FRIEDRICH WEIDLER
Bisher wurde im Werken und Schnitzen mehr aus dem vollen Werkstoff heraus gearbeitet, der Schreiner dagegen (wie schon das Wort «Schrein« besagt) setzt vielfach aus dem schönen Werkstoff Holz etwas «Umschließendes», Gehäuseartiges zusammen. Er stellt Dinge her, die der Mensch in seiner wohnlichen Umgebung benötigt, um für die vielen Gegenstände des Haushalts ordnende Plätze zu bekommen (Schränke, Regale, Truhen). Andererseits sorgt der Schreiner auch dafür, dass der Mensch z.B. in würdiger Weise seine Mahlzeiten einnehmen kann, indem er Tisch und Stuhl baut. Wir können das auch an der Berufsbezeichnung «Tischler» sehen. Das Wichtige ist, wie beim Schreinerhandwerk sich eine Arbeitsweise entwickelt hat, bei der alles kunstvoll zusammengesetzt und zusammengefügt wird. Man kann sagen, es haben sich Handwerksregeln entwickelt, wie die Arbeitsabläufe am geschicktesten durchgeführt werden, und wenn der Lernende sich daran hält, so kann ihm alles ebenso gelingen wie einem Berufsmann. Interessant ist, dass es beim Schneider (der ja die Umhüllung für den menschlichen Leib zusammensetzt) für seine Arbeitsvorgänge Wörter gibt, die der Schreiner für seine Arbeitsabläufe genau gleich benutzt: Zuschneiden - Auftrennen - Besäumen - Heften. Auch sind Stoff beim Schneider und Bretter beim Schreiner gleichermaßen halbfertige Werkstoffe. Das Bedürfnis, über die Zweckmäßigkeit hinaus alles schön zu machen, ist bei beiden Berufen stark ausgeprägt.
Wir werden bei unseren Arbeiten von dem Grundwerkstoff «Massivholz» ausgehen und nicht gleich von den «künstlichen» Werkstoffen des Schreiners, die sich im Maschinenzeitalter entwickelt haben (z.B. Furnier, Tischlerplatte, Sperrholz, Spanplatte). Für die Verarbeitung von Massivholz nebst dem Zusammenfügen der Rohbretter zu breiteren Flächen sind drei Holzverbindungen von alters her entscheidend und auch heute noch im zünftigen Handwerk notwendig:

Das Zinken
Das Graten
Schlitz und Zapfen
Wer diese drei Grundverbindungen beherrscht, kann auch ein Möbelstück bauen.
Ich zeige den Schülern, was sie in der Epoche anfertigen können: Tragekästchen, Holzköfferchen, Werkzeugkasten, gezinkten Hocker oder Truhe[1]. Die Grundform dieser Arbeiten ist der gezinkte Kasten, der dem Zweck entsprechend abgewandelt wird (beim Hocker ist es nur ein halber!).
Die Epochen dauern etwa fünf oder sechs Wochen mit je drei Doppelstunden (= Werkstunden) in der Woche. Das sind in der Gesamtsumme ca. 22 bis 29 volle Handwerkerstunden, wenn man berücksichtigt, dass eine Schulstunde nur 45 Minuten dauert. Bei dieser knappen Zeitvorgabe ist es klar, dass der Lehrer die Epoche straff einteilen muss, wenn er eine abgerundete typische Schreinerarbeit mit den Schülern durchführen will und jeder mit seiner Arbeit zuletzt auch fertig sein soll.
Nachdem die Schüler ihre Aufgaben gewählt haben und die Größe dafür bestimmt ist, werden die Maße für eine zu verleimende Holztafel festgelegt, die jeder zuerst anfertigen muss, um daraus die Bretter für das Werkstück zu erhalten. Dann wenden wir uns der ersten gemeinsamen Arbeit zu, dem Rohholzzuschnitt.
Ein mit Stapelleisten luftig und gerade aufgeschichteter Holzstoß liegt vor uns. An den zöllig-starken (24 mm) Brettern ist noch die «Waldkante». Ich achte sehr darauf, dass das Holz raumtrocken ist (d.h. 6-8 %). Man kann sich dadurch viele Unannehmlichkeiten durch Verziehen ersparen.
In der Regel verwende ich bei der Schreinerepoche Kiefernholz. Dies ist eine einheimische Holzart, durch den Harzanteil mild beim Bearbeiten, es duftet gut, ist preiswert und hat eine lebendige Maserung: hell beim Splintholz und das Kernholz warm rötlich-braun.
Die Schüler legen eine Reihe Bretter auf die Hobelbänke. Nun teile ich diese mit dem Maßstab vor ihnen mit einer Längenzugabe von ca. 3 - 4 cm so ein, dass ich Äste, Holzfarbe, Maserung und Risse beurteile und entsprechend berücksichtige. -Sind die Längen mit Signierkreidestrichen «angerissen», legen die Schüler ein langes Brett längs auf zwei Hobelbänke, damit es mit einer Zuschneidesäge «von Hand» zerteilt werden kann.

Es ist nicht sicher, dass die Schüler sich schon einmal eine Spannsäge genauer angesehen haben und damit richtig arbeiten können. Die Spannsäge mit ihrem Holzgestell ist nämlich ein typisches Schreinerwerkzeug, das sich in seinem Bau sehr von den Bügelsägen unterscheidet, mit denen man in der Mittelstufe einen Ast absägen kann. So fange ich mit dem «Schneiden» selbst an. Das Sägeblatt streift zur Führung am Daumen der linken Hand; wenn das Brett an der Kante eingekerbt ist, säge ich zügig am Strich entlang, drücke nicht zu stark und nutze die volle Sägeblattlänge aus. Noch bevor das Brett durchgesägt ist, halte ich inne, und wir schauen die Säge etwas genauer an. Ich frage, ob sie etwas Besonderes am Sägeblatt und den Sägezähnen sehen. - Das Sägeblatt ist schräg eingestellt! - Warum? - Damit der Schreiner rechts oder links an einem Riss entlang sägen kann und dabei den Strich sieht! Später werden die Schüler sehen, dass dadurch auch ein Freiraum zum Steg der Säge vorhanden ist, wodurch beim «Besäumen» die abfallende «Waldkante» ungehindert Platz hat. - Was sehen die Schüler an den Sägezähnen? - Diese sind «auf Stoß» gefeilt. Zahnbrust und Zahnrücken weisen verstärkt in eine Richtung. Die Betonung beim Sägen geht nach vorn, dementsprechend greift die Säge an. Außerdem sind die Zähne im Wechsel einmal nach links, dann nach rechts «geschränkt»! - Warum? - Die Zähne «räumen» den Sägespalt, das Sägeblatt streift weniger und läuft leichter. Ich weise noch darauf hin, wie die Säge angefasst wird und daß man sich mit dem Handgelenk am «Hörnchen» abstützt, damit man die Säge gegebenenfalls eher anheben kann, besonders kurz bevor das Brett durchgesägt ist; sonst gibt es «Fetzen».
Einfügen möchte ich an dieser Stelle, dass ich die im Schreinerhandwerk üblichen Fachausdrücke benutze. Den Schülern ist das zwar neu, aber es gibt dem Ganzen noch zusätzlich eine typische Note.
Nun werden die Sägen verteilt. An jeder Hälfte des ersten Brettes sind noch etliche Schnitte zu machen. Dies übernehmen jeweils zwei neue Schüler, so sind schon vier beschäftigt. Rasch werden alle angezeichneten Bretter über die Hobelbänke im Raum verteilt, und im Nu arbeitet die Gruppe mit großem Engagement, aber teils noch recht unbeholfen; ich muss weiter helfend eingreifen. So geht die erste Stunde rasch zu Ende; schnell noch gekehrt und der Hinweis, dass wir in der nächsten Stunde mit dem «Besäumen» anfangen werden!
Die auf Länge geschnittenen Rohbretter liegen bereit zur Weiterverarbeitung. Ich lege ein Brett auf die Hobelbank mit der Schmalseite nach oben. Knapp an der Waldkante jeweils reiße ich mittels einer Richtlatte einen geraden Strich auf. Da die meisten Bretter durch das Trocknen leicht gewölbt sind und «Herzbretter» beim «Kern» oft Risse haben, werden sie auch in der Mitte aufgetrennt; also auch da mit einem geraden Strich versehen.
Zum Besäumen wird das Brett senkrecht in Körperhöhe in die Hobelbank eingespannt. Ich zeige und wiederhole alles, was ich beim ersten Sägen gesagt habe. Bedingung ist, dass gerade, winklig und knapp ohne Zwischenräume neben dem Bleistiftstrich gesägt wird. Ich sehe streng darauf, dass diese Forderungen beachtet werden. Außerdem lege ich Wert auf gleichmäßig-zügiges Sägen.
Voll Eifer beginnen die Schüler zu arbeiten. Jeder im Werkraum ist in seiner Art in Bewegung, es ist eine Freude, wie alle voll tätig sind. Wenn der Lehrer sich nun einen Überblick verschafft und genau beobachtet, wird ihm vieles auffallen, wobei er eingreifen und korrigieren muss. Es werden immer noch Sägen verkehrt in die Hand genommen, obwohl der richtige Griff in der vorigen Stunde genau besprochen wurde. Die Schüler müssen erst das Werkzeug kennenlernen, sich in seine Logik einleben. Hier wird die Säge nicht gerade geführt, dort wackelt sie oder verklemmt im Sägespalt; neben oder auf dem Strich wird krumm gesägt, der Abstand neben dem Strich ist zu groß, auch das genaue Anschneiden (erste Kerbung) macht Schwierigkeiten.
Der Lehrer ist nun gefordert, die Schüler in die richtige Bahn zu lenken, von ihnen fachmännisches Arbeiten und in steigendem Maße Genauigkeit zu verlangen.
Die Schüler sind ganz in Bewegung, müssen aber «der Sache zuliebe» ihren Körper beherrschen lernen: vom Stand der Beine über die Körperhaltung und Armbewegung bis zum Kopf einschließlich dem wachen, prüfenden Blick. Der Sägeschnitt in der vertikalen Ebene führt sie schon jetzt großenteils an «ihre Grenze»! Obwohl wir noch am Anfang der Epoche stehen, bekommen sie Respekt vor ihrer Arbeit und davor, wie es ihnen der Lehrer in sicherer Weise zeigt.
Manchmal kommt es vor, dass Schüler in ihrer Arbeitsweise hektisch vorauspreschen wollen. Ich höre das am unrhythmischen, maschinenhaft schnellen Sägegeräusch. Es drückt sich dabei eine innere Ungeduld aus, die Säge «verläuft»! Die Folge davon ist, dass der Schüler außer Atem kommt, er erhitzt sich und ermüdet zu stark.
Es ist Sache des Lehrers, mit den Schülern darüber zu sprechen, dass ein tüchtiger Handwerker nur deshalb so ausdauernd arbeiten kann, weil er dabei ein rhythmisches Gleichmaß beibehält - und der Lehrer beweist es ihnen auch stets beim Vorarbeiten.

Zum Auftrennen der Bretter in der Mitte zeige ich den Schülern eine Variante des Sägens, wie es der Schreiner früher machte: Das «Fausten»!
Das Material wird flach liegend auf die Hobelbank gespannt, so dass die eine Hälfte über die Bankkante übersteht. Das Sägeblatt ist im rechten Winkel zum Gestell gedreht, dieses wird in beide Fäuste genommen und vertikal wie ein Sägegatter bewegt, mit der Betonung nach unten. Zwischen Sägeblatt und Steg ist der größtmögliche Zwischenraum (für den Mittelschnitt). - Wieder sind die Schüler gefordert, die Säge mit der größten Geschicklichkeit senkrecht zu führen. Sobald man schwankt, verklemmt das Sägeblatt. - Ich zeige, wie man durchaus mühelos sägen kann, selbst wenn man die Säge statt mit der Faust nur mit den Fingern hält. Die Senkrechte ist ausschlaggebend!
In der dritten Stunde wird der Zuschnitt zu Ende gebracht. Nun lasse ich alles zugeschnittene Holz auf drei oder vier Hobelbänken in der Breite aneinanderreihen. Wir betrachten das Holz, und ich wähle für eine Tafel die entsprechenden Bretter aus und lege sie fachgerecht, also «Kern an Kern und Splint an Splint» zusammen und mit der «rechten Seite» nach oben. Außerdem werden in Farbe und Maserung gleichartige zueinander geordnet. Schmal- und Breitseite der Bretter lege ich versetzt. Das richtige Zusammenlegen hat mit bestimmten Eigenschaften des Holzes zu tun, von denen der Schreiner Kenntnis haben muss. So füge ich an dieser Stelle etwas Holzkunde ein. Ich zeichne einen Stammquerschnitt auf und erinnere die Schüler daran, dass der Baum an der Peripherie am lebendigsten ist. Im jüngeren Splintholz geht der Saftstrom aufsteigend bis in die Blattkrone; von dort aus strömt der Saft im Bast zwischen Holz und Borke nach unten. Das Dickenwachstum des Holzes findet im Kambium, der Lebensschicht, in geheimnisvoller Weise statt. Im Frühling setzt durch schnelles, lockeres Zellwachstum das «Frühholz» an und im Sommer das viel dichtere «Spätholz». Beides zusammen ergibt den Jahresring. Die Jahresringe beim Stammquerschnitt stellen bildhaft die ganze Biographie des Baumes dar. Ein Wunder ist es, wie verschieden sich das Holz bei den einzelnen Baumarten in Bezug auf Maserung, Farbe und Geruch bildet.

Auf meiner Zeichnung des Stammquerschnitts zeige ich, wie der Baum zum Kern hin stärker verholzt ist als in Richtung Außenzone. Das führt zum unterschiedlichen Trocknen der einzelnen Bretter; die zum Kern weisende Brettfläche (das nennt man die «rechte Seite») trocknet gewölbt auf und die zur Rinde weisende hohl (das ist die «linke Seite»). Der Schreiner muss dies beim Zusammenfügen und Verleimen berücksichtigen!
Ist das zugeschnittene Holz zu einer Tafel zusammengelegt (mit etwas Breitenzugabe für jede Fuge), so wird es mit einem Dreieckszeichen versehen, und wir können uns in der nächsten Stunde dem Fügen zuwenden.
Jeder Schüler spannt als erstes ein sogenanntes «Fügebrett» flach zwischen die Bankhaken der Hobelbank. Außerdem legt jeder einen (von mir gut geschärften) Doppelhobel und eine Raubank in die «Bankrinne» bereit. Das Fügematerial steht entsprechend dem «Dreieckszeichen» geordnet an jedem Arbeitsplatz.

Die Schülergruppe schaut mir nun zu, wie ich die einzelnen Bretteile, immer in der gleichen Richtung, flach auf das «Fügebrett» auflege und stirnseitig so in die Metallzacken stoße, dass die zu fügende Kante ca. 1 cm übersteht. (Ist die Kante zu krumm gesägt, so wird sie «hochkant» mit dem Doppelhobel einigermaßen «begradigt». Wer gerade gesägt hat, ist im Vorteil!) Mit der langen Raubank hobele ich die erste Kante exakt gerade. Das Brett wird nun gekippt, um die gegenüberliegende Kante ebenso zu «fügen». - Nun werden dem Dreieckszeichen entsprechend die nachfolgenden Bretter in der gleichen Weise bearbeitet.
Ich zeige, wie die Raubank seitlich auf der Hobelbankfläche geführt und beim Hobelvorgang so an das «Werkstück» gedrückt wird, dass die Brettkante eher 1/10 mm hohl wird. Beim letzten Hobelstoß sollte am besten ein Span über der ganzen Kantenlänge entstehen. - Geprüft wird, indem ich zwei gefügte Kanten aneinanderdrücke und gegen das Licht hin beurteile: Außen sitzen die Kanten dicht aufeinander, und zur Mitte darf das Licht durch einen haarfeinen Spalt (höchstens 2/10 mm) blitzen. Nun ist es soweit, dass die Schüler das «Fügen» selbst probieren können; sie ahnen nicht, welche handwerkliche Präzision für eine gute Fuge von ihnen gefordert wird. Die Güte der Verleimung hängt davon ab!
Die Stunde ist für alle sehr anstrengend. Geschicklichkeit und Kraft müssen voll eingesetzt werden. Ich muss immer wieder zeigen, wie verschieden die Druckverlagerung beim Hobeln ist. Soll die Arbeit gelingen, müssen die Schüler bei jedem Hobelstoß mit viel Konzentration ihre Bewegungen durchschauen und in den Griff bekommen. Ständiges Wiederholen führt zum Ziel!
Spätestens bis zur Hälfte der fünften Stunde muss das Fügen beendet sein. Helfend korrigiere ich bei einigen Schülern Ungenaues an der Abricht-Hobelmaschine. Rasch wird alles Nötige für den Verleimvorgang vorbereitet: «Böcke», Spann-Knechte, Verleimlatten, Leim, Hammer und ein paar Nägel sind einsatzbereit. Ich zeige vor der ganzen Schülergruppe die Handgriffe des Verleimvorganges vom richtigen Aufstapeln der Hölzer, dem Leimangeben bis zum Auslegen entsprechend dem Dreieckszeichen, Spannen, Ebenklopfen der Fugen und das Absichern mit ein oder zwei Nägeln gegen das Durchhängen der Holztafeln, wenn diese zum Trocknen beiseitegestellt werden. - Besonders das Zusammenstapeln vor dem Leimangeben und das Auslegen im Zusammenhang mit dem Dreieckszeichen verwirrt manche Schüler. Scharfes Beobachten ist gefordert!
Ich lasse üben ... und dann verleimt jeder Schüler seine Tafel. Kein Schüler darf tatenlos sein! Als Team hilft heute jeder jedem! Erst wenn die letzte Tafel gespannt ist, können die Schüler aufräumen und gehen.
Die verleimten Tafeln habe ich für jeden Schüler vorbereitend an der Kreissäge auf ca. 85 cm x 35 cm im Format zugeschnitten. - Jeder legt noch einen Doppelhobel, eine Raubank, eine Richtlatte, zwei Fluchthölzer, einige Unterlegkeile und einen Bleistift in die Hobelbankrinne bereit.
Nun versammelt sich die Gruppe vor meinem Arbeitsplatz. Ich zeige, dass das Verleimbrett durchaus nicht gerade und plan ist und dass wir durch Hobeln unbedingt eine exakte Ebene erreichen müssen. Das Brett wird flach auf die Hobelbank zwischen die Bankhaken gespannt; die «rechte Seite» ist oben, und Luftspalten an den Kanten werden mit Keilen unterlegt. Nun lege ich vorne und hinten parallele Fluchthölzer auf und kontrolliere, um wieviel das Brett «windschief» verzogen ist, indem ich die zwei oberen Kanten mit dem Auge in der «Fluchtrichtung» vergleiche. Diese «Verziehung» des Brettes muss beim Hobeln ausgeglichen werden.
Mit dem Doppelhobel wird das Brett schrägdiagonal «abgezwercht» und alle Wellen und Ungenauigkeiten grob ausgeglichen. Sobald sich die raue Oberfläche geglättet hat, kommt die Feinarbeit mit einer ganz scharfen Raubank.
Ich arbeite jetzt in der Längsrichtung der Maserung mit feiner Spaneinstellung der Raubank. Zur Messkontrolle dient nach den «Fluchthölzern» eine exakt gerade Richtlatte. Diese muss längs, quer und diagonal immer dicht aufliegen! Hobeln und Messen, Ausgleichen und Kontrollieren, Beherrschung des Werkzeuges und klares Beobachten müssen in ständigem Wechsel durchgeführt werden; die Arbeit ist in vielschichtiger Weise von Rhythmus durchzogen. Die Hauptrichtung dabei ist die Horizontale.
Die Schüler beginnen nun selbst, ihr Brett plan zu hobeln. Merkwürdigerweise stellt sich in dieser Stunde bei der ganzen Gruppe stets ein harmonisches, sachbezogenes Arbeiten ein. Auch wenn die Arbeit Mühe macht, ist es den Schülern offensichtlich ein Bedürfnis, durch dieses ständige Ausgleichen das Ziel - die exakte ebene Fläche - weitgehend zu erreichen. Wenn die Schüler die Späne aufkehren, rauscht es wie Blätter im Herbst, und es duftet im Raum nach Kiefernharz.
Es ist zu sehen, dass die Arbeitsvorgänge von einer Werkstunde zur anderen oft übergreifen. Dieses Wiederholen ist zum Vertiefen des Gelernten sehr gut. Wir führen also das Planhobeln in kurzer Zeit zu Ende. Manchem Schüler verlange ich zum wiederholten Mal noch mehr Genauigkeit ab. Erst wenn ich die Fläche für gut halte, ist die Arbeit abgeschlossen. - Die Schüler dürfen sich am Schluss auch gegenseitig helfen.
Ich zeige nun wieder der ganzen Gruppe, wie der Schreiner an den Kanten der Holztafeln mit dem «Streichmaß» die gewünschte Holzstärke «anreißt», ausgehend von der plangehobelten Fläche.
Immer wieder bin ich erstaunt und manchmal auch verzweifelt, wenn ich sehe, wie schwer es den Schülern fällt, diesen leicht zu verstehenden Vorgang dann selbst praktisch zu handhaben. Das Streichmaß seitlich anzudrücken, um eine genaue Stärke zu erreichen und gleichzeitig von oben mit der Metallspitze eine deutliche Linie anzureißen, schaffen viele Schüler nicht. Jede Arbeit muss ich im Auge behalten, Ungenauigkeiten dürfen nicht sein, ich muss immer wieder helfen und es vormachen.
Von den Schülern ist bei diesem Arbeitsvorgang sehr stark der Wille zum Durchhalten gefordert. Ich versuche, im Wiederholen allmählich die Fähigkeiten zu wecken.
Das Hobeln beginnt mit einer «Schrägphase» rings um das Brett, exakt bis zum Streichmaßriss. Nun kann das Gröbste diagonal zum Brett «abgeschrobbt» werden. Kurz bevor die endgültige Holzstärke erreicht ist, setze ich wie beim «Planhobeln» wieder die Raubank ein und erreiche so mit der nötigen Feinarbeit das Niveau des Streichmaßrisses. Wenn die Richtlatte bei der Nachkontrolle in allen Richtungen dicht aufliegt, so haben wir unser Ziel erreicht: das Brett ist «plan» und in der vereinbarten Holzstärke exakt gleichmäßig dick.
Wenn die Schüler zur Stunde kommen, müssen sie sich gleich das nötige Werkzeug an ihrem Arbeitsplatz bereitlegen. Zehn Dinge sind das: zwei Stemmeisen (10 mm / 16 mm), ein Holzhammer, Absetzsäge, Schraubzwinge, Unterlegebrettchen, Hartfaserplatte (zur Schonung der Hobelbank), Winkel, spitzer Bleistift, Streichmaß.

Vor der ganzen Gruppe klopfe ich nun eine Musterzinkung auseinander, und wir sehen an dem einen Brett die «Zinken», am anderen die «Schwalbenschwänze». Die Schüler verstehen, wie sinnvoll diese Holzverbindung gearbeitet ist und eine äußerst feste Eckverbindung darstellt.
An zwei Übungsbrettern zeige ich jetzt der Reihe nach, wie der Handwerker zinkt. Ich stelle die Bretter hochkant im rechten Winkel auf die Hobelbank. Die «rechte Seite» (die schönere) weist nach außen, die «linke» nach innen. An die Kanten zeichne ich das Schreiner-Dreieckszeichen und fixiere so die Anordnung. Wo die Zinken und Schwalbenschwänze angearbeitet werden sollen, wird die Holzstärke von der Stirnseite her mit dem Streichmaß auf die Fläche «angerissen». Auf die «Stirnfläche» des einen Brettchens werden nun die Zinken in Schrägform mit dem Bleistift richtig eingeteilt und aufgezeichnet und in Fortsetzung die Linien über Eck senkrecht bis zum Streichmaßriss «gewinkelt».
Nun spanne ich das Brett senkrecht in die Hobelbank und führe die Absetzsäge so genau an den Bleistiftriss, dass einmal rechts und einmal links am Zinken gerade noch die Hälfte der feinen schwarzen Linie stehen bleibt. - Für die Schüler ist das die höchste Herausforderung zur Genauigkeit!
Zum «Ausstemmen» der Zinken spanne ich das Brett mit der Schraubzwinge flach auf die Hobelbank. Mit dem Stemmeisen wird der Streichmaßriss vorweg eingeschnitten und unter Hinzunahme des Holzhammers in zwei Arbeitsvorgängen die Zwischenräume herausgearbeitet. - Damit die Schüler nicht zuviel gedanklich aufnehmen müssen, lasse ich sie diesen ersten Teil des Zinkens jetzt selber durchführen. Sie zeichnen, winkeln, reißen an, und für viele Schüler ist es jetzt schon schwierig trotz des vor ihnen liegenden Musterbeispieles und des gerade Gesehenen sich die Einzelheiten an ihrer Arbeit vorzustellen. Sie kommen zu mir oder helfen sich gegenseitig.
Wenn die Schüler das Sägen anfangen und später die Zinken ausstemmen, darf mir nichts entgehen, was ich korrigieren muss! - Die Arbeitsverfahren verlaufen in der Reihenfolge und Werkzeugführung nach handwerklichen Regeln, die eingehalten werden müssen; jede Abweichung hat negative Folgen, die sich an der fertigen Arbeit unmittelbar offenbaren.
Für das Anschneiden und Ausstemmen der Schwalbenschwänze schauen mir die Schüler wieder als Gruppe zu. Die Zinken werden mit einem scharfen Bleistift auf das zweite Übungsbrett übertragen. Wieder säge ich außerhalb der Schwalbenschwänze jeweils eine Hälfte am Bleistiftstrich weg, die andere Hälfte ist am Schwalbenschwanz noch zu sehen. Die Zwischenräume werden auch diesmal in der schon beschriebenen Weise herausgestemmt.
Ganz wichtig ist nun der Moment, in dem ich die fertige Zinkverbindung zusammenklopfe und alles auf Anhieb passt; zügig-stramm und bei allen Fugen dicht. Ich liefere damit vor den Augen der Schüler den Beweis für die Richtigkeit der Arbeitsverfahren!
Es ist gut, wenn man bei diesen Vorübungen die Schüler nicht sofort auf Fehlverhalten hinweist, sondern sie ruhig ihre Fehler machen lässt. Das Verständnis für die Zusammenhänge wird so einprägsam gefördert, und manch einer verhält sich in Zukunft aufmerksamer. Jeder in der Gruppe arbeitet nun an seiner Übung weiter und bringt mir in recht unterschiedlicher Weise ein mehr oder weniger gutes Ergebnis. Die ersten Zinkverbindungen säge ich ab, lasse sie mit Namen und Datum beschriften. –
Alle haben Gelegenheit, die Übungen ein zweites Mal ganz selbständig zu wiederholen. Auf gravierende Fehler mache ich natürlich aufmerksam.
Spätestens Mitte der neunten Werkstunde breche ich die Zinkübungen ab und mache den Schülern klar, dass es höchste Zeit ist, mit der eigentlichen Epochenarbeit zu beginnen. Dazu halten wir uns vor Augen, was wir in jeder Stunde beim Arbeiten erreichen müssen. Ich gehe bei diesen Überlegungen rückwärts von der letzten Schulstunde bis zur heutigen. Jede Arbeit wird eingesetzt: Beschläge montieren und fertig machen, Lackieren, Grundieren, «Verputzen» und Schleifen, Verleimen der gezinkten Kästen, das Zinken an der eigentlichen Epochenarbeit. Es wird jedem klar, dass wir sehr zügig Weiterarbeiten müssen! Ich sage den Schülern, dass wir jetzt trotz gewisser Unvollkommenheit bei ihren Übungen die eigentliche Arbeit zinken müssten; ich würde darauf bauen, dass sie mit bestmöglichem Einsatz dabei noch einiges besser machen würden.

Günstig ist auch, dass die Schüler das Gelernte nun an vier Verbindungsecken wiederholen und verbessern können. Sie bekommen das Zinken wirklich «in den Griff».
In zwei der zur Verfügung stehenden Doppelstunden führt der Schüler das Zinken an seiner Arbeit durch. Er weiß Bescheid, und so kann ich von Platz zu Platz gehen und jeden Schüler einzeln ansprechen und ihm eventuell helfen. Ich sage auch, dass alle Arbeiten in der dritten Doppelstunde fertig gezinkt, innen fein geschliffen und die Kästen bis zum Schluss der Schulstunde in Teamarbeit verleimt sein müssen. Erst wenn die letzte Arbeit mit dem «Stichmaß» in den rechten Winkel gestellt ist, können alle aufräumen und heimgehen.
Ein Schreinerlehrling wird vielleicht im dritten Lehrjahr souverän mit dem Putzhobel umgehen können. Eine Ahnung davon bekommen die Schüler, wenn sie mit sehr scharfem und fein eingestelltem Hobel die Zinken einebnen und die Flächen glätten. Bei «wilder» Maserung muss ich helfen. Ich stelle auch hierbei eine hohe Anforderung an die Güte der Holzoberfläche. Zum Schluss wird diese Außenfläche fein geschliffen und anschließend mit farbloser Grundierung eingestrichen. Bis zur nächsten Stunde muss sie trocken sein!
Mit ganz feinem Schleifpapier werden heute die grundierten Flächen geglättet. Als Unterlage haben wir einen Teppichabschnitt auf die Hobelbank gelegt; die feine Oberfläche darf keine Druckstellen bekommen. Mit der Handfläche können die Schüler prüfen und fühlen, ob noch Stellen rau sind. Ist alles aufs feinste geschliffen und anschließend aller Staub entfernt, so kann fertig lackiert werden. In dieser Stunde kann ich auch über Beizen, Wachsen, Ölen und über Naturlacke sprechen.

Viele Arbeiten sind fertig, wenn in dieser Stunde die lackierten Flächen mit feiner Stahlwolle und anschließend mit Rosshaar abgerieben sind und somit seidenglänzend erscheinen.
Manche Schüler müssen noch ein Scharnier anbringen oder beim Holzkoffer einen Griff und Schnappverschlüsse. Das Schraubenhineindrehen und vieles mehr will geübt sein. Die letzte Epochenstunde reicht knapp. Wer fertig ist, begleicht noch die Unkosten seines Stückes.
Man sieht den Schülern die Erleichterung an, dass sie es geschafft haben, und sie bringen ihre Arbeit mit einem gewissen Stolz nach Hause.
Das Arbeiten in der Epoche hat manches zwischen Kopf und Gliedmaßen korrigiert. Verschwommenes Denken und falsches Vorstellen wird bei der Arbeit sofort sichtbar; das Verständnis für kausale Zusammenhänge erwacht. Insofern dient das Schreinern den Schülern auch für das Fortkommen in anderen Fächern, denn die erworbenen Fähigkeiten wie Geschicklichkeit, Exaktheit, soziales Verhalten usw. sind Qualitäten, die in andere, auch geistige Bereiche übertragbar sind. Der Blick des Schülers wurde geöffnet für ein weitreichendes Gebiet im Leben, aber auch für sich selbst: Es wird bei der Arbeit unmissverständlich klar, was er kann oder nicht kann - das Wollen allein tut es noch nicht. So finden sich Denken und Tun in Selbsterkenntnisprozessen zusammen, die für dieses Lebensalter sehr heilsam und ernüchternd sein können. Dabei kommt das Fühlen nicht zu kurz: Jedes Werkzeug bedarf einer feinfühligen Führung, um dem lebendigen Werkstoff Holz gerecht zu werden.

Beim Schreinern in der 10. Klasse habe ich die Schüler immer so erlebt, dass sie durch das in der 9. Klasse Erfahrene gleich von vornherein mit anderem Bewusstsein und viel aktiverer Bereitschaft in die Werkstunde kamen. Es bestand nun die Möglichkeit, das Graten als nächste Holzverbindung zu zeigen, evtl., mit einigen Schülern auch Schlitz und Zapfen als höchste Herausforderung an einem kleinen Möbelstück anzuwenden.
Ich griff zu Anfang aber auch mit Absicht auf das Zinken zurück, um die Schüler ohne meine Hilfe das wiederholen zu lassen, was sie letztes Jahr gelernt hatten. Für den Lehrer ist das eine ruhige Stunde, in der er die Schüler vorzüglich beobachten kann; er muss sich nur sehr zusammennehmen, damit er nicht doch helfend eingreift.
Machte ich in der nächsten Stunde ohne viele Worte den ganzen Zinkvorgang noch einmal vor, so hatte ich in der Regel ganz aufmerksame Zuschauer. Anschließend gelangen auch den Schülern die Arbeitsvorgänge fachgerecht.
So wird in der 10. Klasse einerseits das Geschick der Schüler durch Wiederholen gefestigt, andererseits durch Erüben neuer Holzverbindungen noch gesteigert. Man kann auch sagen, die Schüler erwerben sich jetzt in der zweiten Schreinerepoche erst richtige Fähigkeiten; was in der 9. Klasse noch oberflächlich war, bekommt nun die nötige Tiefe.
Für die Fachhochschulreifeprüfung war vom Werkbereich das Fach «Gestalten» vorgesehen. Die Schüler durften nach Maßgabe des Möglichen frei wählen, in welchem künstlerisch handwerklichen Fach sie gestalterisch arbeiten wollten; so auch beim Schreinern (Massivholzarbeiten, Furniertechnik, Intarsien).
Es waren kleinere Schülergruppen, die auf Grund ihrer Kenntnisse aus zwei Schreinerepochen Arbeitsvorschläge machen und ihre Idee zur Gestaltung äußern konnten. Das Ganze entsprach dem Umfang nach - bis zur Prüfung - etwa einer Jahresarbeit[2]. Meistens meldeten sich für das entsprechende Fach recht engagierte Schüler, und so seien hier auch einige Beispiele zur Anschauung gebracht (Schreibtisch, Hängeschrank, Schreibschrank, S. 205 - 207).
___________________________________________________________________
1] Siehe Abb. Seite 204
[2] An vielen Waldorfschulen werden von jedem Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt (8. oder 12. Klasse) «Jahresarbeiten» ausgeführt. Das sind Aufgaben, die sich der Schüler aus seinem persönlichen Interessengebiet selber wählt und im Laufe des Schuljahres unter der Betreuung eines Lehrers zumeist in der Freizeit fertigstellt. Sie können allen Lebensgebieten entnommen werden.