte Rudolf Steiner die Gründung eines Weltschulvereins an. Es war offensichtlich, dass eine solche Initiative in Deutschland im Keim erstickt werden würde. Darüber hinaus war die Anthroposophische Gesellschaft, die für solch eine Aufgabe prädestiniert gewesen wäre, intern so zerstritten, das von daher keine wirkliche Initiative zu erwarten gewesen wäre. [57]
Tatsächlich dauerte es bis in Jahr 1970, dass in Den Haag der Haager Kreis begründet wurde. Initiatoren waren Ernst Weißert vom Bund der Freien Waldorfschulen aus Stuttgart und Wim Kuiper von der Vrije School Den Haag. Ernst Weißerts Vorschlag:
Wir sollten eine Gruppe bilden von Sachverständigen aus allen Ländern, die mit dem Staat verhandeln müssen. Wir sollten regelmäßig zusammenkommen und die Sachlage besprechen, am liebsten im Haag.[58]
Heute erstellt die Internationale Konferenz der waldorfpädagogischen Bewegungen (Haager Kreis) aufgrund ihrer Beobachtungen und Beratungen eine Liste von gemeinschaftlich verabschiedeten Merkmalen vor, die eine [gute] Waldorfschule ausmachen[59] und macht diese auch öffentlich zugänglich.
Einleitend sprachen wir den in der Projektbeschreibung der Forschungsstelle erwähnten „rasanten Wandel der heutigen Lebensbedingungen eine Anpassung an diese Gegebenheiten“[60] an. Uns ist als im Unterricht und in der Lehrerbildung tätigen Lehrern nicht wirklich deutlich, was mit dem zitierten Ziel wirklich intendiert ist.
Sich den Anforderungen der Gegenwart zu stellen, hat verschiedene Facetten: ich kann „Up to date“ sein und mich auskennen, kann mich dabei einem mainstream und der herrschenden Mode anpassen, kann aber auch zögerlich zuwarten und dann einer Entwicklung hinterherlaufen, um ja nichts falsch zu machen. Wir folgen Rudolf Steiner mit seinem Anspruch an die Lehrer, stets Zeitgenossen zu sein.
In der 6. Klasse wurde in Stuttgart mit dem Handfertigkeitsunterricht begonnen. Dieser Tradition sind die späteren Werklehrer und ihre Schulen gefolgt und tun es vielleicht auch heute noch. Rudolf Steiner blieb nicht mehr viel Zeit bis zu seinem Tode 1925, um mit den Lehrern die einzelnen Fachgebiete und deren didaktische Intentionen auszugestalten. Er nutzte seine Vortragsreisen, um die neue Waldorfpädagogik bekannt zu machen, über die pädagogischen Grundlagen zu sprechen und die Entwicklung der Schule darzustellen. In freier Vortragsrede wurden dann solche Sätze, wie der unten zitierte[61] ausgesprochen. Ob er dies gleichermaßen an das Kollegium gegeben hat, oder gar abgesprochen hat, weiß man nicht. Notiert wurde in den Konferenzen jedenfalls nichts.
Die Sinnhaftigkeit einer strukturellen Veränderung wurde also in Oxford im August 1922 ausgesprochen. Wie lange das Manuskript der Stenografen in den Mappen blieb, ist ungewiss. Es dauerte jedenfalls recht eine Weile, bis die Vorträge veröffentlicht wurden.
Im Vorspann zu jedem veröffentlichten Band aus dem Vortragswerk Rudolf Steiners wird erklärt:
Die Grundlage der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft bilden die von Rudolf Steiner (1861-1925) geschriebenen und veröffentlichten Werke. Daneben hielt er in den Jahren 1900 bis 1924 zahlreiche Vorträge und Kurse, sowohl öffentlich wie auch für die Mitglieder der Theosophischen, später Anthroposophischen Gesellschaft. Er selbst wollte ursprünglich, dass seine durchwegs frei gehaltenen Vorträge nicht schriftlich festgehalten würden, da sie als «mündliche, nicht zum Druck bestimmte Mitteilungen» gedacht waren. Nachdem aber zunehmend unvollständige und fehlerhafte Hörernachschriften angefertigt und verbreitet wurden, sah er sich veranlasst, das Nachschreiben zu regeln. Mit dieser Aufgabe betraute er Marie Steiner-von Sivers. Ihr oblag die Bestimmung der Stenographierenden, die Verwaltung der Nachschriften und die für die Herausgabe notwendige Durchsicht der Texte. Da Rudolf Steiner aus Zeitmangel nur in ganz wenigen Fällen die Nachschriften selbst korrigieren konnte, muss gegenüber allen Vortragsveröffentlichungen sein Vorbehalt berücksichtigt werden: «Es wird eben nur hingenommen werden müssen, dass in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet.» Nach dem Tode von Marie Steiner (1867-1948) wurde gemäß ihren Richtlinien mit der Herausgabe einer Rudolf Steiner Gesamtausgabe begonnen. Der vorliegende Band bildet einen Bestandteil dieser Gesamtausgabe. Soweit erforderlich, finden sich nähere Angaben zu den Textunterlagen am Beginn der Hinweise.
Hätte Stockmeyer nicht auf diese Tatsache aufmerksam gemacht und diesen Hinweis veröffentlicht, würden wir wohl heute nichts darüber wissen.
Der „Stockmeyer-Lehrplan“ befindet sich noch im Umlauf, erwerben lässt er sich nur noch antiquarisch, was uns dazu veranlasst hat, ihn wieder zugänglich zu machen und gleichzeitig mit dafür zu sorgen, dass den jungen Lehrer:innen heute und ihren Impulsen der waldorfpädagogische Boden bereitet wird, auf dem ihre neuen und wohl zeitgemäßen Ansätze gedeihen und fruchten können.
Das machen also die Kinder zwischen dem 11. bis 15. Jahre, jetzt noch die älteren, aber wir werden es dann allmählich zurückzuführen haben in noch frühere Klassen, wo die Formen dann einfacher werden.[62]
Dieses Zitat ergänzt Karl Stockmeyer mit der Bemerkung: „Solche Sätze sollten immer wieder bedacht werden.“[63]
Es ist sicherlich interessant, dieser Frage im Detail nachzugehen und zu untersuchen, welche Werkstücke in welchen Klassen empfohlen werden zu machen und was es bedeutet, wenn dieselbe Arbeit ein oder zwei Jahre früher in Angriff genommen wird.
Am Beispiel eines handgeschnitzten Löffels hieße das, dass ein Kind etwa in einer 3./4. Klasse einen frischen Haselstecken verziert, an beiden Enden abrundet und da, wo der Löffel sein soll, eine leichte Höhlung hineinschnitzt. Zum Umrühren einer Suppe reicht das völlig aus, auch zum Probieren. In der 5. Klasse würde ein etwas breiterer Stecken halbiert und entrindet werden, die Löffelform und der Stiel angezeichnet und ausgeschnitzt, sowie die obere Löffelseite leicht ausgehöhlt. Möglicherweise wird auch schon die gewölbte Außenform des Löffels angelegt. Das wäre allerdings eine Arbeit für den Sechstklässler, bei der alles „küchenfeiner“ und genauer ausgearbeitet wird, auch unter Benutzung eines Hohlbeitels. Schon werden hygienische Aspekte bedeutsam, aber auch Sonderformen, wie Biegung und Kröpfung des Stiels, vielleicht auch ein angeschnitzter Aufhängehaken. Ein Siebtklässler würde dem Aspekt einer schönen Form folgen, die der Funktion dienlich ist. Die „Krönung“ wäre dann die paarweise identische Ausarbeitung eines Salatbestecks, quasi die Verlängerung von Händen und Unterarmen des Skeletts. Sonderformen wie Kellen, Schaufeln oder Scheffel sind alle denkbar und können je nach individuellem Bedarf auftragsgemäß ausgestaltet werden.
Rudolf Steiners Motivation kann aber auch einen ganz anderen Ursprung haben.
Die beste Art, die Schuljugend mit Handarbeit zu beschäftigen, ist die, die mit der primitiven Hauswirtschaft die Lebensnotwendigkeit gemein hat. Das kann nur eine Tätigkeit sein, die nicht von außen in die Schule hineingetragen wird, sondern die aus den Bedürfnissen der Schule selbst entspringt und so ihren Zweck und Wert dem Kind ohne weiteres begreiflich macht. Aufgaben für eine solche Tätigkeit ergeben sich ohne weiteres, wenn man … die Schule nicht als reine Unterrichtsanstalt ansieht, sondern zugleich als haushaltende Gemeinschaft. Auch die Schüler müssen sie so betrachten lernen. Es muss in ihnen der Gedanke lebendig werden, dass ihnen die Schule als kostbares Besitztum zur Erhaltung und Pflege mit anvertraut ist…. Diese Art Werkarbeit, die, weniger aus pädagogischer Einsicht heraus als durch die Not der Zeit erzwungen … immer mehr ausbreitet, scheint mir … der gegebene Ausgangspunkt für alle Art Werkunterricht zu sein. Jede Schule kann damit ohne weiteres beginnen, wenn nur ein Lehrer vorhanden ist, der entweder selbst in Handarbeiten geschickt ist oder es versteht, aus den Kreisen der Elternschaft Handwerker zu gewinnen, die bereit sind. … Auch die Beschaffung des nötigen Handwerkzeugs bietet keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, selbst dann nicht, wenn die Gemeinden zunächst völlig abgeneigt sind, auch nur einen Pfennig dafür zu bewilligen.[64]
In der Folge beschreibt der Autor dieser Zeilen, Ludwig Pallat, immerhin Oberregierungsrat und amtlicherseits auch für die Lehrerbildung zuständig, detailliert und ausführlich, wie die Ausbildung von Kindergärtnerinnen über Volksschullehrer bis zu den Vertretern der Wissenschaft in den höheren Schulen aussehen solle, damit sie Kindern aller Altersgruppen einen handwerklich geschickten und kompetenten Werkunterricht erteilen. Zudem sollen Handwerksmeister mit „natürlicher pädagogischer Begabung“ herangezogen werden.[65]
Es ist ausdrücklich die wirtschaftliche Not der Nachkriegsjahre, die den Anlass für diese angeordneten pädagogischen Maßnahmen gegeben hat. Man hoffte sehr, dass diese handwerklich praktische Ausprägung des Lehrerberufs auch dann Bestand haben könne, wenn es wirtschaftlich wieder aufwärts gehe.
Es ist durchaus denkbar, dass Rudolf Steiner auch von dieser schulverwaltungsmäßigen Konsequenz Kenntnis hatte, als er das Werken in jüngeren Klassen ins Spiel brachte.
Wenn Pallat auch betont, dass dieser Werkunterricht weniger „aus pädagogischer Einsicht“ als aus der Not der Zeit geboren wurde, werden doch Qualitäten angesprochen, die heute wieder einen hohen Stellenwert haben: Nachhaltigkeit, Ressourcenpflege, Wertschätzung allem gegenüber, für das man verantwortlich ist. Auch das sollen schon die Kleinen lernen, mit anderen Worten eine moralische Erziehung. Pädagogischer geht es kaum.[66]
Und darauf, dass alles, was erzogen und unterrichtet wird, an den ganzen Menschen herankommt, kann nun insbesondere Rücksicht genommen werden, wenn der Unterricht in der Art, wie ich es geschildert habe, aus dem Herzen der Lehrerkonferenzen heraus ein Ganzes ist. Das merkt man insbesondere dann, wenn man den Unterricht aus dem mehr Seelischen herüberlaufen lässt in das mehr völlig Physisch-Praktische des Lebens. Und auf dieses Hinüberlaufen in das Physisch-Praktische des Lebens, darauf ist der Waldorfschul-Unterricht in erster Linie angelegt. Und so wird hingearbeitet, dass immer mehr und mehr die Kinder ihre Hände gebrauchen lernen, wobei herausgearbeitet werden muss aus dem, was Händegebrauch im Spiel erst war bei dem ganz kleinen Kinde durch ein gewisses artistisch, künstlerisches Element hindurch, das aber aus dem Kinde selbst hervorgeholt werden soll. Das erreichen wir dadurch, dass wir die Kinder allerlei praktische Arbeiten machen lassen. Wir sind es jetzt nur in der Lage vom 6. Schuljahr ab; manche von diesen Dingen gehören in ein früheres Alter, aber - ich habe es schon erwähnt - wir mussten eben Kompromisse schließen, das Ideal wird man erst später erreichen können, dann wird das, was jetzt ein elf- oder zwölfjähriges Kind macht, auch ein neunjähriges Kind machen können auch in Bezug auf praktische Arbeiten. Aber diese praktischen Arbeiten tragen den Charakter des freien Arbeitens und des Hineintragens ins Künstlerische. Das Kind soll aus dem Willen heraus arbeiten, nicht aus irgendetwas, was ihm vorgeschrieben ist. So führen wir in einer Art von Handfertigkeitsunterricht das Kind hinein, allerlei Gegenstände zu schnitzen, allerlei Gegenstände zu verfertigen, die es aus seiner Idee heraus verarbeitet.“[67]
Bei der Werklehrertagung 2021 in Karlsruhe, bei der es inhaltlich um die unteren Klassen ging, bildete sich eine Arbeitsgruppe zum Thema „Werken in der ersten Klasse?“. Ihr Ergebnisprotokoll ist nur über www.werklehrertagung.eu im internen Bereich verfügbar und soll deshalb hier in vollem Umfang wiedergegeben werden.
Die Frage, warum in der Unterstufe der Waldorfschulen üblicherweise gar kein regulärer Werkunterricht stattfindet, ist menschenkundlich wohl nicht zu begründen, zumal doch Handarbeit ab der ersten Klasse absolut selbstverständlich erteilt wird. Lag es an einem Mangel an Werklehrern vor etwas mehr als 100 Jahren, oder an einer Lebensrealität, in der körperliche Arbeit und Aktivitäten selbstverständlich waren? Die Notwendigkeit eines zusätzlichen handwerklichen Tuns war wohl nicht so offensichtlich wie heute. Bei all den Bequemlichkeiten des Lebensalltags in heutiger Zeit sowie den virtuellen Angeboten und Einflüssen, die die Entwicklung der Kinder maßgeblich prägen, ist es evident, dass diese immer weniger geerdet sind und auch nur schwer Inkarnieren. Umso notwendiger erscheint es, ins handwerkliche Tun zu kommen. Im ersten Lebensjahrsiebt wurden die Ätherkräfte genutzt, die Organe auszubilden. Diese werden nun frei. Im zweiten Lebensjahrsiebt können die Nachahmungskräfte daher genutzt werden, um die Phantasie- und Willenskräfte zu stärken. Durch das Arbeiten mit den Händen, besonders mit Elementaren Werkstoffen (Holz, Ton, Erde, Steine, Wasser…) wird den Kindern geholfen, den Leib zu ergreifen. Es ist ja die Aufgabe der Waldorfpädagogik, das geistig- seelische mit dem physisch-leiblichen zu verbinden. Diese Willenserziehung bildet auch die Lernfähigkeit mit aus, die die Kinder auch in den oberen Klassen besonders brauchen.
Wie könnte ein Werkunterricht also in der Unterstufe gestaltet werden? Schon im Kindergarten haben die Kinder kleine handwerkliche Arbeiten angefertigt. Bei den Schulkindern rückt die Sinnhaftigkeit des Spiels oder der Tätigkeit mehr in den Vordergrund. Sowohl mit in der Natur gefundenen Materialien als auch mit anderen üblichen Werkstoffen können die Kinder kleine sinnvolle Gegenstände fertigen. Thematisch kann man sich an den Klassenlehrerepochen orientieren, an den Jahreszeiten und an den Jahresfesten. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Auch erstes plastisches Gestalten in Holz und Ton kann gemacht werden und die sensitive Grundlage für ein späteres künstlerisches Arbeiten im Werkunterricht legen.
Manche Schulen gehen auf die oben angeführten Bedürfnisse heutiger Kinder bereits auf vielfältige Art und Weise ein, zum Beispiel mit Waldstunden oder handlungspädagogischen Gewohnheiten. Diese Aufgaben ruhen auf den Schultern der Klassenlehrer, die durch eine Zusammenarbeit mit den Werklehrern hier eine Unterstützung und deutliche Entlastung erfahren könnten. In regelmäßigen Werkeinheiten im Hauptunterricht, Werkstunden im Stundenplan oder in Vertretungssituationen kann Werkunterricht stattfinden. Die Themen des Hauptunterrichtes können durch sinnliche und praktische Erfahrungen so schon ab der ersten Klasse sinnvoll vertieft und ergänzt werden.
Sollte es an einer Schule tatsächlich nicht möglich sein, auf die oben genannten Bedürfnisse der Kinder in der ersten und zweiten Klassen einzugehen, erscheint ein Werkunterricht spätestens nach den Sachkundeepochen der dritten Klasse (Handwerk, Hausbau..) unverzichtbar. Die Kinder sind in diesem Alter und nach diesen Erfahrungen begierig, dort anzuknüpfen. Durch das tätige Werken werden die Kinder in idealer Weise auf den Rubikon vorbereitet. Die pubertäre Schwere der Mittelstufe wird leichter überwunden, wenn die Kinder bereits auf zuvor angelegte Fähigkeiten zurückgreifen können.“[68]
Es war unser Impuls während der Coronapandemie und den verfügten Schulschließungen, verbunden mit der Verpflichtung zum onlinegestützten Distanzunterricht ein Online-Coaching im Talkformat auf YouTube anzubieten.[69] Unser Ziel war es, auf Inhalte des Werkunterrichts verschiedener Klassenstufen und deren menschenkundlich begründeter Relevanz einzugehen.
Mittlerweile sind alle Formen von Präsenzarbeit wieder möglich. Dankenswerterweise ist das kompendiumartige Werk von Helmut Hinrichsen erschienen, das vielen jungen Werklehrer:innen Unterstützung und Orientierung auf dem weiten Feld der Werkstückvielfalt anbietet.
Christian Böttger ermuntert in seinem Nachwort[70] alle tätigen Handwerkslehrer:innen die Vielfalt der Möglichkeiten noch zu steigern, Werkstücke mit ihren Schüler:innen zu „erfinden“ und praktisch zu erforschen, um sie dann anderen Kolleg:innen zur Verfügung zu stellen.
In NRW hat sich nach dem Vorbild aus Schleswig-Holstein ein Regionaltreffen von Werklehrerinnen und Werklehrern gebildet, kurz „WerklehrerWest“, in dem man sich zwei Mal im Jahr wieder „live“ begegnen und in einen persönlichen Austausch kommen kann.
Zusätzlich reifte im Rahmen und neben dieser Arbeit die Idee zu einem interaktiven Wiki[71]. Mittlerweile steht diese Plattform online. Sie kann mit der Zeit der Ort für weiter- und tiefergehende menschenkundliche Betrachtungen und aktuelle Ideenschilderungen werden und sein.
In diesem Kapitel sollen weiterführende Abschnitte aus den Konferenzen, dem Vortragswerk und einzelnen Schriften zitiert werden, die sich auf den Werkunterricht und die die Entwicklung des Kindes und Jugendlichen beziehen.
Dr. Steiner: Sie müssen sich bei der Wahl der Arbeiten anpassen an die Bedürfnisse. Es gibt nicht die Möglichkeit, auf alles ein gewisses künstlerisches Tun anzuwenden. Man sollte das Entwickeln des Künstlerischen nicht versäumen, den künstlerischen Sinn nicht verdorren lassen. Aber Sie können nicht viel mit dem künstlerischen Sinn anfangen, wenn die Kinder einen Strumpf stricken sollen. Wenn ein Kind einen Strumpf gestrickt hat, kann man immer unterbrechen und irgendeine Niedlichkeit dazwischen machen lassen. Wir wollen in die Zusammenkunft am Abend soziale Pikanterien hineinbringen, wollen ganz kleine geschmackvolle Bändchen machen lassen mit etwas Anhänglichem aus Papier. Ja nicht ins Fröbeln kommen! Dinge, die man (ge)brauchen kann, die im Leben eine Bedeutung haben, die kann man geschmackvoll künstlerisch machen. Keine Konzessionen! Nicht Dinge machen lassen, die nur Finessen oder Koketterien entspringen. - Nicht für vieles wird man Papier anwenden können. Ich hoffe auch noch hineinzugehen.
Frage: Ein Schüler möchte wegen seines Musikunterrichtes nicht teilnehmen am Handfertigkeitsunterricht.[72]
Es kommt nicht darauf an in diesem Lebensalter, dass man von Stufe zu Stufe dem Kinde diese oder jene Kenntnisse beibringt, sondern es kommt darauf an, dass man im entscheidenden Lebenspunkte es wirklich erleben lässt - dass man es gewisse, wenn ich so sagen darf, Berge des Menschenlebens, die eben im kindlichen Lebensalter liegen, wirklich übersteigen lässt. Das wirkt auf das ganze spätere Leben nach.[73]
Gerade in diesem Lebensalter zwischen dem 9. und 12. Jahr, da ist das Kind empfänglich für alles das, was ihm nun von außen her als Bild entgegengebracht wird. Bis zum 9. Jahre ungefähr will es mittun an dem Bild; da lässt es die Bilder nicht an sich herankommen. Da muss man immer so lebendig neben dem Kinde arbeiten, dass eigentlich das, was der Lehrer macht und das Kind macht, zusammen schon ein Bild ist. Das Arbeiten selber muss schon ein Bild sein. Es kommt nicht darauf an, ob man da Bilder bearbeitet oder etwas anderes, die Arbeit selbst, der Unterricht muss ein Bild sein. So zwischen dem 9. und 10. Jahr tritt dann das auf, dass das Kind für die äußere Bildlichkeit einen besonderen Sinn hat. Die kann man jetzt heranbringen, und das gibt eben die Möglichkeit, in der richtigen Weise die Pflanzen- und Tierwelt an das Kind heranzubringen, insofern darinnen die Bildlichkeit lebt. Bildliches muss man heranbringen gerade in der Pflanzen- und Tierwelt. Und je mehr man imstande ist, bildlich darzustellen dasjenige, was in unseren botanischen Lehrbüchern bis zur dritten Potenz der Unbildlichkeit dargestellt wird, ein desto besserer Lehrer ist man gerade für die Kinder zwischen dem 9. und 12. Jahr. Alles ins Bild hereinbringen, das ist ja auch das, was so unendliche innere Befriedigung geben kann. Denn wenn man die Pflanzenwelt in ihren Formen in die Bilder hereinbringt, so muss man mitschöpferisch sein.[74]
Den Kausalitätsbegriff hat das Kind bis gegen das 12. Jahr hin überhaupt nicht. Es sieht dasjenige, was beweglich ist, was bewegliche Vorstellungen sind. Was als Bildhaftes, Musikalisches da ist, das schaut es, nimmt es wahr, aber es hat für den Kausalbegriff bis gegen das 12. Jahr hin keinen Sinn. Daher müssen wir dasjenige, was wir dem Kinde beibringen bis gegen das 12. Jahr hin, rein sein lassen vom Kausalitätsbegriff. Da erst können wir darauf rechnen, dass das Kind die gemeiniglichen Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen ins Auge fassen kann. Von da an fängt das Kind eigentlich erst an, sich Gedanken zu machen; bis dahin hat es Bildvorstellungen. Da leuchtet nämlich schon voran dasjenige, was dann mit der Geschlechtsreife vollständig auftritt: das gedankliche, das urteilende Leben, das an das Denken im engeren Sinne geknüpft ist - während das Leben zwischen dem Zahnwechsel und der Geschlechtsreife an das Fühlen geknüpft ist und das Leben vor dem Zahnwechsel an den innerlich sich entfaltenden Willen, der für dieses Lebensalter nicht unter Gedanken steht, sondern unter Nachahmung des dem Kinde körperhaft Entgegentretenden. Aber mit dem körperhaft dem Kinde Entgegentretenden setzt sich auch das Moralische, das Geistige beim Kinde fest im Körperhaften. Daher ist es auch unmöglich, im 10. bis 11. Lebensjahr, meistens sogar noch im 11. bis 12. Lebensjahr, dem Kinde etwas beizubringen, wo man auf Kausalität sehen muss.[75]
Bis zur Geschlechtsreife soll sich der junge Mensch durch das Gedächtnis die Schätze aneignen, über welche die Menschheit gedacht hat, nachher ist die Zeit, mit Begriffen zu durchdringen, was er vorher gut dem Gedächtnis eingeprägt hat. Der Mensch soll sich also nicht etwa bloß merken, was er begriffen hat, sondern er soll begreifen die Dinge, die er weiß, das heißt wovon er gedächtnismäßig so Besitz genommen hat, wie das Kind von der Sprache. In einem weiten Umfange gilt das. Zuerst rein gedächtnismäßiges Aneignen geschichtlicher Ereignisse, dann Erfassen derselben in Begriffen. Zuerst gutes gedächtnismäßiges Einprägen geographischer Dinge, dann Begreifen des Zusammenhanges derselben usw. In gewisser Beziehung sollte alles Erfassen in Begriffen aus dem aufgespeicherten Gedächtnisschatze genommen werden. Je mehr der junge Mensch schon gedächtnismäßig weiß, bevor es ans begriffliche Erfassen geht, desto besser...[76]
Wenn wir die drei Grundsätze festhalten: Begriffe belasten das Gedächtnis; Anschaulich-Künstlerisches bildet das Gedächtnis; Willensanstrengung, Willensbetätigung befestigt das Gedächtnis -, dann haben wir die drei goldenen Regeln für die Gedächtnisentwickelung.[77]
Auch das, was das Kind zuerst im Sinnlichen träumend aufgenommen hat von den Taten der Umgebung, wird merkwürdigerweise in diesem zweiten Lebensalter vom Zahnwechsel bis zu der Geschlechtsreife in Bilder verwandelt. Das Kind fängt an, möchte man sagen, zu träumen von dem, was seine Umgebung tut, während es in der ersten Lebensperiode das ganz nüchtern aufgefasst hat, in seiner Art nüchtern, indem es innerlich es nachahmt. Jetzt fängt es an zu träumen von demjenigen, was die Umgebung tut.[78]
Es kommt nicht darauf an in diesem Lebensalter, dass man von Stufe zu Stufe dem Kinde diese oder jene Kenntnisse beibringt, sondern es kommt darauf an, dass man im entscheidenden Lebenspunkte es wirklich erleben lässt - dass man es gewisse, wenn ich so sagen darf, Berge des Menschenlebens, die eben im kindlichen Lebensalter liegen, wirklich übersteigen lässt. Das wirkt auf das ganze spätere Leben nach.[79]
Dasjenige, was nach dem Kopfsystem beim Kinde von dem Zahnwechsel bis zur Geschlechtsreife ganz besonders sich entwickelt, das ist das rhythmische System, in der Hauptsache Atmungssystem, Blutzirkulationssystem mit allem, was zum regelmäßigen Rhythmus der Ernährung gehört. Und während man das Plastisch-Anschauliche seelisch beim Kinde vor sich hat, hat man das rhythmische System als Lehrender und Unterrichtender in der Schule unmittelbar noch organisch-körperlich vor sich. Das heißt, man muss in dem, was man mit dem Kinde unternimmt, was das Kind tun soll, das Bildhafte vorherrschen lassen. Und in alledem, was zwischen dem Lehrer und dem Kinde sich abspielt, muss Musikalisches herrschen, muss Rhythmus, Takt, sogar Melodik pädagogisches Prinzip werden. Das erfordert, dass der Lehrer in sich selber eine Art Musikalisches hat, in seinem ganzen Leben ein Musikalisches hat. Das rhythmische System also ist es, das im Kinde im schulpflichtigen Alter organisch vorhanden ist, organisch prädominiert, und es handelt sich darum, dass der ganze Unterricht in rhythmischer Weise orientiert wird, dass der Lehrer selber in sich ein, man möchte sagen, musikalisch angelegter Mensch ist, so dass wirklich im Schulzimmer Rhythmus, Takt herrscht. Das ist etwas, was allerdings in einer gewissen Weise instinktiv in dem Unterrichtenden, in dem Lehrenden leben muss.[80]
Wenn das Kind geschlechtsreif geworden ist, das fünfzehnte, sechzehnte Jahr erreicht hat, dann vollzieht sich ja in seinem Inneren jener Umschwung, durch den es von der Hinneigung zum Autoritativen zu seinem Freiheitsgefühl kommt und mit dem Freiheitsgefühl zu seiner Urteilsreife, zu seiner eigenen Einsicht. Da kommt etwas, was in der allerintensivsten Weise für Erziehung und Unterricht berücksichtigt werden muss. Wenn wir bis zur Geschlechtsreife Gefühle erweckt haben für das Gute und Böse, für das Göttliche und Nichtgöttliche, dann kommt das Kind nach der Geschlechtsreife dazu, aus seinem Inneren aufsteigend diese Gefühle zu haben. Sein Verstand, sein Intellekt, seine Einsicht, seine Urteilskraft sind nicht beeinflusst, sondern es kann jetzt frei aus sich heraus urteilen.
Bringen wir dem Kinde von vornherein ein Gebot bei, sagen wir ihm: Du sollst dies tun, das andere lassen -, dann nimmt es dieses Gebot mit ins spätere Alter, und man hat es dann fortwährend zu tun mit dem Urteil: Man darf dies tun, man darf jenes nicht tun. - Es entwickelt sich alles nach dem Konventionellen. Aber der Mensch soll heute nicht mehr im Konventionellen in der Erziehung drinnenstehen, sondern auch über das Moralische, über das Religiöse sein eigenes Urteil haben. Das entwickelt sich auf naturgemäße Weise, wenn wir es nicht zu früh engagieren.
Wir entlassen den Menschen mit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahre ins Leben hinaus. Wir stellen ihn dann uns gleich. Er blickt dann zurück auf unsere Autorität, behalt uns lieb, wenn wir rechte Lehrer, Erzieher waren; aber er geht zu seinem eigenen Urteil über. Das haben wir nicht gefangen genommen, wenn wir bloß auf das Gefühl gewirkt haben. Und so geben wir dann das Seelisch-Geistige mit dem vierzehnten, fünfzehnten Jahre frei, rechnen damit auch in den sogenannten höheren Klassen, rechnen von da ab mit den Schülern und Schülerinnen so, dass wir an ihre eigene Urteilskraft und Einsicht appellieren. Dieses Entlassen in Freiheit in das Leben, das kann man niemals erreichen, wenn man dogmatisch, gebotsmäßig Moralisches und Religiöses beibringen will, sondern wenn man im entsprechenden Alter zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife bloß auf Gefühl und Empfindung wirkt. Das ist das einzige, dass man den Menschen so in die Welt stellt, dass er dann auf seine Urteilskraft vertrauen kann.
Und dann erreicht man, dass der Mensch wirklich, weil er so im ganz menschlichen Sinne erzogen worden ist, sich auch als ganzer Mensch fühlen und empfinden lernt. …
Kommt man mit dem Ideeninhalt vor dem zwölften, vor dem vierzehnten Lebensjahre, dann erzieht man Skeptiker, dann erzieht man solche Menschen, die später, statt der gesunden Einsicht gegenüber den anerzogenen Dogmen, Skepsis, zunächst die Skepsis des Gedankens - die macht noch das allerwenigste -, dann aber die Skepsis des Gefühls entwickeln, dadurch wird man ein schlecht fühlender Mensch. Und zuletzt die Skepsis des Willens, dadurch irrt man wirklich moralisch ab. Es handelt sich also darum, dass wir unsere Kinder nicht zur Skepsis erziehen dadurch, dass wir zu früh in sie dogmatisch Ideale, das Moralisch-Religiöse hineinbringen, sondern dass wir das Moralisch-Religiöse nur in ihr Gefühl hineingießen. Dann werden die Kinder im rechten Lebensalter erweckt zur eigenen freien Religiosität und Sittlichkeit. Die haben sie dann. Und sie fühlen, dass diese sie erst zum ganzen Menschen macht. Und so ist dieses Hinschauen auf den freien Menschen, auf den Menschen, der weiß, sich seine Richtung im Leben selber zu geben, dasjenige, was wir in der Waldorfschule vor allen Dingen erstreben.[81]
…darauf kommt es an, dass, wer überhaupt in sich die Möglichkeit entwickelt, umgekehrt gegenüber unserem heutigen materialistischen Denken sich die Sache vorzustellen, wer diese Möglichkeit in sich entwickelt, so seinen Geist zu konfigurieren, der macht sich in einer andern Weise lebendig gegenüber dem werdenden Kinde und auch gegenüber einer ganzen Summe, einer ganzen Zahl von werdenden Kindern, und gerade dadurch auch gelangt man dazu, den Lehrplan aus der Natur des sich entwickelnden Kindes abzulesen.
Ich war ja allerdings in Stuttgart genötigt, da man ja natürlich nicht bloß aus reiner Pädagogik und Didaktik heraus so etwas wie eine Schule entwickeln kann innerhalb unserer heutigen sozialen Verhältnisse, in einer gewissen Weise einen Kompromiss zu schließen. Ich sagte: Sie haben die drei folgenden Etappen zu berücksichtigen: Völlige Freiheit in Bezug auf die Durchführung des Lehrplanes durch das erste, zweite, dritte Schuljahr. Dann wollen wir die Kinder so weit bringen, dass sie die gleichen Lehrziele haben wie die Kinder äußerer Schulen. Dann wiederum nach dem zwölften Jahre, also der 6. Volksschulklasse, und dann wiederum, wenn sie abgehen aus der Schule. So dass bisher nur erreicht werden konnte, den Lehrplan, der nun einfach abgelesen ist dem Naturgesetze, in diesen Zwischenetappen durchzuführen, also in den drei ersten, in den zweiten drei Schuljahren und in der dritten Etappe, den zwei letzten Schuljahren. Das sind eben Dinge, die natürlich als Kompromisse mit den heutigen sozialen Verhältnissen geschlossen werden müssen. Aber innerhalb dieser Zwischenräume lässt sich immerhin schon einiges erreichen.
Sehen Sie, da handelt es sich darum, dass man erst sich einen deutlichen Begriff von dem verschafft, was eigentlich der ganze Mensch ist. Heute haben die Leute die Meinung, dass man denken lernt, indem man den werdenden Menschen logisch anleitet zum Denken, weil man nicht beobachten kann, wie das Denken in der menschlichen Natur drinnen figuriert.
Ich muss gestehen und darf es gestehen, ich habe die sechs Jahrzehnte meines bisherigen Lebens immer dazu verwendet, Menschenbeobachtung nach dieser Richtung hin zu treiben. Wer den werdenden Menschen beobachten kann, wer vergleichen kann den werdenden Menschen mit dem, was Mensch geworden ist, der sieht gewisse Zusammenhänge, die über die Lebensepochen des Menschen verbreitet sind, die sich, wenn man nicht den Blick dafür geschult hat, der Beobachtung eben entziehen.
Ich möchte etwas anführen, auf das ich gern hinweise, weil es in einer gewissen fast sprichwörtlichen Weise hindeutet auf gewisse Zusammenhänge in der menschlichen Natur. Beobachtet man Kinder und sieht man, wie sie dadurch, dass die Umgebung in der richtigen Weise sich zu ihnen verhält, in einer berechtigten Weise den Erziehern oder überhaupt denjenigen Personen, denen gegenüber das berechtigt ist, ein Ergebenheitsgefühl entwickeln können, und verfolgt dann weiter, was aus diesen Kindern im späteren Leben wird, dann findet man, dass sich dieses Ergebenheitsgefühl immer mehr und mehr so verwandelt, dass aus diesen Kindern solche Menschen werden, die für ihre Mitmenschen einfach dadurch, dass sie da sind, dass sie zu ihnen sprechen, manchmal schon dadurch, dass sie überhaupt ihnen nur in irgendeiner Lebenslage einen Blick zuwerfen, zur Wohltat werden. Sie werden zur Wohltat aus dem Grunde, weil man dadurch, dass man verehren, oder, wenn ich sagen darf, dass man beten lernt, für spätere Zeit das Segnen lernt, dass man die segnende Kraft wirklich bekommt. Keine Hand kann segnen im späteren Alter, die nicht in der Kindheit verehren, beten, bitten gelernt hat. Es verwandeln sich eben metamorphosisch die Eigenschaften des Kindesalters im späteren Lebensalter in einer ganz gesetzmäßigen Weise.
… Je weniger man den Intellekt dressiert, je mehr man darauf ausgeht, den ganzen Menschen zu behandeln so, dass aus den Gliederbewegungen, aus der Geschicklichkeit der Intellekt wird - und er wird -, desto besser ist es. Man wird wahrscheinlich zunächst etwas paradox berührt sein, wenn man bei uns in der Waldorfschule in Stuttgart in den Handfertigkeitsunterricht kommt und da sieht, wie Knaben und Mädchen durcheinandersitzend stricken und häkeln und alle, nicht nur »weibliche« Handarbeiten machen, denn da sind es auch »männliche« Handarbeiten. Und warum dieses?
Der Erfolg zeigt sich ja daran, dass die Knaben, wenn sie nicht künstlich davon abgehalten werden, ganz dieselbe Freude haben an diesen Arbeiten wie die Mädchen. Aber warum dieses? Wenn man weiß, dass unser Intellekt nicht dadurch gebildet wird, dass wir direkt losgehen auf die intellektuelle Bildung, wenn man weiß, dass jemand, der ungeschickt die Finger bewegt, einen ungeschickten Intellekt hat, wenig biegsame Ideen und Gedanken hat, während derjenige, der seine Finger ordentlich zu bewegen weiß, auch biegsame Gedanken und Ideen hat, hineingehen kann in die Wesenheit der Dinge, dann wird man nicht unterschätzen, was es heißt, den äußeren Menschen mit dem Ziel zu entwickeln, dass aus der ganzen Handhabung des äußeren Menschen der Intellekt als ein Stück hervorgeht.
… Es handelt sich mir nicht darum, dass ich Ihnen theoretisch aus irgendeinem Grunde habe mitteilen wollen, man könne jede seelischgeistige Kraft des Menschen so verfolgen, dass man sie in ihrem Zusammenhange mit dem Leiblichen sieht, sondern darauf kommt es an, dass es einem gar keine Ruhe lässt, wenn man einmal begriffen hat, dass der Mensch in dieser Weise eine Einheit ist, bis man es in jedem einzelnen Falle wirklich erschaut. Man schult sich durch diese Beobachtungsweise erst, zu beobachten, wie die Menschen anders werden, dadurch, dass man sie in entsprechender Weise entwickelt. Es darf ja vielleicht verraten werden, dass man sich sogar eine gewisse Beobachtungsgabe dafür aneignen kann, wie ein Mensch noch zuhört, wenn er alt geworden ist. Man kann ganz gut einfach an der Physiognomie ablesen, ob der ganze Mensch zuhört, das heißt, dasjenige aufnimmt, was er hört, mit Vorstellen, Fühlen und Wollen, oder ob er bloß mit dem Vorstellen oder bloß mit dem Vorstellen und Fühlen durchdrungen zuhört, oder ob er als Choleriker es vielleicht auf seinen Willen wirken lässt.
Es ist für den Pädagogen unter allen Umständen ganz besonders gut, wenn er auch für das Leben überhaupt sich solche Beobachtungsgabe anerzieht; denn alles das, was wir überhaupt im Leben uns aneignen, hilft uns, wenn es sich darum handelt, Kinder weiter zu bringen.
Wenn man, wie ich bei der Waldorfschule, sehen kann, wie der Lehrer seiner Individualität entsprechend wirkt, so bemerkt man, wie jede Klasse zusammen mit dem Lehrer ein Ganzes wird, was etwas anderes ist als die Summe der Kinder oder Lehrer und Kinder, und aus diesem Ganzen geht dann dasjenige hervor, was Entwickelung der Kinder ist. Das kann bei dem einzelnen Lehrer wieder in der allerverschiedensten Weise sein und gleich gut sein. Man braucht durchaus nicht zu glauben, dass diese Dinge eindeutig sind, die ich hier vorbringe. Sie sind nicht eindeutig. Sie sind so, dass sie sich durchaus individualisieren lassen, und man kann sagen: Einer, der neunjährige Knaben und Mädchen unterrichtet, kann sie in einer gewissen Weise gut unterrichten. Ein anderer, der ganz anders unterrichtet, unterrichtet sie auch gut; denn da tritt auch eine vollständige Individualisierung ein. So meine ich, dass es möglich ist, wirklich für die einzelnen Lebensjahre des Volksschülers aus der Natur des Menschen Lehrplan und Lehrziele herauszufinden. Daher ist ein so großer Wert darauf zu legen, dass der Pädagoge selber Herr in der Schule ist[82]
Das sind die Dinge, die bei dem Lehrer ganz besonders notwendig sind: sich zuweilen zu überlegen, was er eigentlich tut. Und es ist das nun durchaus nicht ein niederdrückendes Gefühl; denn der Lehrer, der viel mit Lesen zu tun hat, wird dadurch zum Gefühl kommen, dass er eigentlich fortwährend etwas verkörpert, dass er an der menschlichen Körperlichkeit arbeitet und damit Menschen stark oder schwach auch in Bezug auf die Physis in die Welt setzt. Der Handarbeits- oder Handfertigkeitslehrer wird sich sagen können, er arbeitet ganz besonders am Geiste. Wenn wir in der richtigen Weise mit dem Kinde stricken und Dinge machen, die Sinn haben, oder durch Handfertigkeitsunterricht Dinge machen, die Sinn haben, dann arbeiten wir wirklich oftmals mehr am Geiste, als wenn wir den Kindern das beibringen, was man für das Geistige hält. Nach dieser Richtung kann man ja ganz besonders viel tun.[83]
Wenn Sie empfinden, dass das auch ein Gefühlserlebnis sein soll, was wir an den Ausgangspunkt unseres Jahresanfanges stellen, dann werden Sie eine Absicht, die mit diesen Betrachtungen verbunden ist, empfinden, und deshalb möchte ich etwas wie eine kurze Meditationsformel an den Schluss dieser Betrachtungen hinsetzen. Diese Meditationsformel soll lauten:
Wir wollen arbeiten, indem wir einfließen lassen in unsere Arbeit dasjenige, was aus der geistigen Welt heraus auf seelisch-geistige Weise und auch auf leiblich-physische Weise in uns Mensch werden will.[84]
Nun, tatsächlich ist ja die Sache so, dass man es sich viel schwerer vorstellt, als es eigentlich ist. Denn, hat man einmal sich ein Vierteljahr in eine solche Richtung gebracht, dann hat man selber das Bedürfnis, sich in eine solche Richtung zu bringen. Nur - die Geschichte hat einen Haken. Mit großer Lust beginnt man so etwas. Man sagt sich: Ich will das jetzt machen, ich will tatsächlich bildhaft gestalten, den Unterricht bildhaft gestalten, morgen fange ich an. - Nun geht es acht Tage, nachher wird man aber lässig; und das ist der Haken, den die Sache hat. Es ist notwendig, dass man ein Vierteljahr durchhält, dann hält man länger durch. Acht Tage machen es nicht, aber ein Vierteljahr macht etwas aus, wenn man sich ernsthaft daran hält, sich zu trainieren durch ein Vierteljahr. Und nun möchte ich Ihnen heute, meine lieben Freunde, nicht die eine oder andere Regel gegeben haben für das eine oder andere im Unterricht. Wir werden ja vielleicht bei künftigen Zusammenkünften immer pädagogische Vorträge veranstalten, so dass wir immer weiter vorwärts kommen. Aber ich hätte Ihnen heute gerne geben wollen so etwas, was dazu führt, dass Sie selbst meditativ sich in eine pädagogische und pädagogisierende Stimmung hineinbringen. Ich hätte gerne manchmal, dass da oder dort ein Arm sich anders bewegen würde in einer Klasse, damit er ein anderes Bild vor den Schülern entwickeln würde. Ich hätte gerne, dass manches Mal die Stoßigkeit zum Beispiel, die immer unbildmäßig ist, nicht zu den Vornahmen im Klassenzimmer gehört. Ich hätte manches Mal gerne, dass dieses oder jenes nicht ganz graziöse Tafelabwischen durch ein graziöseres ersetzt würde. Das alles ergibt sich ganz von selber. Aus dem Unkünstlerischen ins Künstlerische wird es hineingearbeitet, wenn der allgemeine Sinn dafür da ist, und der allgemeine Sinn ist eigentlich viel wichtiger als die einzelne dogmatische Regel für den Pädagogen. Ich möchte gerne, dass Sie heute dieses aufgenommen haben, was Sie auf die Wichtigkeit des Herzschlages, mit dem man bei der Pädagogik ist, das Sie auf diese Wichtigkeit des Herzschlages aufmerksam macht.[85]
Blutleere im Gehirn kann niemand bekommen, der in dieser Weise, wie ich es schildere, übergeht zum Wirklichkeitsgemäßen. Das ist etwas, was uns innerlich belebt, und das müssen wir vor allen Dingen als Lehrer und Erzieher haben. Wir müssen zum unmittelbaren Leben übergehen, und es muss alles in uns innerlich uns tragen, stützen, eben wirklich beleben, was wir erst in die Schule hineintragen wollen. Daher kann eigentlich kein wirklicher Unterricht langweilig werden. Ich möchte wirklich wissen, woher er langweilig werden sollte; da müsste dem Kinde Essen und Trinken auch langweilig werden. Das ist meistens nicht der Fall. Dazu muss das Kind krank sein. Wenn ein Unterricht langweilig ist, muss er krank sein, und eigentlich müssten wir uns in jedem Falle fragen, wenn wir es nicht mit einem psychopathischen Kind zu tun haben: Was haben wir eigentlich nicht in uns, wenn der Unterricht das Kind langweilt? Auf diese Dinge kommt es an, und deshalb sollten wir eigentlich uns bewusst werden, dass wir keine Gelegenheit vorübergehen lassen sollen, uns geistig, seelisch, innerlich zu beleben, sonst können wir nicht unterrichten.[86]
Denken Sie, wie oft ich gesagt habe, derjenige verkennt die ganze menschliche Entwickelung, der nur immer trivialen Anschauungsunterricht treiben will und dem Kinde nichts weiter beibringen will, als was es schon versteht; denn er sieht nicht ein, dass manches, was man einem Kinde im 8., 9. Lebensjahr beibringt, nur angenommen wird von dem Kind, wenn sich das Kind einem geliebten Lehrer gegenübersieht, auf eine selbstverständliche Autorität hin, weil der Lehrer dem Kind repräsentieren soll die ganze Welt von Wahrheit, Schönheit und Güte. Was der Lehrer für schön hält, soll dem Schüler schön sein, was der Lehrer für gut hält, soll den Schülern gut sein, was der Lehrer für wahr hält, soll dem Schüler wahr sein. Auf diese selbstverständliche Autorität zwischen dem Lebensalter vom Zahnwechsel und der Geschlechtsreife muss alles aufgebaut sein. Was man unter dem Impuls der selbstverständlichen Autorität aufnimmt, hat man nicht immer verstanden, sondern hat es aufgenommen, weil man den Lehrer liebt. Im späteren Alter, zum Beispiel im 35. Lebensjahr, kommt es dann herauf und bedeutet eine wesentliche Belebung des ganzen inneren Seins des Menschen. Derjenige, der sagt, man muss einem Kinde bloß triviale Anschauungsbilder beibringen, der sieht nicht hinein in die menschliche Natur, der weiß nicht, was es für eine vitale Kraft enthält, wenn der Mensch so etwas im 35. Jahr heraufholen kann, was er einst auf die Liebe zum Lehrer hin aufgenommen hat. [87]
Und es ist im Handarbeitsunterricht eine große Freude für einen, wenn die Knaben und Mädchen zusammen stricken, häkeln und andere ähnliche Arbeiten machen. Man kann durchaus aus der Schulpraxis heraus die Versicherung geben, obgleich der Knabe etwas anderes hat von dem Stricken als das Mädchen, dass dennoch der Knabe auch viel hat davon, und dass er es vor allen Dingen mit großer Freude tut. Es ist dieses Zusammenarbeiten für die Gesamtentwickelung eines Menschen, wie sich bisher gezeigt hat - ich werde auch das in den Einzelheiten noch besprechen -, von einem ganz besonderen Vorteile. In dem Handfertigkeitsunterricht müssen dann wiederum die Mädchen genau dasselbe mitmachen, was die Knaben machen, schwerere Arbeiten, so dass überall auf die Geschicklichkeit, auf das Geschickt Werden des Menschen hingesehen werden kann.[88]
Bedenken Sie nur, wieviel unserer ganzen Zivilisation nach dieser Richtung hin eigentlich fehlt. Fragen Sie sich einmal, ob es nicht zahlreiche Menschen gibt, die sich heute des Telefons, des Tramway bedienen, ja man kann sogar sagen, des Dampfschiffes bedienen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was da eigentlich geschieht im Dampfschiff, im Telefon und in der Fortbewegung des Tramwaywagens. Der Mensch ist ja innerhalb unserer Zivilisation ganz umgeben von Dingen, deren Sinn ihm fremd bleibt. Das mag denjenigen als unbedeutend erscheinen, die da glauben, für das Menschenleben habe nur das eine Bedeutung, was sich im bewussten Leben abspielt. Gewiss, im Bewusstsein lässt es sich ganz gut leben, wenn man bloß ein Tramwaybillett kauft und bis zu der Station fährt, zu der man fahren will, oder wenn man ein Telegramm empfängt, ohne eine Ahnung zu haben, auf welche Weise es zustande gekommen ist, ohne jemals etwas gesehen zu haben von einem Morseapparat. Für das gewöhnliche Bewusstsein, kann man ja sagen, ist das gleichgültig; aber für dasjenige, was sich in den Tiefen der menschlichen Seele abspielt, ist es eben nicht gleichgültig; der Mensch in einer Welt, derer er sich bedient, und deren Sinn er nicht versteht, ist wie ein Mensch in einem Gefängnis ohne Fenster, durch das er in die freie Natur hinausschauen könnte.[89]
Nun handelt es sich darum, in möglichst umfassender Weise denjenigen, der sich einem mehr geistigen Berufe zuwendet, mit den Dingen des äußerlichen handwerklichen Lebens bekanntzumachen, und umgekehrt denjenigen, der sich dem handwerklichen Leben zuwendet, soweit er urteilsfähig wird, in gewissen Grenzen mit dem, was den Menschen als geistiger Beruf zugeführt wird. Dabei muss betont werden, dass es durchaus wenigstens angestrebt werden muss, diese praktische Seite des Lebens durch die Schule selbst zu pflegen. Auch das Handwerkliche sollte nicht eigentlich dadurch gepflegt werden, dass man die jungen Leute sogleich unter die Erwachsenen in die Fabrik steckt, sondern man sollte innerhalb des Schulmäßigen selbst die Möglichkeit zur Hand haben, die praktische Seite des Lebens zu berücksichtigen, damit dann der junge Mensch dasjenige, was er in einer kurzen Zeit, ich möchte sagen, bildlich gesprochen, am Modell sich angeeignet hat, in das praktische Leben übersetzen kann. Das Aneignen am Modell kann nämlich so praktisch sein, dass durchaus die betreffende Sache ins praktische Leben hineingetragen werden kann. Ich sehe auch nicht ein, da es doch einmal in unseren Gefängnissen gelungen ist, die Gefangenen so arbeiten zu lassen, dass sie Dinge fabrizieren, die dann im Leben draußen irgendeine Rolle spielen, warum nicht auch in den Schulwerkstätten Dinge sollten fabriziert werden, die dann einfach ans Leben hinaus verkauft werden könnten. Aber dass der junge Mensch möglichst lange in dem schulmäßigen Milieu bleibt, das allerdings dann gesund sein muss, darauf ist zu sehen; denn es entspricht eben einfach der inneren Wesenheit des Menschen, nach und nach an das Leben heranzutreten und nicht mit einem Stoß in das Leben hineingeführt zu werden.
Weil das Alter so wenig verstanden hat, was mit der Jugend anzufangen ist, deshalb haben wir ja heute die wirklich schon im Internationalen drinnenstehende Jugendbewegung, eine Bewegung, welche von den Alten heute am allerwenigsten in ihrer tiefen Berechtigung verstanden wird. Sie hat eine tiefe Berechtigung und müsste durchaus in dieser tiefen Berechtigung verstanden werden. Sie müsste aber auch in die richtigen Wege geleitet werden. Und das kann im Grunde genommen nur dadurch geschehen, dass das Erziehungswesen in die rechten Wege geleitet wird.
Das ist es, was wir vor allen Dingen im Waldorfschul-Prinzip anstreben: möglichst den Menschen an das Leben heranzubringen, damit er im Beginne der Zwanzigerjahre, wenn das eigentliche Ich in freier Handhabe sich in die Welt hineinstellt, auch wirklich das rechte Weltgefühl entwickeln kann, damit er sich dann auch wirklich in einer Welt drinnen fühlen kann, von der er die Empfindung zu empfangen in der Lage ist: Ich habe Mitmenschen, die sind älter als ich, die haben die frühere Generation gebildet. Diese früheren Generationen haben alles das hervorgebracht, dessen ich mich nun bediene; aber ich habe eine Gemeinschaft mit diesen früheren Generationen. Ich verstehe dasjenige, was sie in die Welt hineingestellt haben. Ich setze mich nicht bloß auf den Stuhl, den mir mein Vater hingestellt hat, sondern ich lerne verstehen, wie dieser Stuhl zustande gekommen ist.[90]
Gerade wenn man selbstverständlich nebeneinander auch die praktischen Betätigungen des Lebens von Knaben und Mädchen üben lässt, so ist das eine ganz vorzügliche Vorbereitung für das Leben. Nicht wahr, heute wissen viele Männer wirklich gar nicht, was man für ein gesundes Denken, für eine gesunde Logik hat, wenn man stricken kann. Viele Männer können das gar nicht beurteilen, was man für das Leben hat, wenn man stricken kann. Bei uns in der Waldorf schule stricken die Knaben neben den Mädchen, stopfen auch Strümpfe. Dadurch wird natürlich, wenn später differenziert werden muss, diese Differenzierung als etwas Selbstverständliches sich ergeben, aber es wird dadurch auch eine Erziehung erreicht, welche mit dem Leben, in das sich der Mensch hineinstellen muss, wirklich rechnet.
Die Leute sind immer furchtbar erstaunt darüber, wenn ich eine Behauptung aufstelle, die nicht bei mir nur Überzeugung, sondern psychologische Erkenntnis ist: Ich kann einmal nicht den für einen guten Professor ansehen, der nicht, wenn es nötig ist, sich seine eigenen Stiefel flicken kann. Wie soll man denn überhaupt über das Sein und über das Werden etwas Ordentliches wissen, wenn man nicht einmal seine Stiefel flicken kann, wenn es notwendig ist! …
Und man muss sagen: Nur derjenige kann ein guter Philosoph sein, der, wenn es sein Schicksal gewesen wäre, auch ein guter Schuhflicker geworden wäre. Manchmal werden ja sogar Schuhflicker Philosophen, wie es die Geschichte der Philosophie zeigt. Nun, die Menschenerkenntnis fordert eben, dass man durch eine richtige Vorbereitung in das praktische Leben hinein die ganze Führung der Erziehung leitet. Und so ergibt es einfach das Lesen in der Menschenwesenheit, dass zum Beispiel in einer bestimmten Schulklasse die Kinder - nein, die jungen Herren und jungen Damen - herangeführt werden an das Weben, dass sie den Webstuhl beherrschen lernen; dass sie herangeführt werden an das Spinnen; dass sie lernen auch einen Begriff sich aneignen, wie Papier gemacht wird zum Beispiel; dass sie lernen, wenigstens die einfachen Verrichtungen der mechanisch-chemischen - nicht nur Mechanik und Chemie -, sondern der mechanisch-chemischen Technologie zu begreifen und auch im Kleinen zu handhaben, so dass sie wissen, wie es im Leben geschieht. Dieser Übergang zu einer wirklich praktischen Unterrichts- und Erziehungsführung, er muss gefunden werden. Und das wird eben gerade angestrebt werden müssen, wenn man in Ernst und Ehrlichkeit auf wirklicher Menschenerkenntnis eine Pädagogik und Didaktik insbesondere für die höheren Klassen aufbauen will.[91]
Daher haben wir in den Lehrplan unserer Waldorfschule für diese Lebensjahre solche Dinge aufgenommen, die durchaus den Menschen verständnisvoll in das praktische Leben hineinstellen: Spinnerei, Weberei, mit der Erlernung der entsprechenden Handgriffe. Der Schüler soll wissen, wie gesponnen wird, auch fabrikmäßig gesponnen wird, wie gewebt wird. Er soll die Anfangsgründe auch der chemischen Technologie kennenlernen, Farbenbereitung und dergleichen.
… Denken Sie doch, wie viele Leute heute einen Straßenbahnwagen besteigen, ohne zu wissen, wie so etwas in Bewegung gesetzt wird, wie der Mechanismus ist. Ja, es gibt Menschen, die sehen jeden Tag die Eisenbahn an sich vorbeifahren und haben keine Ahnung davon, wie der Mechanismus einer Lokomotive ist. Das heißt aber, der Mensch steht da in der Welt und ist umgeben von lauter Dingen, die aus menschlichem Geiste kommen, die menschlicher Geist geschaffen hat, aber er nimmt nicht teil an diesem menschlichen Geiste. Damit ist überhaupt der Anfang gemacht mit dem unsozialen Leben, wenn wir dasjenige, was menschlicher Geist geschaffen hat, in unserer Umgebung sein lassen, ohne ein entsprechendes, wenigstens allgemeines Verständnis davon zu haben.[92]
Bedenken Sie nur, wie das Kind in den ersten Lebensjahren in völliger Unbewusstheit der Welt gegenübersteht. Dann wird es immer mehr und mehr bewusst. Was heißt das aber: es wird bewusst? Das heißt, es lernt sich mit seinem inneren Leben an die äußere Welt anpassen. Es lernt die äußere Welt auf sich beziehen, sich auf die äußere Welt beziehen. Es lernt eben die äußeren Dinge bewusst kennen, sich von ihnen unterscheiden. Das tritt ihm dann immer mehr und mehr, je mehr es heranwächst, entgegen. Es schaut hinauf in den Umkreis des Erdenlebens, sieht die kosmische Welt, ahnt ja wohl, dass in dieser kosmischen Welt eine Gesetzmäßigkeit ist; aber es wächst doch in das Ganze hinein wie in etwas, in das es aufgenommen wird, ohne irgendwie völlig fertig zu werden mit dem Geheimnis, das besteht zwischen dem Menschen und der kosmischen Welt. Dann wächst das Kind heran, wird immer mehr und mehr in die bewusste Sorgfalt der übrigen Menschen aufgenommen. Es wird erzogen, es wird unterrichtet. Es wächst so heran, dass aus seiner ganzen Individualität das hervorgeht, dass es selbst in irgendeiner Weise in das Weltgetriebe eingreifen muss.
Wir erziehen es dadurch für das Weltgetriebe heran, dass wir es zunächst spielen lassen, dass wir dadurch also seine Tätigkeit wecken. Wir bemühen uns in irgendeiner Weise, alles dasjenige, was wir mit dem Kinde tun, auf der einen Seite so zu vollbringen, dass den Anforderungen der Menschen Wesenheit Genüge getan wird; dass wir also hygienisch, gesund erziehen, dass wir also den Unterricht in leiblicher, seelischer und geistiger Beziehung pflegen. Wir suchen ein zweites. Wir versuchen uns hineinzuleben in die Anforderungen des sozialen und technischen Lebens. Da wurde versucht, das Kind so zu erziehen und zu unterrichten, dass es später arbeiten, eingreifen kann in das Getriebe, dass es sich sozial hineinstellen kann in das Menschenleben, mit den übrigen Menschen auskommt. Wir versuchen, ihm Geschicklichkeit und Kenntnisse beizubringen, wodurch es in das technische Leben hineinwächst, so dass seine Arbeit für die Gesellschaft wie für das menschliche Leben etwas bedeuten kann, und dass es selbst einen Lebensweg findet im Zusammenhang mit dem übrigen sozialen Leben der Menschheit. Alles das vollbringen wir. Und dass wir es in der richtigen Weise vollbringen, dass wir tatsächlich auf der einen Seite den Anforderungen der menschlichen Natur Rechnung tragen können, so dass wir den Menschen nicht hineinstellen in die Welt als einen geistig, seelisch und physisch kranken oder verkümmerten Organismus, müssen wir auf der anderen Seite uns sagen können, dass der Mensch so in die Gesellschaft hineinwächst, dass er irgendetwas anfassen kann, wodurch er sich und die Welt vorwärtsbringen kann. Dass beidem auf diese Weise genügt wird, das muss unsere Sorge sein.[93]
Was sind wir denn eigentlich als Menschen der Gegenwart? - Wir sind hingestellt worden in diese Gegenwart durch dasjenige, was an uns heranerzogen worden ist durch die Ereignisse der Zivilisation im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Und, meine lieben Freunde, was sind Sie heute? Die einen haben Philologie, Geschichte gelernt, so wie man es gelernt hat in den Mittel- und Hochschulen vom Ende des 19. und im Beginne des 20. Jahrhunderts. Die anderen haben mathematisch-realistische Fächer gelernt. Der eine ist durch diese oder jene Methode des Singens und Turnens hineingewachsen in dasjenige, was er ist, der andere durch eine andere Methode. Der eine hat durch die besondere Vorliebe seiner Lehrerschaft mehr sich hineingefunden in ein aber mehr physisch-körperliches Auffassen des Gentleman, der andere hat sich mehr hineingefunden in dasjenige, was man nennen könnte den verinnerlichten Menschen, aber verinnerlicht durch den Intellektualismus. Dasjenige alles, was da an uns heranerzogen ist, das ist ja bis in die Fingerspitzen hinein unsere Menschheit geworden. Und wir müssen uns klar sein darüber, dass dasjenige, was da an uns heranerzogen ist, jetzt in unserer Zeit wirklich sich erfassen muss, dass sich das gründlich selber in die Hand nehmen muss. Und das kann nur durch eine über das Individuelle hinausgehende, zeitgemäße Gewissenserforschung geschehen. Ohne diese zeitgemäße Gewissenserforschung können wir nicht über dasjenige hinauswachsen, was uns die Zeit geben kann. Und wir müssen hinauswachsen über dasjenige, was uns die Zeit geben kann. Wir dürfen nicht Hampelmänner der Zeitrichtung sein, die sich am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts herausgebildet hat. Wir müssen vor allen Dingen durch ein Geständnis dessen, was wir aus der Zeitbildung heraus sein können, durch eine universelle Gewissenserforschung uns in richtiger Erkenntnis auf unseren Platz hinstellen.
… Wie stehen wir denn heute eigentlich als Ältere da vor der Jugend? - Und da kann sich keine andere Antwort als diese ergeben, wenn wir den Knaben und das Mädchen in dem Lebensalter betrachten, in dem sie sind, wenn sie in sexueller Beziehung reif werden, wenn wir sie uns entgegenkommen sehen nach diesem Reifwerden, dann müssen wir uns sagen, wenn wir tief innerlich ehrlich sein wollen: Wir wissen nichts mit ihnen anzufangen, wenn wir die Erziehung und den Unterricht nicht aus neuen Grundelementen heraus in die Hand nehmen. Wir stehen so da, dass wir eine Kluft aufgerichtet haben zwischen uns und dieser Jugend.
… Aber, was ist bei der Jugend selber geworden? Die Jugend ist übergegangen vom Anschlussbedürfnis, von dem Sich-selber-Finden in der Clique zum seelischen Sich-Finden im Eremitentum. Die letzte Phase ist, dass sich jeder auf sich selbst zurückgewiesen fühlt, dass jeder einzelne eine gewisse Furcht hat vor dem Anschluss. Es ist eine atomisierende Sehnsucht eigentlich dasjenige, worin man noch mit einer Gewissheit gefühlt, gesucht und geglaubt hat, man finde nun etwas in der Welt. Das hat sich verwandelt in ein Brüten darüber: Wie kann es sein, dass man mit sich als Mensch nicht zu Recht kommt? - Und das letztere Gefühl sehen Sie heute immer mehr und mehr heraufziehen, wenn Sie mit wachem Sinn auf dasjenige hinsehen, was heute überall geschieht. Sie sehen als heranwachsende Ungewissheit überall eine Zersplitterung der menschlichen Seelenkräfte. Sie sehen überall eine besondere Furcht, einen Horror vacui, so dass der Jugend graut, schaudert vor dem, was werden soll, wenn sie immer mehr und mehr heranwächst. Sie hat einen Horror vor dem Leben, in das sie hineinwachsen soll. Und demgegenüber gibt es im Grunde genommen nur eins, eben dasjenige, was ich nennen mochte: die große Gewissenserforschung. Und die kann nicht an Äußerlichkeiten hängen, sondern die kann doch nur auf das abzielen, dass man sich fragt: Ja, wie ist es eigentlich gekommen, dass wir, wenn wir die Führung haben wollen, mit den Kräften des Alters die Jugend gar nicht mehr verstehen? [94]
Aber wir müssen auch unser ganzes pädagogisches Wirken so einrichten können, dass wir die Kinder bis zu diesem Punkt hin in der richtigen Weise vorbereiten. Alles hängt ja davon ab, dass das heranwachsende Kind in ein bestimmtes Verhältnis zur Welt hineinwächst. Dieses Verhältnis zur Welt kündigt sich gerade in dem Lebensalter, von dem wir jetzt reden, ganz besonders dadurch an, dass beim Knaben sowohl wie beim Mädchen in einer gewissen Weise die Hinneigung für Ideale beginnt, die Hinneigung für das Leben in etwas, das zur äußeren sinnlichen Welt hinzukommen soll. Auch in den Ausartungen des kindlichen Lebens, in dem Lümmelhaften des Knaben, in den entsprechenden Eigenschaften, die wir beim Mädchen kennengelernt haben, lebt sich im Grunde genommen dasjenige aus, was man nennen kann Hinneigung zu einem übersinnlichen idealen Sein, gewissermaßen zu der höheren Zweckidee: Das Leben muss zu etwas da sein! - Das sitzt tief im Wesen des Menschen. Und mit diesem: Das Leben muss zu etwas da sein, das Leben muss Ziele haben -, muss man rechnen. Es ist für dieses Lebensalter ganz besonders wichtig, dass wir diesen gefühlten inneren Grundsatz: Das Leben muss einen Zweck haben -, nicht auf ein falsches Lebensgeleise bringen.
Der Jüngling wird ja sehr häufig so betrachtet, dass er, wenn er so 14, 15 Jahre alt geworden ist und ihm alle möglichen Hoffnungen für das Leben vorschweben, sich leicht in die Empfindung einlebt: Das oder jenes muss so und so sein. - Und das Mädchen wiederum lebt sich in eine gewisse Beurteilung des Lebens ein. Gerade in diesem Lebensalter sind die Mädchen scharfe Kritiker des Lebens. Sie glauben viel über das zu wissen, was recht und unrecht, namentlich was gerecht und ungerecht ist. Sie setzen ein bestimmtes Urteil in die Welt hinein. Und sie sind von einer gewissen Sicherheit durchzogen, dass das Leben etwas bieten muss, was durch die Menschheit selbst aus ideellen Untergründen außen im Leben begründet sein muss. Diese Hinneigung zum Idealen und Ideellen ist eben in diesem Lebensalter stark vorhanden. Und es liegt während der ganzen Schulerziehung vom 1. Schuljahr an an uns, ob wir bewirkt haben oder nicht, dass das Kind in dieses Ideelle, in dieses Ideale, in der richtigen Weise hineinwächst.[95]
Unsere Kopfentwickelung geht nämlich verhältnismäßig schnell, und die Entwickelung, die den übrigen Organismus zur Ausbildung bringt - ich will sie die Herzensentwickelung nennen -, geht verhältnismäßig langsamer, geht etwa drei- bis viermal langsamer. Was den Kopf zur Bedingung hat, ist mit seiner Entwickelung in der Regel mit den Zwanzigerjahren des Menschen schon abgeschlossen; mit Bezug auf den Kopf sind wir alle mit zwanzig Jahren schon Greise. Und nur weil fortwährend die Erfrischung von dem übrigen Organismus kommt, der sich aber drei- bis viermal langsamer entwickelt, leben wir in einer annehmbaren Weise weiter. Unsere Kopfentwickelung geht schnell; unsere Herzensentwickelung, die aber die Entwickelung des übrigen Organismus ist, geht drei- bis viermal langsamer. Und in diesem Zwiespalt stehen wir mit unserem Erleben drinnen. Unsere Kopfentwickelung kann gerade in unserer Kindheit und Jugendzeit eine ganze Menge aufnehmen. Daher lernen wir in der Kindheit und Jugendzeit. Was aber da aufgenommen wird, muss fortwährend erneuert, erfrischt werden, muss fortwährend eingefasst werden von dem langsameren Gang der übrigen Organentwickelung, von der Herzensentwickelung. Nun denken Sie sich, wenn die Erziehung so ist wie jetzt in unserem Zeitalter, wo Erziehung und Unterricht nur auf die Kopfausbildung Rücksicht nehmen, so ist, weil wir in Unterricht und Erziehung gewissermaßen nur den Kopf zu seinem Rechte kommen lassen, die Folge davon die, dass der Kopf wie ein toter Organismus in den langsameren Gang der übrigen Entwickelung sich eingliedert, dass er diese zurückhält, und dass die Menschen seelisch früh alt werden. Diese Erscheinung, dass die Menschen im heutigen Zeitalter innerlich seelisch früh alt werden, hängt im Wesentlichen mit dem Erziehungs- und Unterrichts System zusammen.
Natürlich dürfen Sie nicht denken, dass man jetzt die Frage stellen kann: Wie soll man den Unterricht einrichten, damit er nicht so ist? - Das ist eine sehr bedeutsame Sache, die man nicht mit zwei Worten beantworten kann. Denn fast alles vom Unterricht muss anders eingerichtet werden, damit er nicht nur etwas ist für das Gedächtnis, woran man sich erinnert, sondern etwas, durch das man sich erfrischt, sich erneuert. Man frage sich, wie viele Menschen heute, wenn sie zu einer Kindheitsverrichtung zurückblicken, auf alles, was sie da erlebt haben, was ihnen die Lehrer und die Tanten gesagt haben, so zurückzudenken vermögen, dass sie nicht nur sich erinnern: Das sollst du so und so machen -, sondern dass sie immer wieder von neuem hinuntertauchen in das, was sie in der Jugend durchgemacht haben, liebevoll hinblicken zu jedem Handgriff, zu jeder einzelnen Bemerkung, zu dem Stimmklang, zu der Gefühlsdurchdringung dessen, was ihnen in der Kindheit dargeboten wurde, und es so empfinden, dass es stets ein immer uns erneuernder Verjüngungsquell ist.
Das hängt zusammen mit den Tempi, welche wir in uns erleben: dass der Mensch seiner schnelleren Kopfentwickelung folgen muss, die in den Zwanziger jähren abgeschlossen ist, und dem langsameren Gange der Herzensentwickelung, der Entwickelung des übrigen Menschen, der für das ganze Leben gespeist werden soll. Wir dürfen dem Kopf nicht nur das geben, was nur für den Kopf bestimmt ist, sondern wir müssen ihm auch das geben, woraus der übrige Organismus immer wieder und wieder durch das ganze Leben erfrischende Kräfte ziehen kann. Dazu ist zum Beispiel notwendig, dass alle einzelnen Zweige des Unterrichtes von einem gewissen künstlerischen Element durchzogen sein müssen.
Heute, wo man das künstlerische Element flieht, weil man glaubt, dass durch eine gewisse Pflege des Phantasielebens - und die Phantasie ist ja etwas, was den Menschen über die bloße alltägliche Wirklichkeit hinüberbringt - die Phantastik in den Unterricht hineingebracht werden könnte, ist ganz und gar keine Neigung vorhanden, ein solches Geheimnis des Lebens zu berücksichtigen. Man braucht nur auf einzelnen Gebieten etwas zu sehen von dem, was ich jetzt meine - es ist ja natürlich da oder dort noch vorhanden -, dann wird man sehen, dass so etwas schon geleistet werden kann, aber es kann besonders dadurch geleistet werden, dass die Menschen namentlich wieder Menschen werden. Dazu ist Mannigfaltiges notwendig.
Auf eines möchte ich in dieser Beziehung aufmerksam machen. Man prüft heute diejenigen, die Lehrer werden wollen, darauf hin, ob sie dieses und jenes kennen. Was aber stellt man dadurch fest? In der Regel doch nur das, dass der Betreffende einmal in der Zeit, für die er gerade die Prüfung abzulegen hat, in seinem Kopf etwas hineingehamstert hat, was er, wenn er einigermaßen geschickt ist, für jede einzelne Unterrichtsstunde sich aus so und so vielen Büchern zusammenlesen könnte, was man sich Tag für Tag für den Unterricht aneignen könnte, was gar nicht notwendig ist, sich in dieser Weise anzueignen, wie es gegenwärtig betrieben wird. Was aber vor allen Dingen bei einem solchen Examen notwendig wäre, das ist, dass man erfahren sollte, ob der Betreffende Herz und Sinn hat, ob er das Blut dafür hat, allmählich ein Verhältnis von sich zu den Kindern zu begründen. Nicht das Wissen sollte man durch das Examen prüfen, sondern erkennen sollte man, wie stark und wie viel der Betreffende Mensch ist. –
Ich weiß: Solche Forderungen an die heutige Zeit stellen, heißt für die Gegenwart nur zweierlei. Entweder sagt man: Wer so etwas fordert, ist ja ganz verrückt, ein solcher Mensch lebt nicht in der wirklichen Welt! - Oder, wenn man eine solche Antwort nicht geben will, sagt man: So etwas geschieht ja immerfort, das wollen wir doch alle. - Die Menschen glauben nämlich, dass durch das, was geschieht, schon die Dinge
erfüllt werden, weil sie nur das von den Dingen verstehen, was sie selbst hineinbringen.[96]
In diesem Verzeichnis sind die Werke aufgelistet in der numerischen Reihenfolge der „GA-Nummer“, wie sie in jedem einzelnen Band der Gesamtausgabe erscheint. Wir beziehen uns auf die als PDF-Dateien des frei verfügbaren Gesamtwerks (fast komplett) der open source Freie Verwaltung des Nachlasses von Rudolf Steiner www.fvn-rs.net
Seitens der Betreiber ist es ausdrücklich erwünscht die hinterlegten Seiten herunter zu laden, um sie für die eigene Studienarbeit dauerhaft zur Verfügung zu haben. Für unsere Arbeit sind vor allem die pädagogischen Vortragsbände aus dem Gesamtwerk interessant (GA 293 – GA 311). Die Zitate stehen natürlich im Kontext eines bestimmten Vortrages. Es empfiehlt sich auch immer den gesamten Vortrag zu lesen. Für unser Thema „Werkunterricht“ sind gerade die letzten Vorträge von besonderem Interesse. Beim Lesen fällt auf, dass sie zeitlich in die Jahre einzuordnen sind, in denen Die Konferenzen mit den Lehrern (GA 300a-c) gehalten wurden. Rudolf Steiner war in der Zeit nicht kontinuierlich in Stuttgart, sondern ging zwischenzeitlich seinen anderen vielfältigen Verpflichtungen nach. Seine Vortragsreisen führten ihn in das benachbarte Ausland, wo er an verschiedenen Orten einer interessierten Öffentlichkeit unter einer jeweiligen Schwerpunktsetzung die anthroposophische Menschenkunde und die Grundzüge der Waldorfpädagogik, sowie die aktuelle Situation der Schule in Stuttgart darstellte. Der besseren Orientierung halber haben wir hier den Vortragsort und das Jahr in dem er gehalten wurde angegeben. Oftmals wird in der Literatur z.B. ein Oxford-Vortrag erwähnt, mit Jahresangabe, aber ohne GA. Interessant ist, dass nach 1920 auch der „Handfertigkeitsunterricht“ mehr und mehr in den Fokus rückt und seine Ausführungen immer detaillierter werden, solange er diese Vorträge halten kann. Wie zeitnah das Kollegium über seine Ausführungen vor dem externen Publikum informiert war, lässt sich nur schwer sagen.
Der besseren Lesbarkeit halber und dem wissenschaftlichen Standard entsprechend bezieht sich eine Fußnote immer auf den Titel im Quellenverzeichnis [z.B. Rudolf Steiner (1986,2), S. 121)]. Wenn in einem Erscheinungsjahr mehrere Werke veröffentlicht worden sind, wird dies hier bei der Jahreszahl durch Komma getrennt aufsteigend angegeben.
Bartoniczek, Andre (2014), Die Wirklichkeit ist das Bild, in: Erziehungskunst 4/2014 https://www.erziehungskunst.de/artikel/bildung-will-bilder/die-wirklichkeit-ist-das-bild/ 29.09.2022
Bardt, Sylvia (1998). Eurythmie als menschenbildende Kraft. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben
Birk, Heike und Thomas Verbeck (2021), „Das Kind, ein Werker?“, in: Werkstattbrief 35, S. 16
Birk, Heike und Thomas Verbeck (2022), Eine Bewegung erzeugt eine andere. Remscheid: eigenARTpubs
Bund der Waldorfschulen/ Pädagogische Forschungssstelle (2022), https://www.forschung-waldorf.de/forschungsprojekte/eigene-forschungsprojekte/alle-forschungsprojekte/detail/methodik-und-didaktik-des-faches-werken-an-waldorfschulen/
Clausen, Anke-Usche; Martin Riedel (1980), Zeichnen = Sehen lernen. Stuttgart: Mellinger Verlag
Clausen, Anke-Usche; Martin Riedel (1985), Plastisches Gestalten für alle Altersgruppen. Stuttgart: Mellinger Verlag
Clausen, Anke-Usche; Martin Riedel (1972), Plastisches Gestalten in Holz mit der dazugehörigen Baumkunde. Stuttgart: Mellinger Verlag
Eschenbach, Wolfram von (1950), Parzival. München: Langen Müller Verlag
Esterl,, Dietrich (2006), Die erste Waldorfschule. Stuttgart: edition waldorf
Fährmann, Willi (1983), Der lange Weg des Lukas B. Würzburg: Arena Verlag
Giese, Anette und Heike Birk (2021), „Werken in der Unterstufe der Waldorfschulen“. Zusammenfassung der gleichnamigen Gesprächsgruppe beim Werkstattgespräch 2021 in Karlsruhe
Göbel, Nana (2020), 50 Jahre Haager Kreis in: Erziehungskunst online https://www.erziehungskunst.de/artikel/50-jahre-haager-kreis/ 26.09.2022 10:34
Greiling, Antje (2017), Parzival – eine Lebensmodell in: Erziehungskunst online https://www.erziehungskunst.de/artikel/aus-dem-unterricht/parzival-ein-lebensmodell/ 12.10.2022 17:03
Hinrichsen, Helmut (2022), Das große Buch vom Werken. Mit Hand, Herz und Kopf. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.
Internationale Konferenz der waldorfpädagogischen Bewegung (Haager Kreis) (2016), Wesentliche Merkmale der Waldorfpädagogik, https://www.goetheanum-paedagogik.ch/fileadmin/paedagogik/Kriterienpapier/1605_Merkmale_IK_Arles.pdf
26.09.2022 11:32
Kraul, Walter (2013) „Kleine Geschichte des Spielzeugs“ in: Erziehungskunst, Heft 2. https://www.erziehungskunst.de/artikel/spiel-dich-ins-leben/kleine-geschichte-des-spielzeugs/
Leber, Stefan (1993), Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.
Lievegoed, Bernhard C.J. (1982), Entwicklungsphasen des Kindes, Stuttgart: Mellinger Verlag
Martin, Michael (Hg.) (1991), Der künstlerisch-handwerkliche Unterricht in der Waldorfschule. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben.
Pallat, Ludwig (Hg.) (1926), Werkarbeit für Schule und Leben. Breslau: Ferdinand Hirt
Richter, Tobias (Hg.) (2010), Pädagogischer Auftrag und Unterrichtsziele – Vom Lehrplan der Waldorfschule. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben
Schiller, Hartwig (1998), Da ist jemand in dir, den ich kenne. Die Idee von Reinkarnation und Karma in der Pädagogik. Stuttgart: Verlag Freies Geistesleben
Schiller, Hartwig (2020), Max Wolffhügel. Ein Vortrag,
Video auf YouTube, 11.11.2020
Selg, Peter (2022,1), Das Jahr 1922 bis zum Brand des Goetheanum. Ein Vortrag, Video auf YouTube, 14.09.2022
Selg, Peter (2022,2), „Anthroposohie als ein Streben nach Durchchristung der Welt“. Dornach: Verlag am Goetheanum
Steiner, Rudolf (1969,1), Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft. Einzelausgabe. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung
Steiner, Rudolf (1987,1), Lucifer Gnosis. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 34
Steiner, Rudolf (1991,3),Erdensterben und Weltenleben u.a. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 181
Steiner, Rudolf (1997),Ritualtexte für die Feiern des freien christlichen Religionsunterrichts Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 269
Steiner, Rudolf (1992), Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 293
Steiner, Rudolf (1990), Erziehungskunst – Methodisch-Didaktisches. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 294
Steiner, Rudolf (1984), Erziehungskunst – Seminarbesprechungen und Lehrplanvorträge. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 295
Steiner, Rudolf (1991,3), Die Erziehungsfrage als soziale Frage. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 296
Steiner, Rudolf (1998), Idee und Praxis der Waldorfschule. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 297
Steiner, Rudolf (1980), Rudolf Steiner in der Waldorfschule. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 298
Steiner, Rudolf (1981,2), Geisteswissenschaftliche Sprachbetrachtungen. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 299
Steiner, Rudolf (1975,1), Konferenzen mit den Lehrern der Freien Waldorfschule I. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 300a
Steiner, Rudolf (1975,2), Konferenzen mit den Lehrern der Freien Waldorfschule II. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 300b
Steiner, Rudolf (1975,3), Konferenzen mit den Lehrern der Freien Waldorfschule III. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 300c
Steiner, Rudolf (1991,1), Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 301 Basel 1920
Steiner, Rudolf (1986,1), Menschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 302 Stuttgart 1921
Steiner, Rudolf (1993), Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 302a Stuttgart 1921-23
Steiner, Rudolf (1987,2), Die gesunde Entwicklung des Menschenwesens. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 303 Dornach 1921-22
Steiner, Rudolf (1979,1), Erziehungs- und Unterrichtsmethoden auf anthroposophischer Grundlage. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 304 Den Haag u.a. 1921-22
Steiner, Rudolf (1979,2), Anthroposophische Menschenkunde und Pädagogik. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 304a Stuttgart u.a. 1923-24
Steiner, Rudolf (1991,2), Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 305 Oxford 1922
Steiner, Rudolf (1989,1), Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 306 Dornach 1923
Steiner, Rudolf (1986,2), Gegenwärtiges Geistesleben und Erziehung. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 307 Ilkley 1923
Steiner, Rudolf (1986,3), Die Methodik des Lehrens. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 308 Stuttgart 1924
Steiner, Rudolf (1981,1), Anthroposophische Pädagogik und ihre Voraussetzungen. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 309 Bern 1924
Steiner, Rudolf (1989,2), Der Pädagogische Wert der Menschenerkenntnis und der Kulturwert der Pädagogik. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 310 Arnheim 1924
Steiner, Rudolf (1989,3), Die Kunst des Erziehens aus dem Erfassen der Menschenwesenheit. Dornach: Verlag der Rudolf Steiner Nachlassverwaltung GA 311 Torquay 1924
Steiner, Rudolf Gesamtwerk (fast komplett) open source Freie Verwaltung des Nachlasses von Rudolf Steiner www.fvn-rs.net
Stockmeyer, E.A. Karl (1976), Rudolf Steiners Lehrplan für die Waldorfschulen. Stuttgart: Päd. Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen
Verbeck, Thomas und Heike Birk (2021), Online Coaching Talks YouTube: Kanal „Waldorf Werklehrer“
Verbeck, Thomas (2022), https://www.erziehungskunst.de/artikel/aus-dem-unterricht/eine-bewegung-erzeugt-die-andere/
Heike Birk hat 2007 die Freie Waldorfschule in Kastellaun im Hunsrück mitbegründet. Sie unterrichtet Werken von Klasse 3-8, Plastizieren, Schreinern, Kupfertreiben, Korbflechten, Holz- und Steinbildhauen in der Oberstufe. Zurzeit ist sie Klassenlehrerin einer 4./5. Klasse.
Thomas Verbeck hat 1986 die Rudolf-Steiner-Schule in Remscheid mitbegründet. Er unterrichtete Holzwerken in 5-7, Schmieden und Schlossern in 9+10, Steinbildhauen und Malen in 11+12. Bis 2002 war er Klassenlehrer.
Heike Birk und Thomas Verbeck engagieren sich gemeinsam in Projekten der Lehrerfort- und ausbildung im Werkbereich und betreiben das „Waldorf-Werk-Wiki“ auf www.waldorf-werklehrer.de
Mit dem „Waldorf-Werk-Wiki“ betreten wir Neuland.
Was den Werkunterricht angeht, haben wir einige Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten.
Was den technischen Support für ein „Wiki“ angeht, ist es gelungen ein junges Unternehmen für unsere Idee zu begeistern. Das Ziel der Web-Entwickler: die Schule ihrer Kinder digitalfähig zu machen und die Lehrer dabei nach Kräften zu unterstützen.

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[1] Ludwig Pallat (1926), S. 170
[2] Bund der Waldorfschulen (2022), https://www.forschung-waldorf.de/forschungsprojekte/eigene-forschungsprojekte/alle-forschungsprojekte/detail/methodik-und-didaktik-des-faches-werken-an-waldorfschulen/ 14.09.2022 09:58. Das seit Januar 2019 laufende Projekt der Pädagogischen Forschungsstelle fand seinen Abschluss Ende Juli 2022 mit der Vorlage des Buches von Helmut Hinrichsen (2022).
[3] Erich Gabert, in: Steiner, Rudolf (1975,1), S. 44. Auf dieses Zitat wird später noch einmal eingegangen.
[4] Zitiert nach E.A. Karl Stockmeyer (1976), S 339
[5] Vgl. Hartwig Schiller (2020)
[6] E.A. Karl Stockmeyer (1976), Rudolf Steiners Lehrplan für die Waldorfschulen
[7] Zitiert nach E.A. Karl Stockmeyer (1976), S. 338
[8] Rudolf Steiner (1975,1)
[9] Diese Schrift will der Vertiefung der Arbeit derjenigen dienen, die als Erzieher und Lehrer in der Waldorf- oder Rudolf Steiner-Pädagogik tätig sind. Zur Weitergabe an den einzelnen, solange er aktiv in der Arbeit steht, nehmen die Kollegien diese Schrift in ihre Obhut.
[10] Rudolf Steiner (1980), S. 48,75, 88,126, 145,175
[11] Erich Gabert in: Rudolf Steiner (1975,1), S. 42-48
[12] E.A.Karl Stockmeyer (1976), S. 335-340
Im folgenden Kapitel wird der Text zum Werkunterricht wörtlich wiedergegeben. Diese Schrift der Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Waldorfschulen ist vergriffen und soll, wie auch die Bücher von Michael Martin (1991) und Anke-Usche Clausen erklärtermaßen seitens der Forschungsstelle nicht wieder neu aufgelegt werden.
[13] Rudolf Steiner (1990), S. 157
[14] Wohlgemerkt: heute bezieht sich auf das Jahr 1955, also vor 67 Jahren. Was das „heute“ von 2022 angeht, mag jeder selbst beurteilen.
[15] Rudolf Steiner (1975,1), S. 156
[16] Rudolf Steiner (1975,1), S. 224
[17] Rudolf Steiner (1975,1), S. 269
[18] Rudolf Steiner (1975,2), S. 27
[19] Rudolf Steiner (1975,2), S. 115
[20] Rudolf Steiner (1991,2), S.137
[21] Rudolf Steiner (1975,2), S. 165
[22] Rudolf Steiner (1975,2), S. 289
[23] Walter Kraul (2013)
[24] Rudolf Steiner (1986,2), S. 228
[25] Vgl. auch Hartwig Schiller (2020)
[26] Rudolf Steiner (1989,2), S. 45
[27] Vgl. Heike Birk und Thomas Verbeck (2021), überarbeitet.
[28] Rudolf Steiner (1989,1), S. 72
[29] Rudolf Steiner (1989,2), S. 52
[30] Vgl. Heike Birk und Thomas Verbeck (2021), überarbeitet.
[31] Rudolf Steiner (1986,2), S. 121
[32] Vgl. Heike Birk und Thomas Verbeck (2021), überarbeitet.
[33] Diese originelle Beschreibung wählte Christof Wiechert bei seinem Vortrag während der Werklehrertagung 2013 in Ulm.
[34] Sylvia Bardt 1998, S.34
[35] Rudolf Steiner (1986,2), S. 231
[36] Rudolf Steiner (1986,1), S. 72
[37] Rudolf Steiner (1986,1), S. 136
[38] Rudolf Steiner (1986,1), S. 120
[39] https://www.waldorfschule-remscheid.de/waldorfpaedagogik/lehrplan/handwerk-und-kunst/ 29.09.2022 10:52
[40] https://www.waldorfschule-remscheid.de/waldorfpaedagogik/lehrplan/handwerk-und-kunst/ 29.09.2022 10:58
[41] Andre Bartoniczek, (2014)
[42] Stefan Leber (1993), S.522
[43] Antje Greiling (2017)
[44] Wolfram von Eschenbach (1950), S. 90
[45] Antje Greiling (2017)
[46] Vgl. Bernhard Lievegoed (1982), S. 68
[47] Rudolf Steiner (1997), S. 184
[48] Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass der Begriff Werkreife eigentlich anders konnotiert ist und die Zeit unmittelbar vor der eigentlichen Schulreife umfasst. https://de.wikipedia.org/wiki/Kinderzeichnung#Werkreife vom 21.09.2022. und
Bernhard Lievegoed (1982), S. 130, schreibt Charlotte Bühler (1893-1974) die Einführung dieses Begriffs (ca. 1922) zu. Rudolf Steiner war der Begriff „Werkreife“ in dem Zusammenhang wohl noch nicht bekannt.
[49] Helmut Hinrichsen (2022), S.276
[50] Herbert Seufert, Über die Arbeit mit den Metallen in: Michael Martin (1991), S.170
[51] https://www.forschung-waldorf.de/forschungsprojekte/eigene-forschungsprojekte/alle-forschungsprojekte/detail/methodik-und-didaktik-des-faches-werken-an-waldorfschulen/ 14.09.2022 09:58
[52] Schon bei der internationalen Werklehrertagung in Remscheid 2012 war das ein Thema. 2021, bei der Werklehrertagung in Karlsruhe hat eine Arbeitsgruppe eigens zu dieser Thematik gearbeitet. Der Diskussion und den dokumentierten Ergebnissen wird hier ein eigenes Kapitel gewidmet.
[53] Thomas Verbeck und Heike Birk (2021)
[54] Ludwig Pallat (1926), S. 170
[55] Rudolf Steiner (1979,1), S. 56
[56] Rudolf Steiner (1986,1), S. 85
[57] Peter Selg (2022,1)
[58] Nana Göbel (2020)
[59] Internationale Konferenz (2016)
[60] Bund der Waldorfschulen (2022)
[61] Siehe S. 110 dieser Arbeit
[62] Rudolf Steiner (1991), S. 140
[63] E.A. Karl Stockmeyer (1976), S. 338
[64] Ludwig Pallat (1926), S. 172
[65] Diesen Handwerksmeistern ließe sich am ehesten die Begrifflichkeit einer „Werkreife“ bei Schülern zuschreiben, ging es ihnen doch am ehesten darum spätere Lehrlinge, heute würde man sagen „Auszubildende“ zu finden und zu gewinnen. Heute würde man hier vielleicht von Ausbildungsbörsen sprechen. Berufspraktika oder eine berufliche Ausbildung in der Oberstufe von Waldorfschulen sind seit Jahren konzeptioneller Bestandteil einiger Schulen, beispielsweise der Hiberniaschule. Infos unter www.hiberniaschule.de
[66] Vergleiche auch das Kapitel „1919 - die Geburt der Waldorfschule“ in Heike Birk und Thomas Verbeck (2022), S. 7-10
[67] Rudolf Steiner (1991), S. 137
[68] Giese, Anette und Heike Birk (2021). Eine Fortsetzung der kollegialen Diskussion steht noch aus, wird aber sicherlich wieder aufgegriffen werden.
[69] Thomas Verbeck und Heike Birk (2021)
[70] Helmut Hinrichsen (2022), S. 312
[71] An dieser Stelle muss natürlich der www.waldorf-ideen-pool.de als eine universale Fundgrube erwähnt werden.
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Eine Plattform ist auch www.werklehrertagung.eu mit ihren geschützten Mitgliederbereichen.
[72] Rudolf Steiner (1975,2)
[73] Rudolf Steiner (1989,1), S. 98
[74] Rudolf Steiner (1989,1), S. 101
[75] Rudolf Steiner (1989,1), S. 106
[76] Rudolf Steiner (1987,1), S. 336
[77] Rudolf Steiner (1986,2), S. 212
[78] Rudolf Steiner (1989,1), S. 61
[79] Rudolf Steiner (1989,1), S. 98
[80] Rudolf Steiner (1986,2), S. 121
[81] Rudolf Steiner (1986,2), S. 231
[82] Rudolf Steiner (1991,1), S.76-88
[83] Rudolf Steiner (1986,1), S. 69
[84] Rudolf Steiner (1986,1), S. 138
[85] Rudolf Steiner (1993), S. 102
[86] Rudolf Steiner (1993), S. 120
[87] Rudolf Steiner (1993), S. 138
[88] Rudolf Steiner (1987,2), S. 143
[89] Rudolf Steiner (1987,2), S. 254
[90] Rudolf Steiner (1987,2), S. 257
[91] Rudolf Steiner (1989,1), S. 142
[92] Rudolf Steiner(1986,2), S. 196
[93] Rudolf Steiner (1986,1), S. 88
[94] Rudolf Steiner (1986,1), S. 95
[95] Rudolf Steiner (1986,1), S. 122
[96] Rudolf Steiner (1991,3), S. 134