MICHAEL MARTIN
Kupferschmiede und Eisenschmiede
Obwohl für die Werkstätten beider Metalle der Ausdruck «Schmiede» üblich ist, unterscheiden sich die Bearbeitungsweisen von Kupfer und Eisen so grundlegend voneinander, dass auch die Arbeitsstätten in ihrer Einrichtung und Stimmung ganz andersartig auf den Eintretenden wirken müssen.
Das Kupfertreiben erfordert eine Vielzahl von Werkzeugen, die dort fein geschliffen und poliert sind, wo sie den Werkstoff unmittelbar gestalten. Eine Schramme auf dem Kopf eines Treibhammers würde diese mit jedem Schlag auf das Kupfer übertragen; das wäre geradeso wie eine Scharte im Hohleisen, mit dem man eine Holzfläche sauberschnitzen wollte. Deshalb darf der Stahl nicht rosten, d.h. die Luft muss grundsätzlich trocken und der Boden am besten aus Hirnholz gefertigt sein, um ein herunterfallendes Werkzeug oder Werkstück weich abzufangen. Im Raum soll es nicht hallen, weil sich der Klang der hellen Schläge beim Treiben zu unerträglichem Lärm steigern würde, zum anderen auch deshalb, weil der Lehrer aus dem Ton des Schlages, dem Kreischen der Feile hören kann, ob der Schüler richtig mit dem Werkzeug umgeht. Es muss also unabdingbar etwas für den Schallschutz an Wänden und Decke getan werden. Wichtig ist, dass das Tageslicht schräg in den Raum einfällt und nicht zu hell ist; im schattenarmen Licht kann man die feinen Hammerspuren im Kupferblech nicht sehen, die sauber Schlag neben Schlag gesetzt werden müssen. Allein an diesen wenigen Hinweisen kann man merken, wie stark der Arbeitsprozess selbst in die äußere Gestaltung der Werkstatt hineinwirkt!
In der Kupferschmiede herrscht eher eine zarte Dämmerung, aus der das rot und golden glänzende Metall und die silbern blitzenden Werkzeuge herausleuchten. Dadurch entsteht eine warme, fast geheimnisvolle Stimmung, die durch die buntfarbigen Kupfermineralien in einem Schrank, die vielgestaltigen Kannen, Schalen, Leuchter, Becher, Dosen auf dem Regal oder durch den zurückspiegelnden Schein von Wandlampen noch bekräftigt wird. Überhaupt kann man diese Wirkung durch bewussten Einsatz der Glanzwirkung des Metalls im Zusammenhang mit Licht noch steigern.
Gegen diese feinsinnige Kultur der Kupferschmiede wirkt die Eisenschmiede roh, ungeschlacht, elementar. Schon das Feuer verlangt als Mittelpunkt eine ganz andere Umgebung; es muss nicht nur entfacht, sondern auch gehalten, gezügelt werden. Das erfordert die Feuerfestigkeit des Steins, die Härte des Bodens, die gusseiserne Feuermulde, den Einsatz des Eisenbleches für die Esse und vieles mehr. Luft, Wasser und Rauch werden in die Sorge des Meisters mit einbezogen, richtig geleitet oder bewahrt. Dunkelheit, Hitze und Ruß gehören genauso in dieses Stimmungsbild wie der typische Geruch und die kraftvollen Schläge, die weit in die Umgebung hinaus hallen. Die Geräte und Werkzeuge wirken für den Laien grobschlächtig und schwer; überall spürt man den notwendigen Einsatz gebändigter Stärke. Die Arbeitsprodukte, die man ringsum gewahrt, strahlen eine natürliche, herzhafte Frische aus, sie rühren unmittelbar das gesunde Lebensgefühl an.
Wie er als Kind eine Hammerschmiede erlebt hat, in der Sensen geschmiedet wurden, beschreibt Peter Rosegger so bildhaft real, dass man unmittelbar die Stimmung wahrnimmt, aus der heraus die Eisenschmiede auch in der Schule gestaltet sein kann. Dieser Bericht soll hier (gekürzt) wiedergegeben werden.
«Was ich zuerst sah, war ein sprühendes Stück Sonne, das von der brüllenden Esse mit Schwung herbeigeholt und auf den Amboss geworfen wurde, tonlos, als wäre es von Teig. Jetzt hob sich auf massigem Hebelbaum der Hammer und fiel nieder in die weiche Masse, dass ein Meer von Funken durch die Hütte schoss. Ich barg mich vor Schreck und Angst hinter den Rücken meines Vaters, aber die Funken waren bereits angeflogen an mein Leiblein, und ich war nur höchlich überrascht, dass ich nicht lichterloh brannte, ja nicht einmal einen Schmerz wahrnahm an den Händen, an welche die feurigen Mücken gesaust waren. Auch der zweite und dritte Hammerschlag jagte ein Heer von Schlacken und Funken hinaus, aber je platter das Eisenstück geschlagen wurde, je rascher der Hammer darauf niederfiel, desto weniger sprühte es. Ein Schmied stand da, der wandte mit langer Zange das Eisenstück hin und her, bis das Geschlacke von allen Seiten herausgehämmert war. Das weiße Glühen war immer röter und matter geworden, und endlich hatte das Stück nur mehr die graue Farbe des Eisens. Es wurde hingeschleudert, der Hammer stand still.
Ich war ein wenig dreister geworden und besah mir jetzt die Dinge, obwohl es ganz dunkel war, wenn das Feuer nicht leuchtete. Vor allem fiel mir ein großer Lederkasten auf, der Atem schöpfte. Der Blasebalg war's, welcher, von Wasserkraft aufgezogen, durch Röhren in die Esse blies. Auf der Erde lag allerlei altes Eisen herum. An den Wänden lehnten und hingen in ganzen Reihen Zangen, Hämmer, Schlegel, Feilen, Hacken, Beile und allerlei, was ich gar nicht kannte. Jetzt erst fielen mir auch die Schmiede auf, über deren rußige Gesichter und entblößte Brust die Schweißtropfen rannen. Wir gingen weiter und kamen zu anderen Essen, wo die Schmiede mit Eisenschaufeln Kohlen in die Glut warfen, die sofort mit glanzloser, blauer Flamme grollend zu brennen begann... Mir fielen aber die Schmiede auf. <Warum sie allemal noch einen leeren Schlag auf den Amboss machen, wenn die Sense schon weggezogen ist?» so fragte ich. Mein Vater antwortete: <Das tun die Schmiede überall; mit dem Schlag auf den Amboss schmieden sie die Kette fester, mit welcher der höllische Drach gefesselt ist; sonst tät sie endlich brechen, und der böse Feind wär los und ledig.»»[1]
Dunkelheit, Feuer, Ruß und sprühende Funken und Lärm lassen für das Gefühl keinen Zweifel aufkommen, daß wir uns mit den finsteren Bereichen der Erde verbinden, wenn wir Eisen schmieden. Willenshafte Kräfte drängen herauf. Wir wissen, dass im Bildnerischen das Licht nur aus der richtigen Behandlung des Dunklen entstehen kann. Im Hell-Dunkel-Zeichnen ist das ganz objektive Erfahrung.[2] Die Schmiede ist das äußere Abbild dafür, besser gesagt: ein Wahrbild dieser Tatsache. Licht, Wärme und Kraft vereinen sich zur Tat und bezwingen den toten Stoff. Alles Dunkle ist notwendiger Widerstand.
Ja! Ich weiß, woher ich stamme!
Ungesättigt gleich der Flamme glühe und verzehr' ich mich. Licht wird alles, was ich fasse, Kohle alles, was ich lasse: Flamme bin ich sicherlich!
(Friedrich Nietzsche)
[1] Peter Rosegger, Als ich noch der Waldbauernbub war
[2] Siehe 5. Teil „Arbeit und Rhythmus“ und 4. Teil, „Vom bildnerisch-künstlerischen Unterricht der Oberstufe“, Hell-Dunkel-Zeichnen, S. 230